Der (fast) alljährliche Urlaubsblog. Diesmal nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Zur besseren zeitlichen Orientierung sei erwähnt, dass der Urlaub Ende Juni / Anfang Juli stattfand. Die kompletten Beiträge finden Sie hier.
Besser laufen mit Charles Barkley und Schafen
„Guten Morgen! Schön euch wieder zu sehen.“ Ich jogge wieder den Deich mit den freilaufenden Schafen entlang und durch meine Begrüßung bemühe ich mich, das zarte Pflänzchen unserer aufkeimenden Freundschaft zu pflegen. Die Schafe können ihre Freude aber nicht so richtig zeigen und grasen verlegen weiter. Hach, wie niedlich ihre Schüchternheit doch ist!
Während des Laufens höre ich Podcast. Das habe ich mir vor ein paar Monaten angewöhnt, weil mir tagsüber die Zeit dazu fehlt. So verbinde ich einfach meine sportliche Aktivität mit der Erfüllung meines Informationsbedürfnisses und schlage zwei Fliegen mit einer Klappe. (Notiz an mich selbst: Mir später den Rücken mit Reisigzweigen blutig peitschen für die Verwendung abgeschmackter Redewendungen!)
Aus Gründen der Zeitökonomie gleichzeitig zu laufen und Podcast zu hören, klingt etwas unangenehm nach Zeitmanagement, Effizienzsteigerung und Selbstoptimierung, wie bei irgendeinem drittklassigen Business Coach, der dich andauernd auf Instagram mit mieser Werbung zuspamt. („Bleibst du beim Duschen in deiner Komfortzone?“) Okay, Ihnen spült der Algorithmus das wahrscheinlich nicht in den Feed, aber ich werde damit überflutet, seit ich einmal eine Anzeige angeklickt habe, die wirklich interessant aussah: „Reichtum durch Faulheit – Wie du mit Nichtstun Millionär wirst!“ Hat aber nicht funktioniert und deswegen bin ich immer noch kein Privatier mit zu viel Freizeit, sondern muss beim Laufen Podcast hören.
Meine heutige Wahl fällt auf „Conan needs a friend“, den Podcast des US-amerikanischen TV-Hosts und Comedians Conan O’Brien. In der Folge unterhält er sich mit dem ehemaligen Basketball-Profi Charles Barkley, der 16 Jahre lang in der NBA aktiv war und mit dem US „Dream Team“ zwei Goldmedaillen bei Olympischen Spielen gewann.
Charles Barkley erzählt davon, wie er in seiner ersten Profi-Saison nur sehr wenige Einsatzzeiten bekam und sich darüber bei einem renommierten Teamkollegen beschwerte.
„You are too fat and too lazy“, erklärte dieser.
„What?“, erwiderte Barkley. „I don’t understand?“
„What do you not unterstand?”, fragte der Kollege zurück. „The ‚fat‘ or the ‚lazy‘ part?“
„Too fat“ und „too lazy”. Mmmh. So wie ich mich gerade über den Deich quäle, kommt es mir vor, als wäre Charles Barkley ein drittklassiger Motivationscoach, der mich zu mehr Leistung anspornen will. Wobei „too fat“ ein etwas sehr harsches Urteil wäre. Finde ich zumindest. Okay, ich habe schon mal drei, vier Kilo weniger gewogen und das Laufhemd sitzt aufgrund der gerade nur schwerlich wegzudiskutierenden kleinen Speckröllchen an den Hüften ein bisschen stramm, aber „too fat“ ist doch etwas anderes. Immerhin habe ich in der Corona-Zeit nur ein Kilo zugenommen.
„Too lazy“ würde ich mich auch nicht nennen. Um nur das eine Kilo zuzulegen, bin ich seit März immerhin 800 Kilometer gelaufen. Das ist nämlich mein Jogging-Antrieb. Ich will nicht wie einst Joschka Fischer zu mir selbst laufen und auch nicht wie ebenfalls einst Joschka Fischer vor einer Midlife-Crisis wegrennen, sondern ich will einfach nicht zunehmen. Oder wie es mal ein anderer Vater im Judoverein des Sohnes ausgedrückt hat: „Ich trainiere nur so viel, damit ich viel essen kann!“ Ein Super-Motto. Vielleicht lasse ich mir das auf mein Laufhemd drucken. Auch wenn die Schrift zurzeit etwas verzerrt wäre.
