Eine kleine Wochenschau | KW03-2023 (Teil 2)

Teil 1


19. Januar 2023, Berlin

Der Sohn muss im Philosophie-LK gemeinsam mit einem Freund ein Referat über den französischen Philosophen und Soziologen Michel Foucault halten. Er bittet mich, ihre Präsentation gegenzulesen. Ich verbringe eine knappe halbe Stunde damit, Schriftarten und -größen zu optimieren und Bilder auszurichten. Damit habe ich mich jetzt länger mit Foucault auseinandergesetzt als während meines gesamten 12-semestrigen Soziologie-Studiums.

20. Januar 2023, Berlin

Als ich morgens das Bad betrete, werde ich angenehm überrascht. Es ist warm. Das ist eigentlich nicht außergewöhnlich. Da wir im Bad unsere Wäsche trocknen, ist es immer das wärmste Zimmer unserer Wohnung. Das macht im Winter den Besuch der Toilette sehr angenehm. Gewissermaßen zum Wellness-Erlebnis. Da verweilst du gerne ein paar Minütchen länger auf dem Lokus. Oder ein halbes Stündchen. Oder ein ganzes. Dem Smartphone sei Dank, wird es auch nie langweilig. Eigentlich gibst du den Platz auf der Toilette erst wieder auf, wenn ein anderes Familienmitglied Einlass begehrt. Oder wenn du Hunger bekommst.

Seit Ende November war es mit den Feel-good-Klo-Momenten aber vorbei. Von einem Tag auf den anderen war die Heizung ausgefallen. Nur im Bad. Im Rest der Wohnung funktionierten die Heizkörper noch. (Was bei uns im Haus keine Selbstverständlichkeit ist. Die aufmerksamen und mit gutem Gedächtnis ausgestatteten Stamm-Leser*innen erinnern sich.)

Ein von der Hausverwaltung geschickter Klempner meinte, der Heizkörper sei nicht das Problem, sondern der Kessel. Der stünde im Keller und da habe er keinen Zugang. Die für den Kessel zuständige GASAG vertrat den Standpunkt, der funktioniere einwandfrei, der Fehler müsse bei einem defekten Ventil liegen. Ich hatte keine Ahnung, was das heißen soll. Sonst anscheinend auch niemand. Trotz zahlreicher Mails und meist erfolgloser Anrufe bei der Hausverwaltung passierte wochenlang nichts.

Das Bad verwandelte sich recht schnell vom muckeligsten und gemütlichsten in den unwirtlichsten Ort der Wohnung. Wir stellten den Wäscheständer im Schlafzimmer auf und Toilettengänge galten nicht mehr als Spa-Besuche, sondern fielen nur noch kurz und geschäftsmäßig aus.

Heute früh stelle ich aber fest, dass es im Bad eindeutig wärmer als noch gestern ist. Ich fasse das Heizungsrohr an der Wand an. Warm! Die Heizung funktioniert wieder! Ich drehe das Ventil auf 3 und schon kurze Zeit später breitet sich eine kaum noch bekannte aber umso angenehmere Wärme im Bad aus. Endlich ist der morgendliche Toilettengang wieder eine Wohltat.

Beim Verlassen des Bads stelle ich fest, dass die funktionierende Heizung allerdings einen Nachteil hat: Der Rest der Wohnung fühlt sich nun unerfreulich kühl an. Vielleicht verweile ich einfach noch etwas auf dem Klo. Ein paar Minütchen. Oder ein halbes Stündchen. Oder ein ganzes. Genügend Handy-Akku habe ich.

21. Januar 2023, Berlin

Meine Frau macht Fortschritte beim Portugiesisch-Lernen. Sie beherrscht inzwischen die folgenden Sätze:

„Ich bin eine Frau.“ – „Eu sou uma mulher.“
„Ich trinke Milch.“ – „Eu bebo leite.“
„Das ist ein Auto.“ – „Este é um carro.“
„Ich esse einen Apfel.“ – „Eu como uma maçã.“
„Ich besitze ein Haus.“ – „Sou dono de uma casa.“

Da bin ich schon gespannt auf ihre Unterhaltungen in unserem Sommerurlaub.

[In der Bäckerei]
Verkäuferin: „Guten Tag. Was darf es sein?“
Frau: „Das ist ein Auto.“
V.: „Ähm, nein. Das sind Brötchen. Möchten Sie welche?“
F.: „Ich bin eine Frau.“
V: „Das sehe ich, aber was möchten Sie kaufen?“
F.: „Ich trinke Milch.“
V.: „Milch gibt es bei uns nicht. Da müssen Sie in den Supermarkt gehen.“
F.: „Das ist ein Auto.“
V.: „Nein, das ist immer noch ein Brötchen.“
F.: „Ich esse einen Apfel.“
V.: „Herrgott nochmal, hier gibt es auch keine Äpfel. Welche Brötchen möchten Sie?“
F.: „Ich besitze ein Haus.“
V.: „Das ist mir egal. Entweder Sie bestellen jetzt etwas oder Sie verlassen den Laden.“
F.: „Ich bin eine Frau.“
V.: „RAUS!”

Meine Frau geht zur Tür. Dort dreht sie sich noch einmal um und ruft winkend: „Ich trinke Milch.“ Die Verkäuferin fängt an zu weinen.

22. Januar 2023, Berlin

Ich arbeite zurzeit die MAGAZIN-Ausgaben des letzten Jahres auf, die ich noch nicht gelesen habe. Im Dezember-Heft gibt es einen Bericht über Thomas Hoffmann, der Schneekristalle sammelt. Nicht metaphorisch oder fotografisch, sondern physisch. Dazu fängt er Schneeflocken auf einer Pappscheibe, legt sie auf eine minus 20 Grad kalte so genannte Cyrobox und dann löst er mit einem Skalpell den interessantesten Schneekristall aus der Flocke. Der Kristall kommt wiederum auf einen Objektträger und wird mit einem speziellen Leim präpariert und dadurch konserviert. Faszinierend.

Leider gibt der Artikel keine Auskunft darüber, ob Thomas Hoffmann mit seiner Frau zusammengekommen ist, nachdem er sie gefragt hat: „Willst du noch mit hochkommen, meine Schneekristallsammlung anschauen?“


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Ein Kommentar zu “Eine kleine Wochenschau | KW03-2023 (Teil 2)

  1. Herzlichen Dank dafür, dass ich meinen Tee über die Tastatur geprustet habe, beim Lesen der Konversation beim Bäcker.

    HERR-LICH! Ich lache noch immer.

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