Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
14. Februar 2022, Berlin
Valentinstag. Auf meiner morgendlichen Laufrunde begegnen mir sehr viele Männer, die mit Blumensträußen unterwegs sind. (Irrelevanter fun fact am Rande: Als Kind habe ich mich immer gewundert, wenn der Valentinstag an einem anderen Tag als Dienstag war. Das ergab für mich überhaupt keinen Sinn.)
Meine Frau und ich haben uns noch nie etwas zum Valentinstag geschenkt. Aber nicht, um dem kapitalistischen Konsumzwang die Stirn zu bieten und um mit selbstgefälligen Social-Media-Posts zu verkünden, dass wir nicht auf die perfiden Marketingmanipulationen der Schnittblumen- und Pralinenindustrie reinfallen. Nein, eher weil wir vergesslich sind. Außerdem haben wir Ende Januar unseren Jahrestag. Innerhalb von vierzehn Tagen zwei Mal unsere romantische Verbundenheit zu zelebrieren, erschiene mir doch etwas bemüht. Fast schon zwanghaft. Als müssten wir irgendetwas kompensieren. Deswegen lassen wir das mit Valentinstag.
Okay, um ehrlich zu sein, hat in unserer 25-jährigen Partnerschaft in mehr als der Hälfte der Jahre einer oder eine von uns nicht an unseren Jahrestag gedacht (meistens beide), so dass wir unsere romantische Verbundenheit gar nicht zelebriert haben. Zum Glück haben wir im Mai Hochzeitstag. Dann haben wir einen weiteren Tag, den wir vergessen können.
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Der Sohn hat heute den ersten Tag seines Schülerpraktikums. Ich finde, so ein Schülerpraktikum ist eine gute Sache. Da können die Schüler*innen in die Berufswelt reinschnuppern, lernen, wie es ist, früh morgens aufzustehen, um zur Arbeit zu gehen, sie bekommen Aufgaben übertragen, die sie eigenverantwortlich bearbeiten müssen, erhalten Feedback von Vorgesetzten und fahren nach Feierabend müde nach Hause. Wenn dann die Schule wieder losgeht, sind sie super motiviert, ihr Abitur zu machen und zu studieren, damit es noch sieben bis zehn Jahre dauert, bevor die Tretmühle der Arbeitswelt losgeht.
Der Sohn macht sein Praktikum übrigens bei seinem Judotrainer. Sein Arbeitstag beginnt gegen 15 Uhr und die nächsten vierzehn Tage macht er noch mehr Judo als ohnehin schon. So viel zur Tretmühle Arbeitswelt.
15. Februar 2022, Berlin
Heute ist Ehrentag der Singles. Irgendwie fies, dass der genau einen Tag nach Valentinstag liegt. Wahrscheinlich damit Singles auf keinen Fall vergessen, dass sie alleine sind und niemanden haben, der sie liebt. (Aber zumindest mussten sie an Valentinstag keine Blumen und Pralinen kaufen!)
Vielleicht verstehe ich den Ehrentag der Singles aber auch falsch und es geht gar nicht um alleinstehende Menschen, sondern um alte Tonträger, die im Zeitalter der Streamingdienste aus der Mode gekommen sind.
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Beim Laufen kommt mir auf der Spree ein Polizeiboot entgegen. Schon das zweite diese Woche. Wer auch immer bei der Berliner Polizei für die Namensgebung der Boote zuständig ist, scheint 2022 noch weniger Bock als letztes Jahr zu haben. Das eine Boot hieß Charlottenburg, das andere Spree. Viel einfallsloser geht es wohl nicht. Ich meine, wenn das schon abgenickt wurde, was kommt dann als nächstes? Stadtbezirk? Oder Fluss? Oder gleich Tatütata-Boot?
16. Februar 2022, Berlin
Wenn es ein Familienmitglied gibt, mit dem ich heute auf keinen Fall tauschen wollte, dann ist es definitiv die Tochter. Die muss am Nachmittag eine vierstündige Englisch-Grammatik-Klausur schreiben. Mit Satzteil- und Wortartbestimmungen, Tempusanalyse und über eine Liste von zweihundert Vokabeln, bei denen mir häufig nicht einmal die deutsche Bedeutung geläufig ist.
Als die Tochter uns gestern Abend erzählte, was in der Arbeit alles drankommt, konnte ich mich bei knapp der Hälfte der grammatikalischen Ausdrücke, die sie verwendete, nur ganz dunkel daran erinnern, sie vor langer, langer Zeit mal im Englischunterricht gehört zu haben, die andere Hälfte war absolutes Neuland für mich. Ich benutze englische Grammatik eher nach Gefühl und liege damit meistens richtig. Und wenn nicht, merke ich es nicht, weil ich es nicht besser weiß.
17. Februar 2022, Berlin
Erschöpft von der Verrichtung unseres Tagwerks setzen meine Frau und ich uns abends aufs Sofa und wollen Netflix schauen. („Erschöpft von der Verrichtung unseres Tagewerks“ ist eine hübsche Formulierung, die eine harte körperliche Tätigkeit im Straßenbau oder auf einer Intensivstation suggeriert, wobei ich in der Realität lediglich acht Stunden bucklig am Schreibtisch saß und irrelevante Sache von geringer Systemrelevanz in den Computer getippt habe.)
