Auch dieses Jahr steigert der musikalische Adventskalender die Vorfreude auf das Weihnachtsfest ins Unermessliche. Diesmal mit ganz vielen phantastischen Gastautorinnen und Gastautoren, die ihre liebsten Lieder zur Weihnachtszeit vorstellen. Viel Spaß beim Hören!
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Es erfüllt den musikalischen Adventskalender gleichermaßen mit Freude und Stolz, dass der Loriot unter den Mütter-Bloggerinnen das heutige Lied präsentiert. ‚Auftragsmama‘ ist quasi die Victoria von Bülow unter den bloggenden Müttern. Wer daran Zweifel hegt, sollte ihren Bericht von der gemeinsamen Autofahrt mit ihren Eltern lesen. Neben ihren satirischen Texten schreibt sie sehr einfühlsam über ihr Leben als Alleinerziehende mit ihren beiden Kindern.
Bei ihrer Liedauswahl nimmt ‚Auftragsmama‘ einen interessanten Perspektivwechsel vor. Zumeist sind es die Eltern, die gemartert sind vom in der Regel nur mäßig talentiertem Blockflötenspiel des eigenen Nachwuchs. Sie aber beschreibt die Agonie der kindlichen Blockflötenkünstlerin, die immer nur das eine vermaledeite Lied spielen darf. Wie so ein Rex Gildo von dem jeder ausschließlich „Tanze Samba mit mir“ hören wollte (noch lieber wollte man höchstens gar nichts von ihm hören).
Oh je, du Fröhliche
Es war einmal ein kleines, armes Mädchen.
Das hatte eine Oma, die den Kinderstar Heintje verehrte. Und es hatte eine Mutter, die kleine Mädchen mit süßen Pullovern mochte. Und Blockflöten.
Und so fand es sich als Dreizehnjährige mit weinrotem Nickipullover am Heiligabend in der Kirche wieder. Vorne. Vor dem Altar.
Der Pullover hatte als Extraausstattung einen weißen Häkelkragen. Die gewöhnliche Blockflöte wurde im Laufe der Jahre durch das gehobene Modell, der Altflöte, ersetzt.
Und während das arme Mädchen versuchte, fehlerfrei “Oh du Fröhliche” zu spielen und gleichzeitig stillzustehen, obwohl der Pullover aus der Hölle furchtbar juckte, sah es die Jungs aus ihrer Klasse.
Sie drehten sich Zigaretten, lachten über das Mädchen und wahrscheinlich würde sie sowieso niemals einen Freund finden, solange sie dieses Hobby ausübte.
Tapfer spielte das Mädchen ihr Lied weiter, während sie sah, wie ihre beste Freundin in der zweiten Reihe langsam einnickte und zur Seite sackte.
Das Mädchen hatte noch zwei weitere, bedauernswerte Kinder an ihrer Seite. Das eine spielte das Cello, das andere den Kontrabass.
In der Weihnachtszeit verdienten sie sich als Trio ihre Brötchen, wenn sie für Kirchen oder Altersheime im Kreis gebucht wurden.
Die “Brötchen” waren in Tüten verpackte Leckereien wie Apfelsinen, Zartbitterschokolade oder Walnüsse. Manchmal gab es nach dem Auftritt noch einen lauwarmen Kakao, der durch eine 1cm dicke Schicht Haut aufgewertet wurde.
Eigentlich hatte das Trio ein beachtliches Repertoire an Weihnachtslieder eingeübt. Aber das Publikum verlangte immer den Gassenhauer “Oh du Fröhliche”. Das langweiligste und einschläferndste Lied, das altflötenspielende Mädchen kennen.
Eine besonders beliebte Version meiner Oma ist hier zu finden. Und ja – man wird fröhlich. Sobald das Lied zu Ende ist.
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Vielen Dank, liebe ‚Auftragsmama‘, für diesen Einblick in dein kindliches Weihnachtsmusiktrauma. Beim Anhören der Heintje-Interpretation konnten wir den Schmerz physisch mitfühlen.
Mehr von ‚Auftragsmama‘ gibt es hier:
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
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