Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
17. Januar 2022, Berlin
Heute ist mein erster Arbeitstag 2022. Nach insgesamt viereinhalb Wochen Urlaub. Das ist nicht besonders erfreulich. Allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, dass, wenn du einen Monat frei hattest, sich niemand dein Gejammer anhören möchte, wie furchtbar es ist, dass du wieder arbeiten musst.
Damit ich keine Eingewöhnungschwierigkeiten habe, stehen heute gleich drei Telefonkonferenzen an. Aber auch darüber will sich niemand dein Gejammer anhören, wenn du über vier Wochen frei hattest.
Zu meiner großen Überraschung kann ich mich noch an alle meine Passwörter erinnern. Anscheinend war mein Urlaub doch nicht lang genug.
18. Januar 2022, Berlin
Der Metzger an der Fleischtheke im Bio-Supermarkt fällt unangenehm auf. Nicht weil er unfreundlich ist oder meine Bestellung falsch abwiegt. Nein, er lässt sich gar nichts in seiner Funktion als Fleischwarenfachverkäufer zu Schulden kommen und auch sein Umgang mit den Kunden – in diesem Fall mit mir – ist tadellos.
Aber er ist unfassbar gut gelaunt und zwar so unfassbar gut, dass es kurz nach acht nur schwer erträglich ist. Er begrüßt mich mit einem geradezu ekstatischem „Einen wunderschönen guten Morgen, was kann ich für sie tun?“ Während er meine Hähnchenbrust-Bestellung auf die Waage legt, pfeift er vor sich hin, was schon vor Corona lebensmittelhygienisch bedenklich war. Zum Schluss verabschiedet er mich dann mit einem unangemessen überenthusiastischem „Tschüssi und einen wundervollen Tag noch.“
Meine Güte, was stimmt mit dem Mann nicht, dass er meint, hier den Li-La-Launebär geben zu müssen? Ist er vielleicht frisch verliebt? Oder hat er im Lotto gewonnen, kündigt im Laufe des Tages und zieht dann als Privatier auf die Bahamas? Oder hat er zum Frühstück ein paar Aufheller gesnackt? Am besten mache ich das auch, bevor ich das nächste Mal einkaufen gehe.
19. Januar 2022, Berlin
Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht zu „Papa braucht ein Fläschchen“.
Die gute: Die erste Auflage ist ausverkauft!
Die schlechte: Es wird keine zweite geben, weil es über zwei Jahre gedauert hat, bis die Erstauflage abverkauft war.
Aber keine Angst! Falls Sie einen frisch gebackenen Vater kennen, den sie mit einem Exemplar von „Papa braucht ein Fläschchen“ demütigen möchten, habe ich noch ein paar Exemplare bei mir zuhause. Schreiben Sie mir einfach eine Mail. Wenn Sie möchten kann ich das Buch auch mit einer Widmung versehen, was seinen Wiederverkaufswert ins Unermessliche drücken wird.
20. Januar 2022, Berlin
Es schneit. In Berlin passiert das nicht so häufig. Vor unserer Wohnung ist eine fast schon zauberhafte Winterlandschaft entstanden. Mit Schnee auf den Dächern, den Bäumen, den Autos und dem Gehweg. Sehr romantisch. Ich möchte das trotzdem nicht. In der Adventszeit und vor allem an Weihnachten ist mir Schnee sehr willkommen, ab Januar aber sehr unerwünscht.
Am liebsten würde ich in einer Klimazone leben, in der sich der Winter auf den Dezember beschränkt und den Rest des Jahres Frühling und Sommer ist. Für den Herbst habe ich gar keine Verwendung. Wenn das mit der Klimakatastrophe so weiter geht, könnte es zumindest etwas mit dem ganzjährigen Sommer werden.