Ich will mir etwas Zustimmung holen und frage die Schafe: „Ihr findet auch nicht, dass ich fett und faul bin, oder?“ Die stimmen mir bestimmt zu. Das machen ja Freunde. Einen aufmuntern, wenn du es brauchst. Außerdem sind Schafe ja auch eher rundlich und pflegen einen gemütlichen, jedwede Hektik vermeidenden Lebensstil. Wir sitzen quasi im selben Boot. (Das allerdings relativ tief im Wasser liegt.) Die Schafe schauen mich aber nur ausdruckslos an und grasen ungerührt weiter.
Im Laufe des Podcasts verstehe ich, um was es Charles Barkley eigentlich geht. Für ihn basieren sportliche, berufliche und finanzielle Erfolg immer auf harter Arbeit, Fleiß und Durchhaltevermögen. Hört sich nicht nach einem sonderlich attraktiven Konzept an. Mittelmäßiger beruflicher und finanzieller Erfolg ist ja auch in Ordnung. „Wir sind auch so zufrieden, stimmt‘s?“, frage ich ein Schaf, das am Wegesrand liegt. Es antwortet aber nicht, sondern schließt die Augen und schläft weiter.
Ein bisschen morgenmufflig und mundfaul sind die Schafe ja schon. Aber unter Freunden ist das nicht schlimm. Da musst du dich nicht verstellen und kannst dich geben, wie du dich gerade fühlst.
„Naja, bis morgen dann. Ich freu‘ mich!“, rufe ich und schlage den Weg Richtung Ferienwohnung ein. In der Ferne blökt ein Schaf. Ich glaube, es freut sich auch.
Wellness im Elfenland
Am Anreisetag hatte ich von den Vorzügen der Ferienwohnung geschrieben. Die Dusche zählt leider nicht dazu. Zum einen ist es eine von diesen Glaskabinen, bei der du nach dem Duschen mit einem Abzieher die Tropfen von den Wänden wegwischen musst, damit keine hässlichen Wasserflecken entstehen. Dabei kommst du so ins Schwitzen, dass du gleich nochmal duschen musst, wonach du wieder die Glaswände abziehen musst, dadurch anfängst zu schwitzen, dann erneut duschen musst und so weiter und so fort.
Zum anderen ist der Wasserdruck der Brause nicht besonders gut zu regulieren. Es gibt eigentlich nur zwei Stufen: Entweder der Strahl ist so zart, dass es sich anfühlt, als stündest du in einem feinen Nebel, während Elfen dir mit ihren kleinen Händchen jeden Wassertropfen einzeln in die Haut massieren. Das klingt jetzt nach ziemlich entspannender Spa-Anwendung, für die Leute viel Geld zahlen würden, ist aber eher unpraktisch, wenn du das Duschgel von deinem Körper spülen möchtest. Alternativ ist der Strahl dermaßen druckvoll, dass du damit problemlos Hartwurst schneiden könntest. Damit wäschst du dir nicht das Shampoo aus den Haaren, sondern skalpierst gleich deine gesamte Kopfhaut. Da nehme ich doch lieber die Elfenmassage.
Ein Tag am Meer. Oder: Die Schlacht um Helms Klamm
Weder die wenig sommerlichen Temperaturen noch die Wolken und auch nicht der teilweise recht böige Wind hindern uns daran, an den Strand zu gehen. Einen Strandkorb in der ersten Reihe zu haben, ist ja nicht nur eine Annehmlichkeit, sondern quasi eine Verpflichtung. Da lässt du dich nicht einfach von so ein bisschen Wetter vom Strandbesuch abhalten. Da musst du auch mal hart zu dir selbst sein. Notfalls setzt du dich halt im dicken Pullover und mit langen Hosen in den Strandkorb. Und weil du die Badetücher sowieso nicht benötigst, kannst du mit ihnen ein wärmendes Lagerfeuer entzünden.
Den Strandkorb zu unserer Rechten hat heute eine Familie mit mehreren Kindern bezogen. Wie viele es genau sind, kann ich nicht sagen. Es sind auf jeden Fall nicht gerade wenige, sie sehen sich alle ziemlich ähnlich und wuseln die ganze Zeit herum, so dass es unmöglich ist, sie zu zählen. Vielleicht verhüten die Eltern nach der Kalendermethode, benutzen aber einen Kalender von 1853. Möglicherweise sind es auch zwei Familien. Oder eine Nachwuchsfußball-Mannschaft.
Einer der Jungs ist ungefähr vier, blond gelockt, hat eine kleine rote Brille und trägt ein lilafarbenes Kleid. Ansonsten legt er aber keine Verhaltensweisen an den Tag, die gemeinhin Mädchen zugeschrieben werden. Er ist nicht still, nicht zurückhaltend, nicht ängstlich. Im Gegenteil. Er rennt mit großem Gebrüll seinem älteren Bruder hinterher, um ihm mit Schmackes eine Schippe über die Rübe zu ziehen. Faszinierend, wie der Kleine unwissentlich Geschlechterstereotypen dekonstruiert und neu zusammensetzt. Könnte meine alte Gender-Studies-Professorin das sehen, hätte sie bestimmt Tränen der Freude in den Augen. Und ein wenig Kopfweh, weil der Junge wirklich sehr laut und sehr ausdauernd brüllt.
