Eine kleine Wochenschau | KW07-2023 (mit Verlosung)

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


13. Februar 2023, Berlin

Die Woche beginnt mit einer Hiobsbotschaft. Ich gehe zum Friseur und meine Stamm-Friseurin Ayşe ist nicht da. Nicht nur heute, sondern gar nicht mehr. Okay, das ist zugegebenermaßen keine Hiobsbotschaft, wie „dein Arzt diagnostiziert eine tödliche Krankheit bei dir“ oder „dein Chef teilt dir mit, dass du gefeuert bist“, sondern eher so ein First-World-Problem eines privilegierten, weißen Mittelschichtlers. Aber es hat sehr lange gedauert, bis ich mir den Status des Stamm-Kunden bei Ayşe erarbeiten konnte und ich kann bei Friseur*innen mit Veränderungen nur sehr schlecht umgehen. Wie gesagt, ein First-World-Problem eines privilegierten, weißen Mittelschichtlers.

Zeitgleich mit mir betritt ein anderer Mann den Laden. Er ist circa Mitte 30 und seine Haare signalisieren, dass der Friseurbesuch dringend nötig ist. Das heißt, ungefähr genauso nötig wie bei mir. Wir sitzen zuerst nebeneinander am Waschbecken zum Haarewaschen und dann später vom Spiegel beim Haareschneiden.

Unsere Friseurinnen unterhalten sich derweil über ihre geplanten Gewichtsreduktionen – ambitionierte minus zehn Kilo bis Juni und noch mal zehn bis Oktober –, über Nahrungsergänzungsmittel und die Verdauungsprobleme, die sie hervorrufen können, sowie über die Nachteile von minderwertigem Kollagen. Der andere Mann und ich fühlen uns leicht unwohl und rutschen auf unseren Stühlen rum. Ich bin mir nicht sicher, ob von uns erwartet wird, uns an der Unterhaltung zu beteiligen, aber ich befürchte ohnehin, dass ich keinen sinnvollen Input beizusteuern hätte. Als meine Friseurin fertig ist, zeigt sie mir mit einem Spiegel von hinten und von der Seite das Ergebnis ihrer Arbeit. Um ehrlich zu sein, bin ich nur semi-zufrieden. Deswegen sage ich: „Super, vielen Dank!“ Irgendwie muss ich nun herausfinden, wo Ayşe jetzt arbeitet.

14. Februar 2023, Berlin

Valentinstag fällt dieses Jahr auf einen Dienstag. Das freut mich mehr als es sollte. Als Kind fand ich es nämlich immer verwirrend, wenn Valentinstag an irgendeinem anderen Wochentag war, weil er doch so ähnlich wie Dienstag klingt.

Meine Frau und ich haben den Valentinstag noch nie begangen. Nicht zuletzt, weil wir ungefähr zwei Wochen vorher unseren Jahrestag haben. Innerhalb von vierzehn Tagen unsere Liebe zweimal zu zelebrieren, erscheint uns etwas krampfhaft bemüht. Okay, meistens vergessen wir unseren Jahrestag, so dass wir überhaupt nicht unsere Liebe zelebrieren. Aber das scheint, kein größeres Problem zu sein, denn wir sind trotzdem seit 26 Jahren zusammen.

Der Sohn moniert, dass wir total unromantisch seien, weil wir an Valentinstag nichts zusammen unternähmen. Ich bin mir nicht sicher, ob er tatsächlich um die Romantik in unserer Beziehung besorgt ist oder uns einfach einen Abend aus dem Haus haben will. Er meint, er würde später seine Freundin an Valentinstag zum Essen einladen. Schön für ihn. Und noch schöner für die Freundin in spe.

15. Februar 2023, Berlin/Köln

Sitze im Zug auf dem Weg zum Kölner Karneval. Schräg vor mir sitzt ein Typ an seinem Laptop und programmiert. Sein Bildschirm hat etwas leicht matrixhaftes und ist voll mit Codezeilen, Ziffern und Buchstaben. Vielleicht programmiert er auch nicht, sondern hackt.

Neben ihm sitzt eine Frau und bearbeitet Fotos für eine Präsentation, eine andere Frau führt ein berufliches Telefonat und verwendet dabei so viele englische Marketingfloskeln, als würde sie den ersten Preis beim Businesssprech-Bullshit-Bingo anstreben.

