Eine kleine Wochenschau | KW05-2021

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


25. Januar 2021, Berlin

Beim abendlichen Spazierengehen entdecke ich in einem Schaufenster eine sehr schöne Tischlampe. So eine Bankerslampe mit länglichem, orangefarbenem Glasschirm. Zwei Stück davon würden sich sehr gut an unserem Bett machen. Im Internet recherchiere ich den Preis. Na ja, so schön ist die Lampe eigentlich doch nicht. Zumindest nicht 342-Euro-schön.

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Auf dem Heimweg wird direkt vor uns die große Kreuzung an der Ecke Alt-Moabit Gotzkowskystraße gesperrt. Für einen Autokorso von Corona-Kritikern und Impfgegnern. Dutzende von Autos fahren blinkend und hupend die Straße entlang. Einige haben Poster mit dem Aufdruck “Love” in ihre Scheiben geklebt. Ob das ihre Liebe für die Menschen ist, die an Corona sterben? Ein Lieferwagen hat an der Seite ein Betttuch mit der Aufschrift “Für Wahrheit in Medien und Politik!” aufgehängt. Ich denke, dass gilt wohl nur für ihre Wahrheit oder das, was sie für Wahrheit halten. Den Korso beschließt ein weißer VW-Bus mit Lautsprecher-Anlage. Ein Redner plärrt irgendwas Unverständliches und beendet seine Ausführungen mit dem Appell, die Leute sollten keine Schafe sein, die den Politikern alles glauben. Anschließend tönt aus den Lautsprechern „Sing Hallelujah” von Dr. Alban. Ein Grund mehr, das Lied zu hassen.

26. Januar 2021, Berlin

Die Rewe-Kassiererin schaut mich kritisch an, als sie das Paket Flutschfinger über den Scanner zieht. Eis ist im Januar anscheinend eine eher ungewöhnliche Kaufentscheidung. In meinem Fall hat sie aber medizinische Gründe. Meine Frau bekommt heute Morgen einen Weisheitszahn entfernt und für die postoperative Schmerzbehandlung ist Eis optimal: Es kühlt und ist gleichzeitig lecker. Somit hat eine Weisheitszahn-OP ja fast schon etwas Gutes. Andererseits kann ich auch Eis essen, ohne mir vorher einen Zahn aus dem Kiefer reißen zu lassen, und das ist natürlich noch besser. Ich sollte noch eine zweite Packung für mich holen.

27. Januar 2021, Berlin

Neueste Spam-Mail, die gar nicht im Spam-Ordner, sondern in meiner Inbox landet: Hairoxol – Ihr Haar wie neu geboren! Schönen Dank auch.

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Im Internet lese ich, dass die US-amerikanische Fluglinie American Airlines mit einer innovativen Geschäftsidee aufwartet, um in Zeiten von Corona und Reisebeschränkungen ein paar Einnahmen zu erzielen. Aufgrund des stark gesunkenen Passagieraufkommens wurde 2020 wesentlich weniger Wein auf den Flügen ausgeschenkt. Deswegen bietet American Airlines jetzt einen Wine-Delivery-Service an, bei dem du dir im Abo monatlich Wein liefern lassen kannst. Was für eine geniale Geschäftsidee in Lockdown-Zeiten! Insbesondere homeschoolende Eltern könnten eine vielversprechende Zielgruppe sein.

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Ich habe eine Einladung zu Clubhouse erhalten. Falls Ihnen das nichts sagt: Clubhouse ist der neueste heiße Scheiß der Social-Media-Welt. Alle wollen dabei sein, aber das geht nur mit Einladung und du App läuft auch nur auf dem iPhone. Da ich letzteres nicht habe, muss ich die Einladung ausschlagen. Deswegen leide ich aber nicht unter FOMO (Fear of missing out). Ich hege gegenüber Clubhouse eher ein ICCL (I couldn’t care less). Das Clubhouse-Prinzip besteht nämlich darin, dass du dich dort unterhalten kannst oder anderen dabei zuhörst, wie sie sich unterhalten. Für jemanden wie mich, der Telefonieren und das Abhören von Sprachnachrichten hasst, ein ziemlich unattraktives Konzept.

28. Januar 2021, Berlin

Der Mund meiner Frau schmerzt immer noch und ich besorge Flutschfinger-Nachschub. Diesmal gleich drei Packungen. Seit letztes Jahr in der ersten Corona-Welle die Supermärkte leer gekauft und Produkte wie Mehl, Nudeln oder Toilettenpapier rationiert wurden, ist es mir immer etwas unangenehm, wenn ich von irgendetwas mehr als eine Packung kaufe. Schließlich möchte ich nicht, dass jemand denkt, ich bin egoistisch, asozial und horte Lebensmittel. Wobei im ersten Lockdown das Horten von Flutschfingern wahrscheinlich kein weit verbreitetes Phänomen war. Außerdem handelt es sich ja quasi um einen medizinischen Notfall, so dass sich meine Scham beim Bezahlen der drei Eispackungen in Grenzen hält.

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Der Tagesspiegel widmet sich den wichtigen Themen in der Corona-Pandemie: den Frisuren von Profi-Fußballern und Politikerinnen. Besonderes Lob erfährt der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, dem deutlich anzusehen sei, dass die weißen Strähnen in seinem Ehrlich-Look natürlich gewachsen seien und nicht kunstvoll verabreicht wirkten. Eat this, Hairotol! Mein Haar muss nicht neu geboren werden, sondern ich trage einen Ehrlich-Look!

