Samstagmorgen, 5 Uhr, der Wecker klingelt. Die Abreise aus der Bretagne steht an. Überlege kurz, einfach nicht aufzustehen und die neuen Mieter nicht ins Ferienhaus zu lassen.
Bin mir sicher, dass wir die Bonner Freunde von dieser famosen Idee überzeugen können. Diese haben aber inzwischen Kaffee aufgesetzt und räumen Proviant in Kühlboxen. Sie scheinen entschlossen, tatsächlich abzureisen. Schade eigentlich!
Stehen also auch auf. Im Autopilot duschen wir, wecken die Kinder und räumen noch schnell die Küche auf. Verfrachten danach das letzte Gepäck ins Auto und machen die obligatorischen drei Kontrollgänge durchs gesamte Haus, um auch garantiert nichts zu vergessen.
Gelingt uns alles in allem auch. Abgesehen von einer Tüte mit Leergut, die wir übersehen und den Nachmietern als kleinen Willkommensgruß zurücklassen.
###
Fahren schließlich voller Wehmut los. Die Kinder nehmen den Abschied sehr ernst. „Auf Wiedersehen, Haus!“, „Auf Wiedersehen, Schaukel!“, „Auf Wiedersehen, Strand!“, „Auf Wiedersehen, Meer!“.
Um die werten Leserinnen und Leser nicht zu langweilen: Die Kinder haben in den beiden Urlaubswochen sehr viel ins Herz geschlossen – Gegenstände, Gebäude, Flora, Fauna, fremde Menschen und vieles mehr. Und von allem verabschieden sich die Kinder mit großer Empathie.
Auf der Fahrt durch das Örtchen, das uns in den letzten vierzehn Tagen eine Heimat war, halte ich Ausschau nach meinem zahnlosen, verwirrten Kameraden. Hätte ihm gerne Lebewohl gesagt und in den Arm genommen. Leider ist er nirgends zu erblicken.
Als wir das Rathaus passieren, bitte ich die Freundin, kurz zu halten. Möchte mich gerne beim Bürgermeister für die Gastfreundschaft, die wir erfahren haben, persönlich bedanken. Quasi als letzte ‚French Challenge‘.
Die Freundin meint, ich solle lieber froh sein, dass mich meine ‚French Challenge‘ nicht ins Gefängnis gebracht hat. Anstatt mein Glück herauszufordern, sollten wir besser ohne großes Aufheben verschwinden. Stimme ihr zu.
###
Kommen am Anfang auf den noch leeren Straßen gut voran. Bis wir die Autobahnen mit ihren Mautstationen erreichen. Dort stehen wir insgesamt über eine Stunde ihm Stau.
“Und wir düsen, düsen, düsen im Sauseschritt.” Lieder, die wir singen, wenn wir im Stau an französischen Mautstationen stehen.
— Betriebsurlaub (@Betriebsfamilie) 17. August 2014
Um es positiv auszudrücken: Die Franzosen haben uns so sehr ins Herz geschlossen, dass sie uns gerne noch länger bei sich behalten wollen. Gilt wahrscheinlich nur für diejenigen, die nicht unfreiwillig in eine meiner ‚French Challenges‘ geraten sind.
Da wir selbst auch nicht so recht heim wollen, nehmen wir ein bis zwei Mal falsche Ausfahrten beim Wechseln der Autobahnen. Verlängern dadurch unseren Aufenthalt für ungefähr eine weitere Stunde. Gut, um ehrlich zu sein, fahren wir insgesamt fünf Mal falsch ab, müssen teilweise wieder Wege in die falsche Richtung zurücklegen (wobei wir in Staus geraten), um wieder auf die richtige Autobahn zu gelangen (wo wir erneut Zeit im Stau verbringen).
So ist das halt, wenn die Orientierungslosen reisen. Es erleichtert irgendwann dann aber auch den Abschied vom Urlaubsland.
###
Erreichen nach knapp vierzehn Stunden Bonn, wo wir noch einmal bei den Freunden übernachten. Loben überschwänglich die Kinder, die sich auf der langen Fahrt absolut vorbildlich verhalten haben. Ohne Streit, ohne Übelkeit und ohne ein einziges Mal zu fragen, wie lange wir noch unterwegs sind. Mache mir allerdings Sorgen, weil sie nach der Ankunft ihre Daumen nach stundenlangem Nintendo-Spielen nicht mehr bewegen können.
