Séverine hat auf ihrem lesenwerten Blog mit dem überaus schönen Titel “Mama on the Rocks” zu einer Blogparade über die schrägsten Ferienerlebnissen aufgerufen. Da bin ich selbstverständlich gerne dabei. Wer meine Ferientagebücher kennt, weiß das bei uns im Urlaub immer sehr viele skurrile Dinge passieren. Daher fiel die Entscheidung für ein bestimmtes Ereignis gar nicht so leicht. Habe mich schließlich für eine Anekdote aus unserem Bretagne-Urlaub 2012 entschieden, den wir gemeinsam mit unseren Freunden aus Bonn mit ihren drei Kindern verbracht haben. Das komplette Bretagne-Ferientagebuch gibt es hier. Viel Spaß beim Lesen!
Nach dem Frühstück brechen wir mit den Autos auf, um ins 20 Kilometer entfernte Trestelle zu fahren. Gedenken dort einen faulen entspannten Strandtag einzulegen. Es sollte allerdings anders kommen.
Kaum unterwegs stellt die Freundin beim Blick in den Rückspiegel fest, dass unsere Freunde nicht mehr zu sehen sind. Drehen also um und am Ortseingang steht der VW der Freunde. Dieser hat nach einer bodenseitigen Steinattacke den Dienst quittiert und weigert sich standhaft, die Fahrt fortzusetzen.
Flugs wird entschieden, dass die Frauen mit den Kindern zurück ins Ferienhaus fahren, um dort den faulen Strandtag ohne Strand zu verbringen. Ich harre mit dem Bonner Freund gemeinsam der Dinge, die da kommen (oder auch nicht). Er ruft beim Automobil-Club Europa (ACE) an, wo ihm eine freundliche Dame verspricht, so schnell wie möglich einen Automechaniker zu schicken, es könne aber ein wenig dauern. Warten auf Renault!
In dem bretonischen Nest scheinen gestrandete deutsche Urlauber Seltenheitswert zu besitzen und wir erregen die Aufmerksamkeit der zumeist seniorigen Dorfbewohner. Diese glänzen durch Hilfsbereitschaft, Gastfreundschaft – wir werden mehrfach zu Kaffee und Kuchen eingeladen, müssen aber dankend ablehnen, da der Mechaniker jeden Augenblick kommen könnte – und vor allem durch erstaunlich gute Englischkenntnisse, die in Frankreich eher selten anzutreffen sind.
Leider erweist sich der nach zwei Stunden und mehreren weiteren Anrufen beim ACE eintreffende Automechaniker als ausschließlich der französischen Sprache mächtig. Der Freund versucht sich bewaffnet mit einem Reisewörterbuch in einer gepflegten Konversation über den Zustand seines Autos. Ohne großen Erfolg.
Schließlich wird das Auto auf den Abschleppwagen verfrachtet und wir fahren mehr als 30 Minuten in einen größeren Ort zu einer Autowerkstatt. Die Unterhaltung ist eher spärlich. Stattdessen schaltet der Mechaniker einen französischen Inforadiosender ein und wir dürfen uns an einer an Monotonie nicht zu überbietenden Unterhaltung zweier französischer Männer erfreuen. Verstehe kein Wort.
In der Werkstatt eröffnet uns ein anglophiler Mechaniker, dass die “Speedbox” kaputt sei (Vulgo: Getriebe im Arsch). Da müsse nun eine VW-Werkstatt ran. Steigen also wieder in den Abschleppwagen ein und fahren fast eine Stunde nach St. Brieuc, dem einzigen Ort im Umkreis mit einer passenden Werkstatt. Werden weiterhin mit französischem Inforadio malträtiert. Spüre, wie mir allmählich Blut aus den Ohren läuft.
Pünktlich zur zweistündigen Mittagspause erreichen wir das VW-Autohaus. Der Freund telefoniert mal wieder mit dem ACE und die Dame verspricht, schnellstmöglich für eine Lösung des Problems zu sorgen und einen Mietwagen zu organisieren. Habe leichte Zweifel an der schnellstmöglichen Problemlösungsfähigkeit des ACE.
Nach der Mittagspause untersuchen ein paar Mechaniker das kaputte Auto. Nach ungefähr 20 Minuten präsentieren sie einen Kostenvoranschlag in Höhe von 3.980 Euro. Überlege angesichts der rapide fahler werdenden Gesichtsfarbe des Freundes, ob ich wohl mit Hilfe des Reisewörterbuchs den französischen Satz formuliert bekomme: „Hätten Sie etwas Riechsalz für meinen ohnmächtigen Freund?“.
