Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
10. Februar 2025, Berlin
Viertel nach sechs. Sitze im Wohnzimmer und trinke Kaffee. Den ersten nach unserer Fastenwoche.
Das ist auch bitter nötig, denn ich hatte eine unruhige Nacht. Mit wenig Schlaf, dafür mit viel Hin-und-her-wälzen. Warum, weiß ich nicht genau. Vielleicht weil eine anstrengende Woche ansteht. Und mit anstrengender Woche meine ich, dass ich einen auswärtigen Termin habe.
Nicht einmal einen besonders stressigen oder anspruchsvollen Termin. Nur ein Business Lunch, um ein Projekt zu besprechen. In Zeiten von Video Calls kommt das nicht mehr so oft vor. Am Donnerstag muss ich aber das Home Office verlassen. Das heißt, ich muss mich rasieren, meine bequeme Jogginghosen-Trainingsjacken-Kombi gegen halbwegs seriöse Kleidung eintauschen und mit dem Rad durch die Kälte fahren. Das ist alles einzeln schon unschön, in Kombination aber umso unschöner.

Geschäftsessen mag ich ohnehin nicht. Weil ich nie weiß, was ich bestellen soll. Auf jeden Fall kein richtig leckeres Gericht. Das wäre Verschwendung, weil ich es sowieso nicht richtig genießen kann. (Von wegen: Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps.)
Lieber etwas Pragmatisches, was einfach zu essen ist. Damit mir nichts aus dem Mund fällt. Oder ich ein unförmiges, widerspenstiges Salatblatt in den Mund quetschen muss und aussehe, als hantiere ich das erste Mal in meinem Leben mit Messer und Gabel. Angesichts der vielen Gedanken, die ich mir um ein profanes Mittagessen mache, verstehen Sie vielleicht, warum ich eine schlaflose Nacht hatte.
Dafür tut der Kaffee gut. Mit jedem Schluck spüre ich, wie Energie durch meinen Körper fließt und die Lebensgeister in mir allmählich erwachen. Die Lebensgeister, die sich die gesamte letzte Woche nicht haben blicken lassen. Welcome back, coffee, welcome back.
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Während ich meinen Kaffee schlürfe, schicke ich der Tochter eine WA-Nachricht und wünsche ihr viel Erfolg. Sie schreibt heute eine Klausur. Ihre erste, seit sie ihr Studium in Kiel angefangen hat. In VWL. Nebenfach. Oder Wahlpflichtfach? Ich weiß es nicht.
In den letzten Tagen rief sie regelmäßig bei uns an. Ich schätze, um zu prokrastinieren, sich abzulenken, Zuspruch zu bekommen.
In den Telefonaten fielen Wörter wie Konsumentenpreis, Marktpreis, Produzentenpreis, Marktgleichgewicht, Produzentenrente und Konsumentenrente, Wohlfahrt, Pareto-effizient, Mautgüter, Allmendegüter. Lauter Begriffe, deren Existenz mir unbekannt war oder die eine gänzlich andere Bedeutung haben, als du denkst. (Stichwort Rente) Zum Glück muss ich die Klausur nicht schreiben.
11. Februar 2025, Berlin
Heute ist Regenschirm-Tag. Hoffentlich fällt er aus.
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Aushang am schwarzen Brett bei Penny. Für einen Stepptanz-Kurs. Ich möchte den Penny-Kund*innen nicht zu nahe treten, aber ich glaube nicht, dass allzu viele von ihnen eine besondere Affinität zum Stepptanz haben.
Außer vielleicht der Typ, der mir neulich am Pfandautomaten erzählt hat, er habe die Lieder von ABBA, den Beatles und Tupac geschrieben und Harry Potter sei auch von ihm. Der interessiert sich vielleicht für das Angebot. Wahrscheinlich denkt er, er hat den Stepptanz erfunden.
12. Februar 2025, Berlin
Nächste Klausur bei der Tochter. Diesmal BWL. Was nicht nur fast so klingt wie VWL, sondern auch genauso unerfreulich ist.
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Die Ergebnisse unserer DNA-Abstammungs-Tests sind nun alle da und zeigen folgende Ergebnisse: Der Sohn ist der Germanischste von uns (54,5 %), meine Frau ist aufgrund ihres sudetendeutschen Vaters die Osteuropäerin der Familie (35,1 %) und die Tochter hat die stärksten skandinavischen Wurzeln (mehr als 10 % Dänisch und Schwedisch). Ich wiederum bin zu fünfzehn Prozent niederländisch, 8,4 Prozent französisch und 7,7 Prozent italienisch. Letzteres könnte meine Vorliebe für Pizza und Pasta erklären.
Die Tests zeigen glücklicherweise auch, dass die Tochter und der Sohn zu 100 Prozent unsere Kinder sind. Und was noch wichtiger ist: Meine Frau und ich haben null Prozent Überschneidung. Dass die Kinder schlecht in Mathe sind, muss also andere Gründe haben.
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Liege abends im Bett und lese vor dem Einschlafen noch ein wenig. Beziehungsweise versuche es, werde aber von einer verwirrten, betrunkenen und/oder zugedrogten Frau abgelenkt, die lärmend durch unsere Straße zieht.
Vor unserem Haus verschwindet sie in einem Dixieklo. Das steht dort für die Arbeiter, die zurzeit die Brandschutzmauer in unserem Hinterhof sanieren. Beziehungsweise ab und an erscheinen und irgendetwas an besagter Mauer machen.
Nach einer Weile geht die Dixie-Klo-Tür wieder auf, die Frau tritt mit theatralischer Geste hinaus, holt tief Luft und stimmt dann den Ben E. King-Klassiker „Stand by me“ an. Auf erstaunlich hohem gesanglichem Niveau, das ich ihr ehrlicherweise nicht zugetraut hätte.
When the night has come
And the land is dark
And the moon is the only light we’ll see
No, I won’t be afraid
Just as long as you stand stand by me.
Vielleicht ist das die Botschaft für diese Zeit, die immer mehr dem Wahnsinn anheimfällt. In der du jeden Tag mit neuen Ungeheuerlichkeiten des US-Trumpeltiers konfrontiert wirst, die AfD von einem Umfragehoch zum nächsten eilt und du nicht länger verdrängen kannst, dass Friedrich Merz der nächste Bundeskanzler wird.
In so einer Zeit brauchen wir alle jemanden, der uns beisteht. Und wir alle sollten die Person sein, die jemand anderem beisteht. Dann nerven Trump, AfD und Friedrich Merz zwar immer noch, aber wenigstens sind wir nicht allein.
Derweil zieht die Frau weiter. In der Ferne brüllt sie: „Das ist doch alles Scheiße hier.“ Auch damit hat sie wahrscheinlich recht.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)