###
Am nächsten Morgen sind wir gut zu uns selbst. Gönnen uns eine extra Stunde Schlaf. Der Wecker klingelt erst um sechs Uhr. Nach Katzenwäsche und einem Abschiedskaffee sitzen wir um sieben Uhr bewaffnet mit Reiseproviant der Bonner Freunde wieder im Auto.
Nachdem gestern auf den französischen Schnellstraßen maximal 130 km/h erlaubt waren, genießen wir heute die Vorzüge der deutschen Autobahn: Amokläufer auf vier Rädern, die mit Lichtgeschwindigkeit auf der linken Spur angerauscht kommen und weder sich noch andere schonen, Fahrzeuge, die rechts überholen oder Fahrer, die uns schneiden, um direkt danach noch schnell die Ausfahrt zu nehmen. Tempolimits werden generell nur als unverbindliche Fahrempfehlungen verstanden, die nicht zwingend eingehalten werden müssen.
Die Angst, einen Opel zu steuern und neben dir sitzt plötzlich Jürgen Klopp und schreit dich an, du sollst mehr Gier beim Fahren zeigen. — Betriebsurlaub (@Betriebsfamilie) 16. August 2014
Mache an einer längeren Baustelle ein Experiment und halte mich an die vorgeschriebene Geschwindigkeitsbegrenzung von 60 km/h (Gönne mir sogar noch 10 km/h Aufschlag.). Hätte gerne für jedes Fahrzeug, das uns überholt, einen Euro bekommen. Könnte dann jetzt das Ferienhaus in der Bretagne kaufen. Plus einen Teil des Strandes.
###
Legen knapp 100 Kilometer vor Berlin noch eine letzte Toilettenpause ein. Stelle auf dem Weg zum Rasthaus fest, dass meine Jeans so viele Schokoladenflecken aufweist, dass sie auch als Camouflage-Hose durchgeht. In Kombination mit dem zerzausten ungewaschenen Haar und dem struppigen Bart mache ich anscheinend einen so erbarmungswürdigen Eindruck, dass mir der Klomann den Toilettenobolus erlässt. Er ist sogar kurz davor, mir einen Teil seines Kleingelds zuzustecken.
###
Nach sechs Stunden Fahrt kommen wir wohlbehalten in Berlin an. Schleppen unser Gepäck sowie den halben Strand der Bretagne in unsere Wohnung. Endlich daheim!
Du weißt, du bist wieder in Berlin, wenn dir ein rülpsender Fahrradfahrer erklärt, dies sei eine Huldigung an den Tiergartener Hirschen.
— Betriebsurlaub (@Betriebsfamilie) 17. August 2014
+++ The End +++
###
Vielen Dank an alle Leserinnen und Leser für die vielen positiven Rückmeldungen auf dem Blog, bei Facebook und bei Twitter. Es war mir eine Freude und Ehre und ich habe mich über jeden einzelnen Kommentar sehr gefreut. Vor meinem geistigen Auge habe ich mir immer vorgestellt, wie Menschen morgens um halb zehn Knoppers essen und dabei die Blogeinträge lesen. Ein schönes Bild, wie ich finde.
Merci beaucoup!
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Na toll, warum die Idee mit dem Knoppers erst jetzt…:-(
Das nächste Mal stelle ich Kuchen bereit.
Vielen Dank für die täglichen Anekdoten, die mir das “Minitochter so lange kraulen bis sie eingeschlafen ist” in den letzten beiden Wochen versüßt haben. Merci beaucoup!!!
Sehr gerne. Ich hoffe, die Texte hatten sedierende Wirkung auf die Tochter.
Ich habe Euren Urlaub verpasst. Meine Ferienkinder haben mich abgehalten. ich lese nach, aber erst gehe ich Knoppers kaufen. Hurra. Danke für die Ausrede :D
Viel Spaß beim Lesen. Und die Knoppers gut vor den Kindern verstecken.
Auch ich mag mich ganz herzlich für die tolle Berichterstattung aus dem Urlaub bedanken. Es war mir jeden Abend eine Freude.
Tina
Auch nach 6 Jahren immer wieder schön zu lesen!