Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
01. Februar 2021, Berlin
Wir haben weiterhin kein warmes Wasser. Ich würde gerne sagen, dass ich mich langsam an das kalte Duschen gewöhne, aber das wäre gelogen. Warum sollte ich mich auch? Warmes Duschen ist toll, kaltes Duschen kacke. Das ändert sich auch nicht, wenn du fünfmal kalt duschst.
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Auf meiner digitalen Einkaufsliste stand seit Wochen „Oregano” und laut den Anweisungen meiner Frau sollte er unbedingt von Fuchs sein. Bei den anderen Anbietern seien immer viel zu viele Ästchen enthalten und das würde das Geschmackserlebnis von selbstgemachter Tomatensauce und Ähnlichem erheblich trüben. Selbstverständlich ist mir der Wunsch meiner Frau Befehl, allerdings ist bei uns in der Gegend Fuchs-Oregano nur bei Kaufland erhältlich, das befindet sich jedoch außerhalb meines gewöhnlichen Einkaufsradius und es gibt dort auch nur überteuerte Winzpackungen, bei denen du mehr Verpackungsplastik als Gewürz kaufst. Daher dachte ich mir, dass es ökologisch und ökonomisch Sinn macht, eine etwas größere Ration Oregano im Internet zu bestellen. Heute kam das Paket an und nun habe ich eine Vorstellung davon, wie viel anderthalb Kilo Oregano sind. Vielleicht machen wir einfach einen Pizza-Lieferservice auf. Oder verpacken das Zeug in kleine Tütchen und verkaufen es im Park an unbedarfte Jugendliche.
02. Februar 2021, Berlin
Wir haben endlich wieder warmes Wasser und das Duschen kommt mir wie ein Wellness-Urlaub vor. Wobei der Vergleich nicht ganz passend ist, denn ich mag überhaupt kein Wellness. Kosmetische Anwendungen, massiert werden und in der Sauna neben nackten, schwitzenden Menschen sitzen, sind alles Aktivitäten, die ich unter keinen Umständen im Urlaub unternehmen möchte. Und sonst auch nicht. Aber das warme Duschen ist phantastisch. Dafür geht die Heizung nicht mehr. Nichts ist perfekt.
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Heute ist Murmeltiertag. Sie wissen schon, aus dem Film mit dem wettervorhersagenden Murmeltier Punxsutawney-Phil, in dem Bill Murray den gleichen Tag immer wieder und wieder erlebt. Heute wäre der Film wahrscheinlich kein so großer Erfolg mehr, denn Dank Corona ist seit einem Jahr Murmeltiertag.
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Beim Einkaufen suche ich nach neuem Duschgel. Um Plastik zu vermeiden und öko-schnöko-korrekt zu sein, soll es festes Duschgel sein. Möglicherweise fragen Sie sich jetzt: „Festes Duschgel? Heißt das nicht mehr Seife?” Nein, tut es nicht. Festes Duschgel hat einen niedrigeren pH-Wert und soll dadurch sanfter zur Haut sein. Vielleicht hat sich das die Seifenindustrie aber auch nur ausgedacht, damit so Trottel wie ich den dreifachen Preis bezahlen.
In der Drogerie sehe ich mich mit einer erstaunlich großen Auswahl an festen Duschgels konfrontiert. Ingwer-Orange, Minze-Bergamotte, Avocado, Lemongras, Melone und viele mehr. Könnte auch das Angebot einer Hipster-Eisdiele im Prenzlauer Berg sein. Ich entscheide mich für eine Kokos-Variante, von der ich mir beim nächsten Duschgang ein wenig Bounty-Feeling erhoffe.
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Nachmittags kommt ein Installateur vorbei und schaut sich die Heizungsanlage im Keller an. Anschließend hängt im Hausflur ein Zettel, dass irgendein Ersatzteil bestellt werden müsse und es in den nächsten Tagen zu verminderter Heizleistung kommen könne. “Verminderte Heizleistung” ist wahrscheinlich ein Euphemismus für “Sie werden sich den Arsch abfrieren.”
03. Februar 2021, Berlin
Gestern dachte ich noch, keine Heizung zu haben, ist nicht so schlimm, wie ohne warmes Wasser auskommen zu müssen. Nachdem die Wohnung auf circa 16 Grad abgekühlt ist, muss ich feststellen: Ich habe mich getäuscht!