Unser Vorhaben, uns vom Streamingdienst unserer Wahl berieseln zu lassen, scheitert allerdings. Netflix verwehrt uns den Zugang mit der Begründung, unser Konto werde bereits auf zwei anderen Geräten benutzt. Interessant ist die Information, wer gerade was schaut. Während sich die Tochter in Stockholm mit The Good Doctor vergnügt, hat der Sohn eine für einen Fünfzehnjährigen doch recht überraschende Filmauswahl getroffen: Bibi & Tina: Voll verhext.
Nun ja, vielleicht findet er die Hauptdarstellerinnen hübsch. Oder es ist irgendeine Tik-Tok-Challenge, die wir Älteren nicht verstehen.
18. Februar 2022, Berlin
Auf meiner morgendlichen Laufrunde sehe ich im Schlosspark am Wegesrand ein Auto. Auf der Heckklappe prangt in großen Buchstaben das Wort Kampfmittelräumdienst. Über die Wiese laufen zwei Männer und stochern mit einer langen Metallstange im Boden rum. Das scheint mir keine besonders raffinierte und sichere Methode zu sein, um festzustellen, ob hier irgendwo noch ein paar Blindgänger vergraben sind, die jederzeit in die Luft gehen könnten. Effektiv ja, aber nicht sicher.
Für den Rest meines Laufs habe ich ein mulmiges Gefühl. Durch das Fasten letzte Woche habe ich zwar ein paar Kilos verloren, aber ich trage immer noch genügend Weihnachtsgewicht mit mir rum, dass ich befürchte, beim Laufen Erschütterungen zu verursachen, die eine der im Boden schlummernden Weltkriegsbomben zur Explosion bringt und mich in Westerwälder Gulasch nach Moabiter Art verwandelt. Hoffentlich bekommt meine Frau dann wenigstens eine einträgliche Kriegswitwen-Rente.
19. Februar 2022, Berlin
Die Orkantiefs Ylenia und Zeynep haben auch in unserer Straße Spuren hinterlassen. Das schmiedeeiserne Tor vom Kloster gegenüber wurde aus den Angeln gehoben und ein paar Tannenbäume, die seit Mariä Lichtmess am Straßenrand auf ihre Abholung warten, wurden über den Bürgersteig geweht. Kurz rege ich mich darüber auf, dass sich niemand vom Kloster um die Entsorgung der Bäume kümmert oder den Gehweg wieder freimacht, bis ich merke, dass ich mich wie ein Fenster-Rentner echauffiere und dann geht es wieder.
Was aber jedem Orkan und jedem Sturm in den letzten beiden Jahren getrotzt hat, ist das Taubennest im Baum vor unserem Schlafzimmer. Das sitzt bombenfest in den blattlosen Ästen. Wahrscheinlich wird eher der Baum entwurzelt, als dass das Taubennest davonfliegt. Wenn ich jemals ein Haus bauen sollte, werde ich die Tauben mit der Planung und Umsetzung der Statik beauftragen.
20. Februar 2022, Berlin
Mutter hat heute Geburtstag. Ich habe dieses Jahr sogar daran gedacht, ihr Geschenk rechtzeitig auf den Weg zu bringen und eine Karte beizulegen, mit der ich ihr einen ganz wundervollen Tag wünsche. Ungünstigerweise war die Karte schon unterwegs, als Mutter kurzfristig und unerwartet wegen einer nicht lebensbedrohlichen, aber nervigen Sache für ein paar Tage ins Krankenhaus eingewiesen wurde. Nun muss sie den „wundervollen Tag” alleine verbringen, da sie Corona-bedingt keinen Besuch empfangen darf.
Zumindest hat sie in ihrem Zimmer aber keine Bettnachbarin. So kann sie wenigstens alleine über das Fernsehprogramm entscheiden. Happy Birthday!
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Was hat es mit dem Lokal aus dem Teaserbild auf sich?
Ach, das war einfach ein skurriles Schild, das wir beim spazieren gehen gesehen.
Sollte euch ein Spaziergang nochmal daran vorbeitreiben kann ich ein Einkehren nur empfehlen. Bei meinem letzten Besuch vor einigen Jahren traf ich da auf ein unglaublich engagiertes, liebenswürdiges Inhaberpaar mit viel Liebe zu authentisch taiwanesischer Küche. Gut, authentisch ist geraten, ich bin Westfale ohne Bezug zu Taiwan, aber geschmeckt hat es super, und das ist ja fast noch wichtiger.
Als Franke, der überhaupt keine harten Konsonanten kennt, war es immer verrückt, daß der Walendiensdach kein Dienstag ist. Bis ich merkte, daß es um Valentin ging, das hat gedauert! 🤣
30 jähriger Mann hier. Volle Rückendeckung für Bibi und Tina als Filmwahl. Die Detlev-Buck-Reihe ist einfach grandios ;)
Als Berlinerin mit Verbindungen zum berliner Wassersport (ich werde ihm ein Angebot machen …) sage ich Ihnen, egal wie das Boot der Berliner Wasserschutzpolizei heißt, es ist immer die `Entenpolizei` unterwegs! Namen werden überbewertet!
Hochachtung für die Tochter (die Klausur) und den Sohn (die Filmwahl). Beides Dinge die ich niemals freiwillig machen tuen täte!!!