Will bei Ihnen vor lauter Lockdown, AHA-Regeln und Kontaktbeschränkungen auch keine rechte Weihnachtsstimmung aufkommen? Dann hilft vielleicht meine kleine, mehrteilige Vorweihnachtsserie. Wenn Sie die lesen, freuen Sie sich bestimmt auf das Weihnachtsfest. Oder haben danach erst recht keinen Bock mehr.
Teil 1: Who-is-who im Xmas-Game?
Teil 2: Geschenke, Geschenke. Oder: Geben ist seliger als nehmen.
Teil 3: Weihnachten geht durch den Magen
Teil 4: Wo gesungen wird, da lass dich nicht nieder, es ist immer noch Corona, verdammte Scheiße nochmal!
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Weihnachten ist nicht nur das Fest der Liebe, sondern auch der stetigen Nahrungsaufnahme. Durch Völlegefühl, Sodbrennen und Verstopfung können wir das Leid und die Beschwerlichkeiten nachempfinden, die Maria, Josef und das Jesuskind im Stall von Bethlehem erdulden mussten. In diesem Sinne widmet sich der heutige Weihnachtsfibel-Beitrag der adventlichen und weihnachtlichen Kulinarik. Wie immer, bekommen Sie interessante Hintergrundinformationen, die Sie sonst nirgendwo finden (und zwar aus gutem Grunde), und obendrein vielleicht auch die ein oder andere Anregung, was Sie über Weihnachten alles essen und trinken können.
Viel Spaß, guten Appetit und Prost!
Christstollen, der: Ursprünglich eine Speise für die Fastenzeit vor Weihnachten (What?), die lediglich aus Mehl, Wasser und Rapsöl gebacken wurde. Weil das kacke schmeckte, hatte jemand die geniale Idee, Zucker, Butter und Eier hinzuzufügen. Dadurch wurde der Stollen sündhaft lecker, weswegen die Kirche darauf bestand, => Zitronat und => Orangeat unterzumischen. Soll durch Form und das äußere Weiße eine Versinnbildlichung des in Windeln gewickelten Jesuskinds darstellen. Eine Assoziation, die den Verzehrvorgang ins leicht Perverses spielen lässt, aber zumindest ist es leckerer als den Leib Christi in Form einer trockenen Oblate zu essen.
Dominosteine, die: Mit Schokolade überzogene, geschichtete Weihnachtsleckerei, die aus Lebkuchen, Marzipan sowie einer gallertartigen mit künstlichen Fruchtaromen versetzten Masse, die vorgaukelt, Johannisbeergelee zu sein, besteht. Gilt als die polarisierendste Lebkuchenspezialität der Welt. Entweder die Menschen lieben sie oder finden sie im wahrsten Sinne des Wortes zum Kotzen.
Gebrannte Mandeln, die: Populärer Snack auf Weihnachtsmärkten. Gelten als süßestes Nahrungsmittel der Welt – circa 78 Prozent des weltweiten Zuckerverbrauchs gehen auf die Herstellung von gebrannten Mandeln zurück – und haben einen Härtegrad vergleichbar mit Kieselsteinen. Unbestätigten Gerüchten zufolge wurden gebrannte Mandeln von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung erfunden, damit Zahnärzte kurzfristig an abgebrochenen Zähnen und mittel- langfristig am Kariesbefall ihrer Patienten verdienen können. (Zahnärzte müssen schließlich auch Weihnachtsgeschenke kaufen.)
Bittermandelaroma, das: Divenhaftestes Aroma der Welt. In der exakt richtigen Menge verleiht es Weihnachtsgebäck einen leckeren Hauch von Amaretto. Verwendest du aber nur ein Nano-Milliliter zu viel, hast du beim Essen das Gefühl, dir stopft jemand einen Fußball großen Marzipanklumpen in den Rachen, um dich damit zu ersticken.
Plätzchen, die: Gebäck, das hauptsächlich in der Adventszeit hergestellt und gegessen wird. Ihre kommerziellen Verwandten können aber bereits ab August im Supermarkt erworben werden. Für Eltern gibt es in der Adventszeit nichts Stressigeres als mit den Kindern Plätzchen zu backen. Die wollen zuerst unbedingt mitmachen, sind aber viel zu ungeschickt, nach fünf Minuten haben sie keinen Bock mehr und dann stellen sie irgendwelchen Unsinn an, so dass die Küche innerhalb kürzester Zeit aussieht wie ein Jackson-Pollock-Gemälde aus Teig, Mehl, Zucker, Butter und Eiern sowie irgendetwas Grünem, das sie sich aus der Nase gepopelt haben.
Konter-Essiggurke, die: Vegetarische Alternative zur => Konter-Frikadelle. Wird beim Plätzchenbacken gereicht, wenn du zu viel Teig genascht hast.
Konter-Frikadelle, die: Carnivorische Alternative zur => Konter-Essiggurke. Wird beim Plätzchenbacken gereicht, wenn du zu viel Teig genascht hast.