In Hannover betritt eine fünfköpfige Gruppe, die ebenfalls zum Karneval nach Köln fährt, den Zug und lockert die geschäftliche Atmosphäre im Abteil ein wenig auf. Oder stört sie, je nach Perspektive. Aus einem Telefonat lässt sich raushören, dass sie in der Nähe des Kölner Hauptbahnhofs in einem Brauhaus andere Kolleg*innen treffen werden.

Der Mann und die vier Frauen packen Sekt, Bier und Schnäpschen aus, dazu auch noch Schnittchen, Schokolädchen, kleine Salamis und Trauben. Trotz des Alkoholkonsums verhalten sie sich aber recht gesittet und leise. Sie wirken so brav, korrekt und ein klein wenig spießig, als wären sie die Buchhaltungsabteilung eines mittelständischen Schraubenherstellers. Aber das muss sie ja nicht daran hindern, an Karneval richtig steil zu gehen.

16. Februar 2023, Köln

Auf dem Weg zu der Kneipe, wo ich wie immer mit Stadt-Land-Mama-Lisa Karneval feiern, komme ich an einer Kita vorbei. Drinnen hüpfen, lachen und klatschen ein paar Erdbeeren, Hummeln, Bären und Prinzessinnen zu irgendeinem kölschen Karnevalslied. Mittendrin steht eine Erzieherin, die etwas gequält aussieht und nur so semi- enthusiastisch mitmacht. Wahrscheinlich würde sie lieber in einer Kneipe zu irgendeinem kölschen Karnevals Lied hüpfen, lachen und klatschen.

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Dieses Jahr habe ich mich als Matrose verkleidet. Mit blau weiß geringeltem T-Shirt, weißer Jogginghose und einem Matrosenmützchen, bei dem der Versand mehr gekostet hat, als die Mütze selbst. Ich hoffe, meine Verkleidung wird erkannt und meine Kostüm wird nicht für „abgehalfterter Stripper, der seine beste Zeit, die er nie hatte, hinter sich hat“ gehalten.

Zumindest dem schwulen Barkeeper im Batman-Kostüm scheint meine Verkleidung zu gefallen. Jedes Mal, wenn ich Kölsch hole, gibt er mir ein Getränk zusätzlich. Vielleicht steht er auf Matrosen. Oder auf abgehalfterte Stripper. Oder er ist sehr schlecht im Zählen.

Einer seiner Kollegen ist ein hünenhafter menschgewordener Muskelberg. Er trägt ein American-Football-Oberteil, das bei ihm weniger nach Kostüm, sondern nach normaler Sportbekleidung aussieht. Später ist er nur noch mit einem engen Höschen bekleidet und zapft oberkörperfrei Kölsch. Ich habe meine Zweifel, dass das den allgemeingültigen Hygienevorschriften in der Gastronomie entspricht, aber es ist bestimmt gut für Umsatz und Trinkgeld.

17. Februar 2023, Köln

Heute ist Tag der grundlosen Nettigkeit. Ich glaube, in Berlin wird der nicht gefeiert. Da gibt es nicht einmal den Tag der begründeten Nettigkeit.

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In Köln hat sich das mit der grundlosen Nettigkeit anscheinend auch noch nicht rumgesprochen. Ich beobachte, wie ein DHL-Fahrer mit einem älteren Autofahrer streitet, der nicht ganz optimal geparkt hat. Schließlich sagt der Autofahrer: „Wer glaubst du eigentlich, wer du bist, du Heini?“ Ich finde das ein bisschen lustig. Einen Streit, der mit der Beleidigung „du Heini“ endet, kann ich irgendwie nicht ernstnehmen. Der DHL-Fahrer sieht das möglicherweise anders.

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Kurz vor 12, ich laufe am Chlodwigplatz vorbei. Ein paar fröhliche Karnevalist*innen schädeln sich die ersten Kölsch rein. Also, alles normal.


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29 Kommentare zu “Eine kleine Wochenschau | KW07-2023 (mit Verlosung)

  1. JAAAaaa, ich lese lieber als zu laufen!!! Das könnte mein Buch werden!! Vielleicht würde es eventuell unter gewissen Umständen helfen, meinen inneren Schweinehund zu überwinden. Das Buch “Fitness für faule Säcke” hat es nicht geschafft. Ob es mit diesem Buch gelingt, hängt in erster Linie auch schon mal davon ab, ob ich es gewinne :)

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