Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
01. März 2021, Berlin
2021 bleibt auch abseits von Corona herausfordernd: Nach ausgefallener Heizung, instabilem Internet und kaputter Waschmaschine ist nun der Strom dran. Das ist der Nachteil, wenn du im Altbau wohnst. Du hast zwar herrschaftlich hohe Räume, hübschen Stuck an der Decke und schicke Dielenböden, aber dafür stammt die Elektrik meistens aus der Vorkriegszeit. (Wenn du Glück hast von vor dem Zweiten Weltkrieg, wenn du Pech hast von vor dem Ersten Weltkrieg und wenn du richtig Pech hast von vor dem 30-jährigen Krieg.)
Eine Steckdose in unserer Küche ist in den Streik getreten und haut gleich die Sicherung für die gesamte Küche raus. Möglicherweise weil gleichzeitig Wasserkocher und Milchschäumer liefen. Das war der Steckdose zu viel und jetzt ist sie beleidigt. Selbst wenn ich nur den leeren Mehrfachstecker einstöpsle, funkt und knistert sie aggressiv.
Ungünstigerweise handelt es sich um die Steckdose, an der auch die Kaffeemaschine angeschlossen ist. Während ich in Panik gerate, wie ich den Tag ohne stetige Koffeinzufuhr überstehen soll, schließt meine Frau die Maschine an eine andere, funktionierende Steckdose an. Gut, wenn wenigstens eine einen kühlen Kopf bewahrt. (Zu meiner Verteidigung: Ich hatte noch keinen Kaffee, da die Steckdose vorher schon den Geist aufgegeben hatte.)
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Meine Frau bereitet das Abendessen vor. Nudeln mit Lachs und Tomaten. Als sie zwei Päckchen Spaghetti aus dem Schrank holt, weise ich sie darauf hin, ein Päckchen würde vollkommen ausreichen. Meine Frau meint aber, der Sohn habe heute richtig Hunger und ein Päckchen sei schon für Drei immer etwas knäpplich. Ich entgegne, das sei vielleicht für drei Pumas „etwas knäpplich“, aber 1. 000 Gramm Spaghetti seien für uns zu viert „safe zu viel”. Diese Mischung aus Jugendsprache, Anglizismus und Selbstgefälligkeit” ist es, die meine Frau wahrscheinlich darüber nachdenken lässt, ob ein Ehevertrag, der festlegt, dass so etwas verboten ist, vielleicht doch eine gute Idee gewesen wäre. Meine Frau beharrt aber auf der Doppel-Packung Spaghetti und erklärt, falls etwas übrigbliebe, äße sie einfach morgen noch etwas davon.
Um es kurz zu machen: Die Menge an Spaghetti, die wir später eintuppern, ist größer als die Portion, die wir mit dem Lachs und den Tomaten essen. Für das harmonische Funktionieren einer Ehe ist es aber wichtig, nicht darauf herumzureiten, wenn du im Recht und deine Partnerin im Unrecht warst. Stattdessen schreibst du das ins Internet, damit es bis in alle Ewigkeit nachgelesen werden kann.
Ob sich meine Frau zu ihrem baldigen Geburtstag wohl über ein T-Shirt mit dem Aufdruck „500 Gramm Spaghetti sind genug“ freuen würde?
02. März 2021, Berlin
Anscheinend war meine Assoziation letzte Woche, dass die Kinder, die jetzt wieder in die Schule müssen, wie Kanarienvögel in die Kohleminen geschickt werden, um zu sehen, ob die Luft rein ist, nicht ganz unzutreffend: Nach zwei Unterrichtstagen wurde ein Mitschüler aus dem Mathe-LK der Tochter positiv auf Corona geschnelltestet. Das Ergebnis muss aber noch durch einen richtigen Test bestätigt werden.
Trotzdem darf die Tochter vorerst nicht ihr Zimmer verlassen. Sie kennt das schon vom letzten Jahr, als sie im Oktober selbst mal auf Corona getestet wurde. Ich hatte damals den Eindruck, dass es für eine Teenagerin Schlimmeres gibt, als in ihrem Zimmer bleiben zu müssen. Zumindest so lange die W-LAN-Verbindung schnell und stabil ist.