Orangeat, das: Widerlicher Zwilling des => Zitronats. Abfallprodukt, das bei der Herstellung von Autoreifen anfällt und mit einem Aroma versehen wird, das entfernt an Orange erinnert, aber nur wenn du noch nie in deinem Leben eine Orange gesehen, geschmeckt oder gerochen hast. Wird dem => Christstollen beigemischt, um ihn nahezu ungenießbar zu machen.
Zitronat, das: Ekliger Zwilling des => Orangeats. Abfallprodukt, das bei der Herstellung von Radiergummis anfällt und mit einem Aroma versehen wird, das entfernt an Zitrone erinnert, aber nur wenn du noch nie in deinem Leben eine Zitrone gesehen, geschmeckt oder gerochen hast. Wird dem => Christstollen beigemischt, um ihn nahezu ungenießbar zu machen.
Zimt, der: Gewürz, das im ganzen Jahr ein Schattendasein fristet, in der Adventszeit aber in unbegrenzten Mengen allem und jedem beigemischt wird. Es gibt nichts, was durch die Zugabe von Zimt nicht eine weihnachtliche Note bekommt: Lebkuchen (lecker), Zimtsterne (offensichtlich), Hähnchenbrust (warum nicht?), Cola (what?) oder Kondome (alles geht, nichts muss). Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Glühwein, der: Erfindung des Deutschen Weinbauverbandes, um minderwertigen Rotwein – und inzwischen auch Weißwein – verwerten zu können. Damit der schlechte Geschmack des Basisprodukts nicht zusehr auffällt, wird eine Tonne Zucker zugefügt sowie künstliche Heidelbeer-, Anis-, Kardamom-, Muskat-, Nelken-, Zitronenaromen, den allen gemeinsam ist, dass sie keinerlei Ähnlichkeit mit diesen Früchten und Gewürzen haben. Glühwein gibt es prinzipiell nur in zwei Temperaturzuständen: Entweder ist er so heiß, dass du dir beim Trinken Verbrennungen dritten Grades an Fingern, Lippen und Gaumen zuziehst, oder er ist lauwarm und schmeckt wie abgestandenes, mit altem Sangria versetztes Spülwasser.
Rosine, die: Schrumpelige Cousine von => Zitronat und => Orangeat. Geschmacklich ebenfalls sehr umstritten.
Kartoffelsalat und Bockwürstchen: Beliebtestes Alman-Weihnachtsessen. Merkwürdigerweise gibt es immer noch hitzige Diskussionen darüber, ob Kartoffelsalat mit Essig oder Mayonnaise angemacht wird, wo doch klar ist, dass dafür nur Essig infrage kommt. Außer dir ist es egal, wenn deine Gäste wahlweise an Herzverfettung oder an einer Salmonellenvergiftung sterben. Dann kannst du Majo an die Kartoffeln klatschen wie so ein kulinarischer Höhlenmensch.
Raclette, das: Schweizer Traditionsgericht, bei dem ursprünglich ein Laib Käse über dem offenen Feuer geschmolzen und mit Brot verzehrt wird. Die domestizierte Variante mit Tischgrill und Pfännchen ist an Heiligabend sehr beliebt, weil sie Geselligkeit ermöglicht und niemand stundenlang alleine in der Küche stehen muss. Das hat den Vorteil, dass alle selbst dafür verantwortlich sind, wenn es ihnen nicht schmeckt. Raclette hat allerdings den Nachteil, dass du immer zu viel Käse und zu viele Zutaten kaufst und deswegen bis Silvester ununterbrochen Raclette essen musst, bis es dir aus den Ohren und anderen Körperöffnungen rauskommt. Außerdem stinkt die Wohnung anschließend mindestens acht Wochen lang nach Käsemauken.
Gänsebraten, der: kulinarischer Weihnachtsklassiker. Wenn Sie nicht schon vor drei Monaten eine Gans vorbestellt haben, haben Sie jetzt allerdings keine Chance mehr, noch eine zu bekommen. Und falls doch, sollten Sie lieber die Finger davon lassen, denn es handelt sich dann wahrscheinlich um einen an Vogelgrippe erkrankten, altersschwachen Ganter, den der Bauer versehentlich überfahren hat. Gänsebraten ist in der Zubereitung zwar sehr aufwändig, aber trotzdem lohnenswert, da für die Sauce circa 200 Milliliter Rotwein benötigt werden. Das heißt, sie können sich beim Kochen den restlichen halben Liter reinlöten, was insbesondere dann zu empfehlen ist, wenn Onkel Herbert, der auf Facebook immer verschwörungstheoretische Telegram-Posts von Attila Hillmann teilt, zum Weihnachtsbesuch kommt, obwohl sie ihn mehrfach darauf hingewiesen haben, dass das in Zeiten von Corona nicht sicher ist.