Zähneknirschend unterschreibt er den Kostenvoranschlag. Bilde mir ein, kurz danach schallendes Gelächter aus der Werkstatt zu vernehmen.
Versuchen, die Zeit im Verkaufsraum des Autohauses totzuschlagen. Schaue mir dabei mehrfach einen vollkommen realitätsfremden VW-Sharan-Werbespot in Dauerschleife an: Eine vierköpfige Familie fährt vollkommen entspannt, nachdem das übersichtliche Gepäck im geräumigen Auto problemlos verstaut wurde, und grenzdebil lächelnd stundenlang über die Autobahn, um gut gelaunt in einem sauberen Fahrzeug am Ziel anzukommen. Schließe daraus, dass die Macher des Spots keine Kinder haben können.
Der Freund hängt mittlerweile seit ungefähr 25 Minuten in der ACE-Warteschleife fest, um sich nach dem Verbleib des Mietwagens zu erkundigen. Langsam bildet sich Schaum vor seinem Mund und er flucht wie ein Tourette-Kranker. Beschließe, sicherheitshalber Abstand von ihm zu halten.
Sitzen mittlerweile seit drei Stunden zwischen den VWs und vegetieren vor uns hin. Beobachte draußen die Bäume und bilde mir ein, dass sie sich allmählich goldgelb verfärben. Verfalle schließlich in einen paralyseähnlichen Zustand der Apathie und hoffe, aus dem Raum-Zeit-Kontinuum des Autohauses befreit zu werden. Männer, die auf Neuwagen starren!
Nach fast dreieinhalb Stunden passiert etwas vollkommen Unerwartetes: Ein Taxifahrer fährt vor und gibt uns zu verstehen, dass ihn der ACE schickt, um uns zum Autoverleih im Nachbarort zu bringen. Während der Fahrt stellt sich heraus, dass der Chaffeur anscheinend stark selbstmordgefährdet zu sein scheint. Schließe das zumindest aus seinem Kamikaze-Fahrstil. Vielleicht ist er aber nur farbenblind und sieht die roten Ampeln einfach nicht.
Pünktlich zum Feierabend erreichen wir den Autoverleih. Der Freund redet mit Engelszungen und unter Aufbringen seiner letzten Französischvokabeln auf die Frau ein, die gerade das Geschäft abschließt, und fleht sie an uns doch noch ein Auto auszuhändigen. Erhalten schließlich einen tiefer gelegten dreitürigen Sportwagen mit 200 PS unter der Haube. Nehmen auf der Heimfahrt noch zwei Staus mit und kommen nach 90 Minuten am Ferienhaus an.
Freudig werden wir vom Sohn begrüßt. Nach genauester Begutachtung des Mietwagens stellt er mit einem Anflug von Neid in der Stimme fest, dass unsere Freunde jetzt ein viel cooleres Auto als wir haben. Eine Einschätzung, die nur bedingt von der Bonner Freundin geteilt wird, die sich fragt, wie die drei Kinder auf die Rückbank zu quetschen sind.
Der Bonner Freund und ich überlegen derweil, morgen früh den neuen Mietwagen aufzubocken und mit einem Hammer auf das Getriebe einzuschlagen. Dann können wir den Abschleppwagen direkt zum Ferienhaus bestellen, bevor wir wieder auf halbem Weg zum Strand umkehren müssen. Schätze, wir haben einfach zu lange auf Neuwagen gestarrt und das hat bleibende Schäden hinterlassen.
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
gback: Mein schrägstes Urlaubserlebnis – mein Beitrag zur Blogparade » zwillingswelten - doppelgemoppelt
Absolut genial geschrieben, ich hab mich so was von amüsiert :-) Da habt ihr ja echt eine Irrfahrt sondergleichen erlebt. Die haben euch doch garantiert abgezockt, weil ihr kein Französisch könnt :-). Danke für die Teilnahme an der Parade!
Mit deiner Vermutung, dass der Level unserer Französischkenntnisse im umgekehrten Verhältnis zur Höhe der Reparaturkosten stand. Insbesondere ein Posten in Höhe von 1,20 Euro auf dem fast 4.000 Euro Kostenvoranschlag hat uns stutzig gemacht. Wir waren uns nicht sicher, ob es sich um Schrauben handelt oder einen Kaffee für den Mechaniker.
Wow was ne Irrfahrt! Aber so wie es klingt beim schreiben, kannst du im Nachhinein darüber schmunzeln. Ich musste es ehrlich gesagt, war es doch zu herrlich geschrieben!
Vielen Dank! Wenn es nicht das eigene Auto ist und man entsprechend nicht die 3.980-Euro-Rechnung begleichen muss, fällt das Schmunzeln im Nachhinein gar nicht so schwer.
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