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Damit die Tochter nicht allein in ihrem Zimmer zu Abend essen muss, schalten wir sie per Zoom in die Küche dazu. Wahnsinn, was der technische Fortschritt ermöglicht. Vom Mars werden Bilder der Planetenoberfläche gefunkt und wir können in verschiedenen Zimmern sitzen und uns gegenseitig beim Essen zuschauen. What a time to be alive!
03. März 2021, Berlin
Der Corona-Test des Klassenkameraden der Tochter ist negativ. Das Gute daran – abgesehen davon, dass der Junge nicht an Corona erkrankt ist –: Die Tochter kann wieder ihr Zimmer verlassen. Das Schlechte daran: Sie muss am Freitag Mathe schreiben.
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Heute ist Equal Care Day. Mit dem soll auf die ungleiche Verteilung von Care-Arbeit zwischen Männern und Frauen aufmerksam gemacht werden. Ich begehe den Tag damit, dass ich abends Wäsche aufhänge. Meine Frau ist davon allerdings nur mäßig begeistert. Das Wäscheaufhängen zählt nämlich zu ihren Aufgaben. (Wir pflegen im Haushalt ein sehr striktes System der funktionalen Arbeitsteilung, bei dem es ausdrücklich unerwünscht ist, sich in den Verantwortungsbereich des oder der anderen einzumischen.) Am meisten stört sie, dass ich beim Aufhängen ihr spezielles Farbsystem bei der Reihenfolge der Wäscheklammern missachtet habe. (Fragen Sie nicht. Auch nach fast 25 Partnerschaft habe ich dieses System nicht verstanden.) Nachdem ich ins Bett gegangen bin, hängt sie die Wäsche folglich neu auf. Aber das passt ja auch zum Equal Care Day. So haben wir uns das Wäscheaufhängen total gerecht und fair fifty-fifty aufgeteilt.
(Damit Sie nicht den Eindruck bekommen, meine Frau sei merkwürdig: Selbstverständlich räume ich regelmäßig die Geschirrspülmaschine – mein Aufgabenbereich – um, wenn mein seit Jahrzehnten bewährtes Einräumsystem nicht befolgt wurde.)
04. März 2021, Berlin
Beim Joggen sehe ich ein Auto mit der Aufschrift „Kings of Clean – Gebäudemanagement“. Am Steuer sitzt eine Frau. Zu meiner Enttäuschung trägt sie aber keine Krone und kein Zepter in der Hand. Wahrscheinlich ist sie nur ein „Servant of Clean“.
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Als ich vom Laufen zurückkomme, beendet meine Frau gerade im Wohnzimmer ihre Yoga-Einheit. Zum Abschluss liegt sie fünf Minuten mit geschlossenen Augen flach auf dem Boden. Vielleicht sollte ich auch mit Yoga anfangen.
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Neues Fundstück in meinem Spam-Ordner: Herr Chung Chen fragt, ob er mir bei der Überweisung von vierzehn Millionen Euro vertrauen kann. Auf jeden Fall. Allerdings weiß ich nicht, ob ich ihm genug vertrauen kann, um eine geschäftliche Beziehung mit ihm einzugehen. Ich lösche seine Mail.
05. März 2021, Berlin
Um halb acht erscheint der Elektriker und schaut sich die Steckdose in der Küche an. Innerhalb von 90 Sekunden ist er fertig. Das Problem sind keine veralteten Leitungen, sondern der von uns verwendete Mehrfachstecker. Der ist kaputt und bringt die Sicherung zum Rausfliegen. Das ist jetzt ein wenig unangenehm für mich. Auf die Idee, mal einen anderen Stecker auszuprobieren, bevor ich den Elektriker anrufe, hätte ich vielleicht auch kommen können. Andererseits wären ohne DIY-Trottel wie mich alle Handwerksbetriebe pleite und das will ja auch niemand.
Der Mann nimmt seinen unnötigen Arbeitseinsatz aber gelassen. Möglicherweise sieht er ihn als kleine Aufwärmübung für seinen Arbeitstag an. Wie er mir erzählt, muss er jetzt auf eine Baustelle, wo er seit zwei Jahren nicht mehr war, weil dem Bauherrn immer wieder das Geld ausgeht. Vielleicht sollte ich mal einen Kontakt zu Herrn Chung Chen herstellen.
