Sofort als wir am Strand ankommen, geht der Rest der Familie ins Wasser. Ich bleibe bei unseren Sachen. Einer muss die ja bewachen. Vor allem, wenn einer ohnehin keine Lust aufs Wasser hat.
Ich nutze die Gelegenheit und schaue ein wenig rum. Macht man im Alltag ja viel zu selten. Einfach mal rumschauen. Wobei das bei mir gar nicht stimmt. Mein Schreibtisch steht vor einem großen Fenster und davor steht wiederum ein großer Baum. Mehrmals am Tag flattern da Vögel rein, das schaue ich mir an und denke dabei: „Och wie schön, Vögel.“ Die Vögel schauen dann zurück. Aber nicht so, als würden sie denken: „Och wie schön, ein Mensch!“ Eher so etwas wie: „Da glotzter wieder, der komische Typ. Scheiß Creep!“
Zurück zum Strand. Auf der linken Seite gibt es hier eine große Klippe, auf der eine Burg steht. Wahrscheinlich die Burg, von der ich gelesen habe, dass sie zu luxuriösen Ferienwohnungen umgebaut wurde und nicht zu besichtigen ist.
Als Kind habe ich mir häufig vorgestellt, wie es wäre, in einem Schloss zu leben und gedacht, wie toll das wäre, so viele Zimmer zu haben, in denen du spielen kannst. Als Erwachsener stelle ich mir immer noch unnormal häufig vor, wie es wäre in einem Schloss zu leben, denke dabei aber eher, wie aufwändig es wäre, so viele Zimmer sauber zu halten.
In Westerburg, wo ich aufgewachsen bin, gibt es sogar ein Schloss. In dem lebte bis Anfang der 1990er Jahre noch ein Graf. Als er verstarb, stand das Schloss zum Verkauf. Für 10.000 D-Mark, wenn ich mich richtig erinnere. Ich fand es recht enttäuschend, dass meine Eltern bei dem Preis nicht zugeschlagen haben. Gut, die Sanierung hätte einen siebenstelligen Betrag gekostet, aber wir hätten in einem Schloss wohnen können!
Auf der Website des Anbieters der luxuriösen Ferienwohnungen steht, dass die Standard Suite Camille 350 Euro die Nacht kostet. Für zwei Personen. Das heißt, die Kinder könnten nicht mitkommen. Ich muss überlegen. Bei dem Preis könnten wir uns aber nur fünf bis sechs Tage leisten. Ein bisschen kurz für einen Urlaub. Außerdem bietet die Suite nur einen kleinen Blick aufs Meer und die Stadt. Ein bisschen wenig für das Geld.
Von der Junior Suite Jean-Baptiste hast du dagegen eine reizende Aussicht auf die Calanque und den Hafen. Kostet aber 590 Tacken pro Nacht. Das heißt nur drei Tage Urlaub. Die Superior Suite Chloé, die sich für mich ein wenig nach Rotlicht-Etablissement anhört, punktet mit einem wunderschönen Meerblick. Für den musst du pro Nacht allerdings 720 Euro berappen. Wird wohl nichts mit uns und einer Übernachtung in den luxuriösen Ferienwohnungen.
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Wenn du Strandurlaub machst, kannst du aber nicht den ganzen Tag über Burgen und Schlösser sinnieren. Irgendwann musst du auch mal ins Meer gehen. Sonst kommen von der Familie leicht vorwurfsvolle Fragen à la „Willst du gar nicht ins Wasser?“ und wer will sich im Urlaub schon Vorwürfe anhören.
Also pritsche ich mir mit dem Sohn im Wasser den Beach-Volleyball zu. Wir wollen uns aber nicht nur einfach zupritschen, sondern einen neuen familieninternen Weltrekord im Dauerpritschen aufstellen. Der liegt bei sagenhaften 279 Wiederholungen, aufgestellt letztes Jahr auf Sardinien.
Das ist bei uns in der Familie immer so. Wir müssen aus allem einen Wettbewerb machen. Keine Ahnung, woran das liegt. Vielleicht weil ich als Kind gerne Olympische Spiele geschaut habe, bei Sportwettkämpfen aber nie sonderlich gut abgeschnitten habe. (Ich kann Sie aber beruhigen, dass wir zumindest keinen überdimensionierten, Champions-League-würdigen Pokal fürs Dauerpritschen haben. Noch nicht.)
Heute läuft das mit dem Pritschen noch nicht so richtig rund. Wir kommen auf lediglich 62 Wiederholungen. Die Rahmenbedingungen sind etwas gewöhnungsbedürftig. Das Wasser ist tiefer als auf Sardinien, der Wellengang etwas höher und der Steinboden etwas unebener, was die Standfestigkeit erschwert. Außerdem scheint mir der Sohn etwas unaufmerksam zu sein. Er konzentriert sich weniger auf den Ball, sondern mehr auf eine Gruppe von Teenagerinnen, die hinter mir ins Wasser steigt. Da wird es dann schwer mit dem neuen Dauerpritschen-Weltrekord.
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Beim abendlichen Kniffeln sind uns die Würfel gewogen. Die Tochter erzielt 263 Punkte, was aber nur zum vierten Platz reicht. Meine Frau kommt mit 310 nur auf den dritten Platz. Der Sohn wirft zwei Kniffel, womit er zwar 389 Punkte erreicht, aber trotzdem nicht gewinnt, weil ich ebenfalls zwei Kniffel und dazu – im Gegensatz zu ihm – auch die Große Straße werfe. Das bedeutet insgesamt 424 Punkte und den Tagessieg.
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Alle Beiträge des Cassis-Urlaubsblogs finden Sie hier.
- Vorbereitung 1 (06.07.): Was Sie noch nie über Cassis wissen wollten und deshalb nicht zu fragen wagten
- Vorbereitung 2 (07.07.): Auch Nicht-Nicht-Stammfriseurinnen können gut Haare schneiden
- Anreise (08.07.): Nur Amateure erreichen ihre Anschlusszüge sofort
- Tag 01 (09.07.): Sightseeing in Marseilles. Oder: So weit die Füße tragen.
- Tag 02 (10.07.): Der mit der Kaffeemaschine tanzt. Oder sie mit ihm.
- Tag 03 (11.07.): Wer hoch läuft, muss noch höher laufen. Und dann noch höher.
- Tag 04 (12.07.): In der Ferne zirpen die Zikaden. Und in der Nähe. Und einfach überall.
- Tag 05 (13.07.): Ein Tag ohne Routinen. Fast wie im Urlaub.
- Tag 06 (14.07.): Liberté, égalité, fraternité! Oder: Ein Feuerwerk wie ein Drogenrausch
- Tag 07 (15.07.): Tage, an denen du vom Schwitzen schwitzt
- Tag 08 (16.07.): Morning has broken
- Tag 09 (17.07.): Ein Königreich für ein Wasser, Wasser, Wasser
- Tag 10 (18.07.): Je ne parle pas français. Really not.
- Tag 11 (19.07.): Was macht die Taube am Strand?
- Tag 12 (20.07.): Türlich, türlich!
- Tag 13 (21.07.): The boat that rocked
- Tag 14 (22.07.): Ein letztes Mal
- Heimreise (23.07.): Au revoir!
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)