Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
03. Februar 2025, Berlin
6.30 Uhr. Sitze im Wohnzimmer auf dem Sofa, um langsam die Lebensgeister in mir zu erwecken. Das will nicht so recht gelingen, denn heute startet unsere alljährliche Fastenwoche. Deswegen darf ich keinen Kaffee trinken, sondern muss mich mit Pfefferminztee begnügen. Und mit Pfefferminztee weckst du keine Lebensgeister.
Kein Montag sollte damit beginnen, dass du keinen Kaffee trinken darfst. Und auch kein anderer Tag. Für mich ist der Verzicht auf Kaffee tatsächlich das schlimmste am Fasten. Warum gibt es eigentlich kein Kaffee-Fasten, wo du anstatt schrecklicher Gemüsesäfte Kaffee trinkst? Das könnte ich mir gut vorstellen – die Lebensgeister ebenfalls – und das wäre nicht so freudlos-asketisch. Wahrscheinlich aber nicht so wahnsinnig gut für den Magen.
Ich fühle mich jetzt schon müde, schlapp und antriebslos. Dabei ist meine letzte Mahlzeit erst elfeinhalb Stunden her. Wie wird das erst, wenn ich 50, 60 oder 70 Stunden nichts gegessen habe? Keine guten Aussichten für meine Arbeitsproduktivität diese Woche. (Christian Lindner schaut kritisch in meine Richtung.)

Vormittags Laufen im Volkspark Rehberge. Damit der Stoffwechsel während des Fastens nicht komplett runterfährt, will ich trotzdem jeden Tag joggen. Um meinem Körper zu signalisieren, dass ich trotz der ausbleibenden Nahrungsaufnahme noch lebe.
Im Wildgehege sehe ich einen riesigen, mit braunem Moos bewachsenen Findling. Zu meiner Verwunderung bewegt er sich auf einmal. Wahrscheinlich halluziniere ich das nur. Schließlich entpuppt sich der Stein als monströs großes Wildschwein. Vielleicht halluziniere ich das ebenfalls.
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Wie vorhergesagt, macht mich meine Antriebslosigkeit so unproduktiv, dass ich mich mit kleineren Ablagetätigkeiten begnüge. (Christian Lindner verzieht angewidert das Gesicht.) Verbringe den restlichen Nachmittag nicht mit Erwerbsarbeit, sondern mit Videos auf Instagramm. (Christian Lindner kotzt im Strahl.)
Zu meinem Entsetzen erscheint plötzlich ein Clip mit Markus Söder. Er sitzt in einem McDonald’s und erklärt, wie er Big Mac isst.
Meine Hoffnung, es handelt sich um einen Fastenwahn-Traum, bestätigt sich leider nicht. Der bayerische Ministerpräsident demonstriert tatsächlich, wie er zuerst eine Hälfte zusammen mit dem mittleren Brötchen verspeist und anschließend die andere Hälfte ohne mittleres Brötchen. Das sei wie zwei Cheeseburger essen.
Ich habe viele Fragen:
- Warum zeigt mir Instagram das?
- Gibt es keine bessere Verwendung bayerischer Steuergelder als für solche Videos?
- Findet es niemand im Umfeld von Markus Söder problematisch, dass er quasi als McDonald’s-Influencer auftritt?
- Warum isst Markus Söder nicht einfach zwei Cheeseburger?
- Wieso sieht der Big Mac, obwohl Markus Söder ihn in den Händen hält, so lecker aus, dass ich am liebsten in mein Handy beißen würde?
04. Februar 2025, Berlin
2. Fastentag. Fühle mich immer noch träge und mir ist kalt. Außerdem vermisse ich Kaffee. Ob Kaffee mich wohl auch vermisst?
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Morgens mit dem Rad zum Orthopäden. In der Kantstraße reiht sich ein Restaurant an das nächste. Chinesisch, Indisch, Japanisch, Türkisch, Vietnamesisch. Dazu kommen unzählige Cafés, Bäckereien und Imbissläden. Alle Auslagen und Werbeschilder sehen köstlich aus. Selbst die schlecht fotografierten und dilettantisch freigestellten Gerichte an den Dönerbude.
Durchs Treppenhaus der Arztpraxis zieht der der Duft von frisch gebrühtem Kaffee. Ich möchte das nicht.
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Nachmittags unschönes Einkaufserlebnis bei Kaufland. Zwischen den Laufbändern, die die obere und untere Etage verbinden, sind Süßigkeiten und Knabbereien ausgelegt. Schokolade, Hanuta-Riegel, Cookies, Smarties, TUC-Kekse, Baked Rolls Chips.
Ich kann mich nur mühsam beherrschen, die Tüten nicht unkontrolliert aufzureißen und mir den Inhalt in den Mund zu schütten. Alles. Dabei mag ich TUC-Kekse und Baked Rolls Chips nicht einmal. Das ist mir in diesem Moment egal. Hauptsache Kohlenhydrate.
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Abends Gemüsebrühe ohne Gemüse. Zur Ablenkung schauen wir „The Night Agent“. Eine spannende Thrillerserie mit interessanter Story, guter Action und (manchmal) überraschenden Plot-Twists. Darüber hinaus wird erfreulich wenig gegessen. Das ist in der Fastenwoche das wichtigste Qualitätskriterium für eine Serie.
05. Februar 2025, Berlin
Bleibe morgens eine halbe Stunde länger als gewöhnlich im Bett. Da ich keinen Kaffee trinken darf, ist meine Motivation aufzustehen sehr begrenzt.
Als ich schließlich doch in die Küche gehe, um mir einen Tee zu kochen, wünscht mir das kleine Schokoküchlein, das meine Frau letzte Woche von ihrer Dienstreise nach Wien mitgebracht hat, einen guten Morgen. Die Mozartkugeln in der Tüte daneben winken fröhlich. Verdammte Fastenwoche.
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Der Sohn ist weiterhin unsicher, welches Studium er im Herbst beginnen soll. Zurzeit liebäugelt er ein wenig mit BWL. Allerdings hat er zwei Bedenken: Erstens, die viele Mathematik, und zweitens, die Menschen, die BWL studieren. Außerdem schaudere es ihn bei dem Gedanken, wie er den Satz sagt: „Ich studiere BWL.“
Ich schätze, das sind drei sehr gute Gründe, die gegen ein BWL-Studium sprechen.
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Obwohl ich mich energielos und ausgelaugt fühle, gehe ich trotzdem laufen. Weil ich mir das ja vorgenommen habe. Und da zieht man das dann durch. Nach dem Motto: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Selbst wenn der Wille sehr schwach ist. Dann wird der Weg halt ein bisschen kürzer.
Das Laufen ist sehr schwerfällig. Wie bei dem Duracell-Hasen, bevor ihm jemand die Duracell-Batterie in den Hintern schiebt. Zwischendurch lege ich kurze Gehpausen ein. Dagegen ist ja nichts einzuwenden. Das wird später bei meiner Grabrede schon niemand gegen mich verwenden. Hoffe ich.
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Die weibliche Hauptdarstellerin in „The Night Agent“ isst ein riesiges Stück Pizza. Blöde Kuh.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)