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Ich finde im Briefkasten eine Brigitte Mom. Habe ich, ohne mich daran zu erinnern, ein Abo abgeschlossen ? Und werde ich nun bis zu meinem Lebensende die Brigitte Mom beziehen, ohne sie zu lesen, weil ich immer wieder vergessen werde, das Abo zu kündigen? (Das noch eingeschweißte 11-Freunde-Spezial-Heft auf meinem Schreibtisch nickt.)
Bei der Brigitte Mom in meinem Briefkasten handelt es sich aber um ein Belegexemplar. Netterweise empfiehlt eine Redakteurin Papa braucht ein Fläschchen als Vatertagsgeschenk. (Ich hoffe, sie bekommt dafür keine Abmahnung.)
Mit nostalgischer Freude blättere ich zur Kinderseite, um die versteckte kleine Maus zu suchen. Das habe ich schon als Grundschüler gemacht. Wenn die neue Brigitte für meine Mutter kam, habe ich sie mir immer geschnappt und die kleine Maus gesucht. (Als Nicht-mehr-Grundschüler habe ich dann immer nach der Bademoden-Kollektion im Heft gesucht, aber das ist eine andere Geschichte.)
06. März 2021, Berlin
Meine Frau hat nachmittags einen Friseurtermin. Normalerweise trägt sie ihre Haare sehr kurz und lässt sie sich alle drei bis vier Wochen schneiden. Nun konnte sie wegen des Lockdowns fast drei Monate nicht zum Friseur und wegen ihres sehr dichten Haars hat ihre Frisur etwas leicht monchichi-haftes angenommen.
Meine Frau findet diesen Vergleich aber nur so mittel-gelungen. Ob sie sich zu ihrem baldigen Geburtstag wohl über ein T-Shirt mit dem Aufdruck „I’m not a fucking Monchichi!” freuen würde?
07. März 2021, Berlin
Mein striktes Zweieinhalb-Liter-Wasser-am-Tag-Trink-Regime fordert auf meiner morgendlichen Laufrunde mal wieder seinen Tribut. Wie schon vor vier Wochen halte ich es irgendwann nicht mehr aus und muss meinen Lauf unterbrechen, um mir im Gebüsch Erleichterung zu verschaffen.
Auf dem Rückweg beobachte ich einen Hund, der genau an dieser Stelle sein Bein hebt. Ich habe den Eindruck, dass er mich dabei herausfordernd anschaut. Wahrscheinlich hat er gerade sein Revier markiert und will mir klar machen, dass er hier der Chef ist und das Sagen hat. Das verstehe ich natürlich. Allerdings wäre diese urinale Machtdemonstration wesentlich einschüchternder, wenn es sich nicht um einen knapp 30 Zentimeter großen Rehpinscher handeln würde.
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Im Internet lese ich, dass im Zoo von San Diego die ersten Menschenaffen gegen Corona geimpft wurden. Vier Orang-Utans und fünf Bonobos. Wie demütigend ist das eigentlich? Während ich bei Impf-Tempo in Deutschland, irgendwann zwischen März und Mai 2023 meine Impfung bekomme, dürfen Orang-Utans in San Diego längst wieder ins Kino gehen und Bonobos können sich auf Sex-Party vergnügen. Schönen Dank auch!
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Spaghetti-Knappheitsangst. Kann ich gut verstehen. Kalte Nudeln im Kühlschrank kann man immer gut gebrauchen.
500 g Spaghetti … nun ja – bei uns spätestens abends alle verputzt :) Spaghetti gehen immer genauso wie Kartoffelbrei mit Bratwurst. Zumindest bei uns :-)
Hihi, ich habe tatsächlich auch eine bestimmte Wäscheklammer-Farb-Reihenfolge, die mein Mann nicht versteht. Wenn er mir dann alle Jubeljahre mal hilft, beiße ich die Zähne zusammen und ertrage das falsche Aufhängen. Sonst hilft er bestimmt nie wieder! :-)
Und was hören die Kings of Clean bei der Arbeit? “Wasted Time”, “The Bucket” oder “Waste a Moment” von den Kings of Leon? ;-)