Feuerzangenbowle, die: Bösartige Schwester des => Glühweins, die kein Maß kennt und immer über die Stränge schlägt.
Entenbraten, der: Kostengünstigere Alternative zum => Gänsebraten. Empfiehlt sich, falls Ihre Weihnachtseinkäufe aus dem Ruder gelaufen sind und Sie Privatinsolvenz anmelden mussten. Sollte es auch für einen Entenbraten nicht reichen, kaufen Sie einfach bei KFC einen Eimer Chicken Wings, das ist ja auch Geflügel. (Vielleicht. Wenn Sie Glück haben.)
Kräuterschnaps, der: Essenzieller Bestandteil des Weihnachtsmahls, um nach dem ganzen fettigen Essen die Verdauung zu unterstützen. Ernährungswissenschaftlich ist das zwar Quatsch, aber nach diesem 2020, das ungefähr 834 Monate gedauert hat, darf ruhig mal ein Schnäpschen getrunken werden. Insbesondere, wenn Onkel Herbert zu Besuch kommt (siehe Gänsebraten, der).
Forelle, die: Ebenfalls ein allzeit beliebtes Weihnachtsessen (bei Menschen, weniger bei Forellen) Ist aber nur zu empfehlen, wenn du es magst, von deinem Essen vorwurfsvoll angestarrt zu werden. Sie können die Forelle auch lebend kaufen, ein paar Tage in Ihrer Badewanne beherbergen und dann an Heiligabend frisch zubereiten. Das ist auch förderlich für die Besinnlichkeit, gibt es doch nichts Schöneres, als das Fest der Liebe durch das Töten eines Tieres zu begehen.
Nudelauflauf, der: Wenig festliches, dafür aber sehr praktisches Essen, insbesondere für Familien, da er im Gegensatz zu gebeiztem Hirschrücken mit Entenleber-Parfait und eingelegten Steinpilzen bei Kindern hohe Zustimmungsraten vorweisen kann. (Zumindest wenn der überbackende Käse weglassen und eine Flasche Ketchup über die Nudeln gekippt wird.) Lässt sich gut vorbereiten, was für Sie den Stress an Heiligabend reduziert. Dann haben Sie mehr Zeit, um sich mit hektischem Baumschmücken auf den letzten Drücker oder Last-Minute-Geschenkeeinpackaktionen zu stressen.
Fondue, das: Ähnlich beliebt und Geselligkeit erzeugend wie => Raclette. Bietet den zusätzlichen Kick, dass du immer Gefahr läufst, mit der Brennpaste oder dem heißen Fett einen Großeinsatz der örtlichen Feuerwehr auszulösen. Hat den großen Nachteil, dass die Wohnung tagelang wie eine Frittenbude riecht, bei der dringend mal das Gesundheitsamt vorbeischauen sollte.
Veganes Würstchen, das: Tier- und klimafreundliche entfernte Verwandte des fleischigen Bockwürstchens, die zwar in Wurstform daherkommt, aber weder in Konsistenz noch in Geschmack auch nur im Entferntesten Ähnlichkeit mit einer tierischen Wurst aufweist. Wenn du einen dieser Schwämme, mit denen im Auto die Scheiben von innen trockengewischt werden, marinierst und scharf anbrätst, bekommst du wahrscheinlich ein befriedigenderes kulinarisches Erlebnis, als beim Verzehr eines veganen Würstchens. Dafür musst du aber kein schlechtes Gewissen haben, etwas Fleischartiges von fragwürdiger Herkunft und Qualität zu essen, das von Billiglöhnern unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in Tierdärme gestopft wurde.
Falls Sie noch auf der Suche nach einem Last-Minute-Geschenk sind, können Sie einfach eines meiner Bücher – oder mehrere – verschenken. Eine gute Möglichkeit, um Beschenkten mangelnde Wertschätzung auszudrücken.
Sie können die Bücher ohne zusätzliche Kosten auch direkt bei mir bestellen. Falls gewünscht sogar mit persönlicher Widmung, so dass der Umtausch oder das Weiterverschenken erschwert wird.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Das tut mir so leid.
Ich hoffe, der Swimmingpool kann wenigstens noch beheizt werden.
@mingoberlin Ich wüsste gerne ob das stimmt in dem Text!!!
Und @Das_BinIchHier, @magdasWasser Ihr müsst das dringend auch lesen; ich bin ein wenig enttäuscht. 🥔
Das ist absolut korrekt wiedergegeben, und das Ausbleiben der Weihnachtsmärkte und der damit reduzierte Konsum an gebrannten Mandeln, wird so manchen Kollegen noch den Dritt- oder Viert-Porsche kosten.
Bitter. Sehr bitter für uns.
Dafür sorgt der insgesamt erhöhte Süßigkeitenkonsum im Lockdown.
Halleluja.
Schmand, du hast Kartoffelsalat mit Schmand vergessen! Die einzig wahre Zubereitung😋