Ohnehin ist die ganze Kinderschar ziemlich lebhaft und mischt den Strand ordentlich auf. Es spielen sich tumultartige Szenen ab. Eimer dienen als Helme, Förmchen werden zu Wurfgeschossen und Schippen fliegen als Speere über den Strand. Der ganze Trubel erinnert ein wenig an die epischen Schlachten aus den „Herr der Ringe“-Filmen. Nur wilder, lauter und gewalttätiger.
Ich finde spielende Kinder super. So voller Phantasie, vergessen in dem Moment, voll und ganz in der Situation aufgehend. Daran könnten wir Erwachsene, die wir immer in Hektik sind, von einem Termin zum anderen jagen und nie die Gegenwart genießen können, uns ein Beispiel nehmen. Allerdings ziehen sich die Jungs und Mädchen jetzt alle aus und rennen mit lautem Geschrei nackt ins Meer. Das möchte ich dann doch nicht von den anderen Erwachsenen hier am Strand sehen.
There is no „Good Cop“ and „Bad Cop“ in Eltern
Im Strandkorb zu unserer linken ist wieder die Mutter mit ihrer Tochter. Ihre Augenringe – also, die der Mutter, nicht der Tochter – scheinen mir noch ein wenig größer als gestern zu sein, aber trotz ihrer Erschöpfung spielt sie wieder mit aufopferungsvoller Geduld mit dem Mädchen. Sie graben zusammen Löcher, sammeln Muscheln und gehen mit den Füßen ins Meer. Als das Mädchen den Strand hinauf rennt, läuft sie, wie kleine Kinder das zu tun pflegen, über das Handtuch meiner Frau, die sich zum Dösen vor unseren Strandkorb gelegt hat.
„Du sollst doch nicht so nahe an den Leuten vorbeilaufen, Spätzchen“, ermahnt sie ihre Mutter. „Jetzt hast du die Frau nass gemacht.“ „Nich‘ schlimm“, ruft die Kleine. „Is nur Wasser und Sand!“ Irgendwie hat sie damit recht. Was sind schon ein bisschen Wasser und Sand, wenn du eine gute Zeit am Strand hast. Ein Satz, der einem recht einfach über die Lippen kommt, wenn nicht du es bist, der das Wasser und den Sand abbekommt.
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Etwas später wird es spannend im Nachbarstrandkorb. Während die Kleine im Sand Steine aufeinanderstapelt – ihr großes Talent, wie Sie sich sicherlich von gestern erinnern –, telefoniert die Mutter. Mit ihrem Ex. Ha, wusste ich es doch, dass sie alleinerziehend ist! (Hoffentlich habe ich das nur gedacht und nicht triumphierend über den Strand gerufen. Sonst hast du ganz schnell den Ruf als „Der Merkwürdige“ weg.) Das Gespräch ist nur mäßig harmonisch. Sie beschwert sich bei ihm, dass er immer den „Good Cop“ gäbe, der der Tochter alles erlaubt, und sie müsse dann der „Bad Cop“ sein und alles verbieten. So würde das nicht funktionieren.
Da hat sie recht und ich bin voll und ganz auf ihrer Seite. Nicht nur weil es stimmt, sondern vor allem, weil es mir die Gelegenheit gibt, schamlose Werbung für mein neues Buch „Papa braucht ein Fläschchen“ zu machen, das am 18. September erscheint. In einem meiner seltenen klugen Momenten habe ich dort unter anderem geschrieben, dass Eltern ein Team bilden sollen, um das anstrengende erste Jahr mit Baby zu überstehen.
Falls Ihnen diese Weisheiten eines drittklassigen Elternratgebers gefallen haben, bestellen Sie das Buch doch einfach vor. Bei mir direkt, in der Autorenwelt oder bei dem Online-Händler mit dem großen A. Kostet auch nur einen Zehner. Wenn es Ihnen nicht gefallen hat, kaufen sie das Buch einfach trotzdem. Ich bin da nicht empfindlich. Sicherlich kennen sie einen frischgebackenen Vater, den sie nicht leiden können. Dem können Sie dann mit dem Buch keinen Gefallen tun.
Unser tägliches Kniffel-Spiel gib uns heute
Schon wieder ein Corona-Kniffel-Challenge-Déjà-vu. Aber ist ja alles noch ein enges Höschen.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
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