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In meinem Spam-Ordner finde ich eine Nachricht mit dem fast schon lyrischen Betreff „Die Strategie des großen Gewinns: wo und wie?” In der Mail heißt es dann: “Ich musste heute an dich denken. Wie geht es dir?” Schön, dass die Spammer in diesen Lockdown-Social-Distancing-Abstand halten-Maske tragen-Zeiten Empathie und Mitgefühl zeigen. Auf den Link in der Mail klicke ich trotzdem lieber nicht.
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Ich habe mir einen neuen Jogginganzug gekauft, damit ich im Home Office mein Outfit ein wenig variieren kann. Nach fast einem Jahr Corona-Eintönigkeit ist jede Abwechslung willkommen. Der Anzug ist auch öko-schnöko-korrekt. Er ist aus Biobaumwolle, wurde ressourcenschonend hergestellt und in Deutschland produziert. Allerdings hat die ökologische Gewissensberuhigung ihren Preis: Der Anzug kostet mehr als 100 Euro. Da ich ihn aber sehr häufig anziehen werde, ist er eigentlich gar nicht so teuer. Wenn ich ihn – konservativ geschätzt – an circa 150 Tagen pro Jahr trage, kostet er mich nach einem Jahr pro Anziehen 67 Cent. Nach dem zweiten Jahr nur noch 33, nach drei Jahren 22 und nach vier Jahren 17 Cent. Der Anzug ist also ein richtiges Schnäppchen.
Den Rest des Tages verbringe ich damit, herauszufinden, ob ich den Anzug als Arbeitskleidung von der Steuer absetzen kann. Anscheinend nicht. Außer ich melde ein Gewerbe als Fitness-Trainer an.
04. Februar 2021, Berlin
Seit Anfang des Jahres habe ich mir vorgenommen, mehr Wasser zu trinken. Das vergesse ich nämlich häufig. Nun sollen es zweieinhalb Liter pro Tag sein. Das ist angeblich gut für den Stoffwechsel und wichtig für die Organe und soll außerdem schöne Haut machen. Ob das tatsächlich stimmt, weiß ich nicht, aber weil ich wegen meiner exzessiven Wassertrinkerei ständig auf Toilette muss, erreiche ich zumindest mein Tagesziel von 10.000 Schritten problemlos.
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Unterdessen gibt es nichts Neues von der Heizungsfront. Das Wasser ist warm und die Räume sind kalt. Im Treppenhaus erzählt mir die Nachbarin von schräg über uns, dass sich die Familie ab und an in der Küche trifft, um sich am offenen Backofen aufzuwärmen. Aus Nachhaltigkeitsperspektive ist das natürlich keine optimale Heizlösung, aber für den Klimaschutz in der eigenen Wohnung zu erfrieren, ist vielleicht auch etwas viel verlangt.
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Mein Buch „Hilfe, ich werde Papa” hat auf Amazon seine 999. Bewertung bekommen. Wahnsinn. Als Mensch, der Schwierigkeiten hat, stolz auf eigene Leistung zu sein, denke ich allerdings, dass die Bewertung wahrscheinlich gar nicht von Menschen, sondern von irgendwelchen Bots stammen. Aber wenigstens hat den Bots das Buch ganz gut gefallen und das ist ja auch schon mal etwas.
05. Februar 2021, Berlin
Unsere Wohnung ist mittlerweile so ausgekühlt, dass ich überlege, einen Spaziergang zu machen, um mich aufzuwärmen.
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Beim Einkaufen bestelle ich an der Fleischtheke 350 Gramm Rinderhack. Als die Verkäuferin das Hackfleisch auf die Waage legt, zeigt das Display exakt 350 Gramm an. Wir brechen beide fast in Jubel aus und gäbe es keine Abstandsregeln, würden wir uns wahrscheinlich chest-bumpen und high-fiven. Eine irgendwie unangemessen emotionale Reaktion, aber in Zeiten von Corona, Lockdown und Impffrust sind es die Kleinigkeiten des Alltags, an denen wir uns erfreuen müssen.
