Um die Vorfreude auf das Weihnachtsfest ins Unermessliche zu steigern, stellt der musikalische Adventskalender jeden Tag ein neues Weihnachtslied vor – von Perlen der Weihnachtsmusikgeschichte über Nerv tötende Evergreens bis hin zu Grausamkeiten aus dem musikalischen Giftschrank ist alles dabei. Viel Spaß beim Hören!
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Während es gestern im musikalischen Adventskalender mit Bob Dylan einen der größten Stars der Folk-Szene gab, wird es heute deutsch: mit Udo Jürgens, der sich zur Verstärkung Nana Mouskouri geholt hat, um “Leise rieselt der Schnee” aufzuführen.
“Leise rieselt der Schnee” zählt zu den bekanntesten Weihnachtsliedern in deutscher Sprache. Der evangelische Pfarrer Eduard Ebel dichtete es 1895 und damit kurz vor der Geburt Udo Jürgens, diesem nicht altern wollenden “Dorian Gray” des deutschen Musikbusiness, der dieses Jahr zum wiederholten Male 70 Jahre alt geworden ist, aber immer noch so jugendlich wirkt wie anno 1978, als er zum sportlichen Desaster der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Argentinien den passenden Soundtrack lieferte (“Buenos Dias Argentina”). Begleitet wird Jürgens von Griechenlands Kultur-Exportschlager Nummer 1 (und das ist der Moment, in dem Costa Cordalis von Weinkrämpfen geschüttelt wird), Nana Mouskouri, die bereits mit Stolz und Würde ihre Hornbrille trug, als die heutigen Hipster noch auf Seerosen-Blättern schwammen und darauf warteten, vom Klapperstorch geholt zu werden.
Bei dem Auftritt besticht Udo Jürgens durch ein Jacket mit scheußlichem Karomuster, das nicht einmal Mitte der 80er Jahre als geschmackvoll galt, womit er allerdings geschickt von dem ein oder anderen Fehlgriff in die Tasten ablenkt. Nana Mouskouri wiederum wartet mit einem festlichen weihnachtsroten Kleid im Lamettalook auf, wodurch wiederum ihr doch leicht zittriges Vibrato in den Hintergrund gerät.
Einige Hörerinnen und Hörer fragen sich vielleicht, warum der musikalische Adventskalender sie mit diesem Lied quält, aber sie sollten diese Interpretation von “Leise rieselt der Schnee” als Erinnerung verstehen, dass Weihnachten die Zeit ist, in der wir einander beistehen sollten. Und sei es nur, um sich für zwei Minuten gegenseitig zu stützen, die es Bedarf das Lied zu überstehen, ohne den Computer anzünden zu wollen.
Dennoch viel Spaß beim Hören!
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Dieser ständige Wechsel zwischen guten (oder zumindest akzeptablen) Liedern und den Lowlights der schlimmsten Sorte ist echt eine Herausforderung. Aber mit dem Herrn des Verlangens vorgestern scheinen wir die schlimmsten Kasteiungen nun doch überwunden zu haben. Bei Udo und der Brille hab ich mich sogar wieder getraut, reinzuhören.
Wenn man bedenkt, dass die Alternative zu Udo und Nana eine Interpretation von “O, Tannenbaum” von Florian Silbereisen mit einem chinesischen Kinderchor war, ist das heutige Lied eigentlich doch gar nicht so schlimm.
Jetzt machst Du mir wieder Angst.
Nachdem ich in den letzten zwei Wochen leider keine Zeit fand, um deinen Adventskalender zu öffnen, suche ich nun nach Türchen hinten denen sich eventuell ein musikalisches Schmankerl versteckt.
Hier habe ich aber wohl keinen Glücksgriff gemacht. Sogar meine dreijährigen Söhne sind ob der Darbietungen etwas irritiert. „Warum singt der so?“ „Warum schaut die so.“
Wir versuchen unser Glück jetzt mit einem anderen Türchen.
Liebe Grüße
Paula
Schön, dass du wieder da bist. Dachte schon, ich hätte dich dauerhaft mit der Auswahl verschreckt.
Zum heutigen Lied: Du solltest deine Söhne auf musikalische und visuelle Hochbegabung testen. Ich sehe da großes Potenzial!
LG, Christian