Checken morgens aus dem Hostel aus und lassen ohne große Wehmut die Low-Budget-Traveller zurück, die in billigen verranzten Herbergen absteigen, fragwürdigen Mikrowellenfraß aus französischen Discountern verspeisen und dabei mit ihren teuren Laptops und iPads im Internet surfen. Machen uns auf den Weg nach Versailles, um den Mietwagen abzuholen. Erfahren leidvoll, dass französische Bahnhöfe nur bedingt auf vierköpfige Familien, die mit ihrem halben Hausstand verreisen, eingestellt sind und sich durch ein Defizit an Rolltreppen sowie grotesk schmale Durchgangstüren auszeichnen.
Kommen schließlich doch in Versailles an und finden die Autovermietung. Unternehmen den aussichtslosen Versuch mit dem Mitarbeiter, dessen Wortschatz und Grammatikkenntnisse der englischen Sprache nur unwesentlich über unser Französischvokabular hinausreichen, zu diskutieren, wo denn die vorbestellten Kindersitze seien. Lehnen sein Angebot dankend ab, eine Babyschale für den fast sechsjährigen Sohn zu verwenden.
Danach manövriert die Freundin das Auto heldenhaft aus der Stadt. Müssen auf der Fahrt in die Bretagne gegenüber dem Sohn mehrfach Rechenschaft über unsere Reisegeschwindigkeit ablegen, damit er uns aufklären kann, wie viel schneller wir fahren dürften, ohne die Höchstgeschwindigkeit zu überschreiten. Das Argument, der defensive Fahrstil sei dem Umstand geschuldet, dass sie keine Kindersitze hätten, wird nicht wirklich als Erklärung akzeptiert.
Empfinde beim Zwangshören des TKKG-Hörspiels ob der stereotypen Charaktere, der spannungsarmen Geschichte und den tumben Dialogen geradezu physischen Schmerz. Gröle dafür später mit der gesamten Familie aus vollem Hals bei den ‘Hits vom Fritz’ von Frederik Vahle mit. Verspüre eine tiefempfundene Dankbarkeit, dass wir nicht die ohrenkrebserzeugenden Lieder von Rolf Zuckowski hören müssen.
Nehmen zur Verlängerung des Hörvergnügens nehmen noch ein paar Staus mit, um nach sieben Stunden Autofahrt schließlich in der Ferienwohnung in Kerbors anzukommen. Werden dort von den Freunden mit Nudeln Bolognese, deren Menge für die Speisung des gesamten bretonischen Nestes ausgereicht hätte (und zwar für mehrere Tage), und einem 30er-Pack-Kronenbourg-Bier empfangen. Der Urlaub kann beginnen!
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)