29. Januar 2021, Berlin

Die Heizung ist ausgefallen und wir haben kein warmes Wasser. Zum Glück wohnt aber seit ein paar Monaten ein Arbeitskollege des Hausmeisters bei uns im Haus und der kümmert sich sofort darum. Leider aber erst nachdem ich mit dem Duschen fertig bin. Egal, Wechselduschen soll ja gesund sein und den Kreislauf anregen. Wobei Wechselduschen impliziert, dass es auch warmes Wasser gibt, das sich mit dem kalten Wasser abwechselt. Ob eiskaltes Duschen eine gesundheitsfördernde Wirkung hat, wage ich nach meinem Selbstversuch eher zu bezweifeln. Für mich war es eher eine Art Nahtoderfahrung.

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“Einen schönen Tag noch und ein schönes Wochenende”, verabschiedet mich die Rewe-Kassiererin. „Heute ist doch Freitag, oder?” schiebt sie zögerlich hinterher. „Jo“, grunzt der Mann hinter mir. „Das vergisst man doch nicht.“ Dann legt er sechs Flaschen Bier auf das Kassenband.

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Nachdem die Tochter als angehende Abiturientin schon vor zwei Wochen ihr Zeugnis bekommen hat, ist heute der Sohn dran. Corona-konform wird das Zeugnis in die Schulcloud hochgeladen. Im Vergleich zum letzten Sommer hat er sich ein bisschen verschlechtert, aber für einen Neuntklässler in der Pubertät und angesichts von Homeschooling und der insgesamt merkwürdigen Situation ist alles noch im Rahmen. Wir müssen uns also weiterhin nicht groß um schulische Angelegenheiten kümmern. Ein sehr wichtiges Ziel unserer Erziehung!

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Zur Feier des Tages gibt es bei uns zum Nachtisch Vanille- und Schoko-Mousse. Meine Frau und ich sind heute seit 24 Jahren zusammen. (24 Jahre! Dabei fühle ich mich doch wie 29!) Damit Sie eine Vorstellung davon haben, wie lange wir schon zusammen sind, hier ein paar Fakten aus dem Jahr 1997: Helmut Kohl war Bundeskanzler, Handys hatten die Größe von Schuh-Kartons, Andrea Bocelli stand mit “Time to say goodbye” auf Platz 1 der Musik-Charts und im Kino lief „Rossini oder Die mörderische Frage, wer mit wem schlief”.

30. Januar 2021, Berlin

Es hat geschneit. Gut fünf Zentimeter. Für Berlin ist das wie 50 Zentimeter im Erzgebirge. Auf meiner 10-Kilometer-Laufrunde gibt es Dutzende von Schneefiguren in allen Größen und Formen. Manche sind richtige Bilderbuchschneemänner mit lachenden Steingesichtern und Möhrennasen. Einer trägt sogar Mütze und Schal. Einige der Schneefiguren sind dafür krumm und schief und aus schmutzigem Schnee gebaut. Sie sehen aus, als hätten sie mehrere Wochen im Wald gelebt, auf dem Boden geschlafen und ihre Körperhygiene stark vernachlässigt. Vielleicht ist das aber eine Art Shabby Chic, der gerade total angesagt ist.

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Die Heizung und das warme Wasser sind wieder ausgefallen. Ich glaube, was mir letzte Woche das Internet war, ist dem Hausmeister diese Woche die Heizungsanlage. Allerdings gehe ich davon aus, dass er da etwas kompetenter ist und nicht wahllos auf irgendwelchen Knöpfen rumdrückt in der Hoffnung, dass die Heizung irgendwie schon wieder laufen wird.

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Mittags klingelt es und der Postbote kommt zu uns in die erste Etage, um mir ein kleines Päckchen auszuhändigen. Ich habe ein etwas schlechtes Gewissen. Unser Postbote ist nämlich ziemlich übergewichtig und schnauft immer sehr schwer, wenn er die Treppenstufen erklimmt. Deswegen komme ich ihm auf halber Strecke entgegen. Als er mir das Päckchen in die Hand drückt, sagt er: “Sonst habe ich heute nichts für Sie dabei.” „Na, dann gibt es wenigstens auch keine Rechnungen”, erwidere ich. Wir lachen beide etwas gekünstelt. Ich würde gerne behaupten, dass meine Small-Talk-Fähigkeiten vor Corona, den ganzen Lockdowns und dem Social Distancing besser waren, aber die waren schon immer ziemlich beschissen.

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Wir nutzen das gute Wetter für einen Nachmittagsspaziergang. Daran merkst du auch das Älterwerden. Dass du Spazierengehen für eine attraktive Freizeitbeschäftigung hältst. Als Kind habe ich es immer gehasst, wenn meine Eltern sagten, wir gingen jetzt spazieren. Spazierengehen rangierte bei mir auf einer Stufe mit Hausaufgaben machen, Straße kehren oder grüne Bohnen. Und mit Mitte 40 erzählst du dann deinen eigenen Kindern, die Sonne schiene doch, der Schnee sei so schön und die frische Luft täte auch gut. Die Tochter und der Sohn zeigen sich aber unbeeindruckt und bleiben Zuhause.

31. Januar 2021, Berlin

Unbefriedigender Besuch beim Impftermin-Rechner. Ich stehe zwar immer noch auf einem Platz zwischen 18 und 37 Millionen, mein Impftemin wird jetzt aber mit 15. Februar 2022 und 16. März 2023 angegeben. Ich glaube, das wird noch ein sehr langes Corona-Jahr.

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