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Lese im Bett im Magazin einen faszinierenden Bericht über das Orgelstück Organ²/ASLSP. Das Stück wird seit 2001 in der St. Buchardi-Kirche aufgeführt und ist auf eine Länge von 639 Jahren angelegt, alle paar Jahre gibt es mal einen Klangwechsel. Das scheint mir von so viel Dynamik zu zeugen wie der Sohn, wenn du ihm morgens sagst, er solle sich beeilen, damit er es noch pünktlich zur Schule schafft.
21. Januar 2022, Berlin
Heute ist Tag der Jogginghose. Wie eigentlich jeder Tag seit fast zwei Jahren. Zusätzlich ist heute Internationaler Fetisch-Tag.
Also, ich würde jetzt nicht behaupten, dass Jogginghosetragen für mich ein Fetisch ist. Aber ich bekomme auf jeden Fall ziemlich schlechte Laune, wenn ich einen Termin habe und eine Jeans anziehen muss.
22. Januar 2022, Berlin
Auf meiner Laufrunde sehe ich einen Mann mit einem kleinen Kind. Das Kleine ist schätzungsweise anderthalb, steckt in einem lila gemusterten Schneeanzug und wankt wie ein betrunkenes Mini-Michelin-Männchen den Spreeweg entlang. Mit seinem rechten Ärmchen reckt es einen Stock in die Luft und ruft dabei irgendetwas. Wahrscheinlich fühlt es sich gerade wie der Herrscher der Welt. Sehr niedlich.
Oder das ist gar nicht niedlich, weil das Kind tatsächlich der Herrscher der Welt ist, und gleich Hunderte von Kleinkindern angerannt kommen und mich mit wildem Gebrüll in die Spree schmeißen? Manchmal weiß ich nicht, ob ich eine blühende Phantasie habe oder ob so etwas schon unter Paranoia fällt, die mal medikamentös behandelt werden müsste.
23. Januar 2022, Berlin
Vor vier Jahren hatte ich mir vorgenommen, noch einmal bei einem Marathon mitzulaufen. Nach circa vier Wochen Training hatte ich aber starke Hüftschmerzen entwickelt, die mir eine ordentliche Vorbereitung unmöglich machte. Deswegen sagte ich mir damals: „Christian, du bist zu alt für den Scheiß und so viel Spaß macht es auch nicht, über 40 Kilometer zu laufen und dich spätestens nach 30 Kilometern wie ein altersschwaches Gnu zu fühlen, das kurz vor dem Verdursten durch die Serengeti torkelt.“ Mit diesen Gedanken beendete ich meine bescheidene Marathon-Karriere, die ohnehin nur aus zwei Teilnahmen beim Berlin-Marathon 2010 und 2013 bestand.
Umso erstaunter hörte ich mich kürzlich antworten: „Warum eigentlich nicht? Ja, lass uns das machen.“ Und zwar auf die Frage meines Bonner Freundes, ob ich Lust hätte, dieses Jahr gemeinsam mit ihm beim Köln Marathon zu starten.
Den Bonner Freund und mich verbindet das ein oder andere Urlaubs-Lauferlebnis, bei dem wir mit synchroner Schritt-, Atem- und wahrscheinlich Herzfrequenz und mit der Eleganz betrunkener Nilpferde über dänische Kuhweiden, entlang bretonischer Landstraßen und auf niederländischen Nordsee-Dämmen joggten und der Gefahr trotzten, von cholerischen Stieren überrannt zu werden, als nicht mehr zu identifizierender Roadkill zu enden oder einen Herzinfarkt zu erleiden. Oder uns hoffnungslos zu verlaufen.
Der Bonner Freund ist der einzige Mensch, mit dem ich noch einmal die Qual eines Marathons auf mich nehmen würde. Und mit ein klein wenig Glück, entwickle ich in vier Wochen so starke Hüftschmerzen, dass ich das Vorhaben leider absagen muss.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Go go go Marathon! Sie schaffen das 🙂
Ich drück die Daumen wegen der Hüfte. Aber vllt werden es diesmal die Knie. Du wirst ja auch nichts jünger!
Viel Spaß in Köln. Muss ich da jetzt auch mitlaufen nur um mal hallo zu sagen? 🤔