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Am späten Nachmittag klingeln ein paar Nachbarn, um sich nach der Heizungssituation bei uns zu erkundigen und zu beraten, was unternommen werden könnte. Im Laufe des Gesprächs stoßen weitere Nachbarinnen hinzu und wir beklagen uns alle, wie kalt es in unseren Wohnungen ist. Eine Frau erzählt, bei ihnen seien es nur noch 12 Grad, ein junger Mann unterbietet das mit 11,7 Grad. Ich komme mir ein bisschen schäbig vor, weil unsere Wohnzimmertemperatur bei 15 Grad liegt, und gebe vor, wir hätten kein Thermometer.
06. Februar 2021, Berlin
Wir haben alle nicht mehr daran geglaubt, aber seit gestern Abend läuft die Heizung wieder. Zwar noch nicht auf voller Stärke und auch nicht in allen Zimmern, aber es ist trotzdem schön, morgens nicht mehr mit Raureif auf der Bettdecke aufzuwachen.
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Mein Zweieinhalb-Liter-Wasser-am-Tag-Trinken-Regime mag zwar gewisse gesundheitliche Vorteile mit sich bringen, beim morgendlichen Joggen ist es aber eine ziemliche Herausforderung. Ich bin seit einer knappen halben Stunde unterwegs, und obwohl ich vorher extra nochmal auf Toilette war, signalisiert mir meine Blase sehr eindrücklich, dass sie geleert zu werden wünscht. Nun ist Wildpinkeln immer eine Zumutung für andere Parkbesucher:innen, aber im Winter ganz besonders, wo die Bäume keine Blätter tragen und die Büsche eher licht sind. Nach einer kurzen Erörterung, ob das Gemeinwohl, fremden Männern nicht beim Wildpinkeln zuschauen zu wollen, oder mein individuelles Bedürfnis, mir Erleichterung zu verschaffen, höher zu bewerten ist, entscheide ich mich für mein persönliches Wohlbefinden und schlage mich ins Gebüsch. Ich rechtfertige das damit, dass das ebenfalls der Allgemeinheit zugutekommt. Schließlich ist ein Mann, der sich beim Laufen eingenässt hat, auch kein schöner Anblick. Und ich hoffe einfach, dass die nordic-walkende Seniorin, die just im gleichen Moment um die Ecke biegt und in knapp zehn Metern Entfernung an mir vorbei schlurft, so kurzsichtig ist, dass sie mich nicht sieht.
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Während wir frühstücken, wird auf Radio Eins ein Wissenschaftler interviewt, der Dialekte von Nacktmullen untersucht. Für Außenstehende wirkt sein Forschungsgebiet skurril, vielleicht auch banal und wie Geldverschwendung, in der Nacktmull-Forscher:innen-Community ist der Professor aber wahrscheinlich ein absoluter Rockstar, der die letzten Geheimnisse der Nacktmulle aufdeckt. In dem Gespräch erzählt er, dass Nacktmulle xenophob sind und Artgenossen aus anderen Kolonien anfeinden. Nacktmulle sind also die AfD der Tierwelt.
07. Februar 2021, Berlin
Vor ein paar Tagen hat meine Frau einen neuen Deo-Stick gekauft. Mit Vanille-Zitrone-Aroma. Das harmoniert gut mit meinem Kokos-Duschgel. Außerdem habe ich jetzt jeden Morgen das Gefühl, mir ein Stück Lemon-Cheesecake unter die Achseln zu reiben. Ich könnte meinen Tag schlechter beginnen.
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Einen guten Teil unseres Sonntagnachmittags verbringen wir im Waschsalon. Damit wir uns nicht zu sehr über unsere wiedergewonnene Heizungswärme freuen, hat die Waschmaschine beschlossen, den Geist aufzugeben. 2021 macht es einem wirklich nicht einfach, es zu mögen.
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Der Oregano. Ich hab sehr gelacht über den Tweet.
Was mich an unsere 1,5 kg Tüte Pfefferkörner erinnert. Ich bekam sie damals zum Auszug von meiner Mutter oder so ähnlich.
ich bin jedes mal am feiern.
Ich lache immer noch über die 1,5 Kilo Oregano. Ich habe mir vor zwei Jahren 250 Gramm Kreuzkümmel bestellt und habe immer noch was davon.
Wenn man weder Tomatensoße noch Pizza mit Oregano mehr sehen kann: Menschen fragen, die Hühner haben. Gibt’s doch jetzt angeblich überall. Topp für das Immunsystem der Hühner, wie ein natürliches Antibiotikum. Echt. LG Marion