11. März 2023, Berlin
Der Laufplan sieht heute wie jeden Samstag wieder den 35-Kilometer-Lauf vor. Damit es nicht zu langweilig wird, müssen die letzten drei Kilometer im Marathon-Tempo gelaufen werden. Das ist gar nicht so einfach. Zum einen weil du dann ja schon 32 Kilometer gelaufen bist, zum anderen weil du dich in dem vorherigen wesentlich langsamerem Tempo gemütlich eingerichtet hast.
Das mit der sogenannten Endbeschleunigung klappt trotzdem ganz gut. Nur die letzten 500 Meter habe ich Schwierigkeiten, die Gedanken zu verdrängen, warum ich das eigentlich mache – mir fiel keine überzeugende Antwort darauf ein – und dass Spazierengehen doch eine viel angenehmere Art der Fortbewegung ist – da konnte ich mir nur recht geben. Dafür darf ich zuhause wieder Apfelsaft trinken. Die Freuden des kleinen Marathonvorbereiters.
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Heute ist Verehre-dein-Werkzeug-Tag. Zu Weihnachten hat die Tochter von ihren Großeltern ihre erste Werkzeug-Grundausstattung geschenkt bekommen. Mein Vater hat im Keller nachgeschaut, welches Werkzeug doppelt vorrätig ist, und sie mit Hammer, verschiedenen Schraubenziehern, Zange, Metermaß und Ähnlichem ausgestattet. Ich fand das sehr gut. Zum einen ist es nachhaltig, kein neues Werkzeug zu kaufen, wenn du gebrauchtes, funktionsfähiges verschenken kannst. Zum anderen entlastet es mich, wenn wir irgendwann den Keller entrümpeln müssen.
Mit ihrem Werkzeug-Set konnte die Tochter dann gleich ihren irischen Vermieter beeindrucken, als sie ihn bat, nach der Heizung in ihrem Zimmer zu schauen, die nicht richtig funktionierte. Er meinte, dazu bräuchte er aber einen Schraubenzieher. Sie erwiderte, dass sei kein Problem und reichte ihm einen. Daraufhin sagte er, er bräuchte auch noch eine Zange. Das sei ebenfalls kein Problem, sagte die Tochter, griff in ihren Werkzeugkarton und gab ihm die gewünschte Zange. Auf seine Frage, woher sie denn so gut mit Werkzeug ausgestattet sei, erklärte sie, ihre Großeltern hätten es ihr geschenkt. Daraufhin nickte er anerkennend und meinte: „That’s German efficiency.“
Ich habe mir mein erstes Werkzeug seinerzeit selbst gekauft. Als ich 19 war und zum Zivildienst weggezogen bin. Um Geld zu sparen, bin ich in einen Restpostenmarkt gegangen, wo alles nur eine D-Mark gekostet hat. So lernte ich damals, warum es „You get what you pay for.“ heißt. Bei dem Schraubenzieher, den ich dort erwarb, drehte sich immer der Griff mit, wenn du etwas schrauben wolltest, bei dem Zollstock waren auf einem Abschnitt die Längenangaben in der falschen Reihenfolge aufgedruckt, und die untere Seite der Wasserwaage war schief. So lernte ich noch zusätzlich: „Wer billig kauft, kauft doppelt.“
Wobei das in meinem Fall nur bedingt stimmt. So viel Werkzeug habe ich mir gar nicht gekauft, sondern mein Vater hat mich im Laufe der Jahre immer wieder mit (neuwertigem) Werkzeug versorgt. Und das ehre ich so sehr, dass ich es so gut wie nie benutze.
12. März 2023, Berlin
Später Nachmittag. Ich helfe dem Sohn bei seinen Musikhausaufgaben. (Ein Satz, der sich sehr falsch anhört.) Er muss einen Ausschnitt aus einem Charlie-Chaplin-Film mit Musik unterlegen.
Eigentlich sollte er die Aufgabe schon vor zwei Wochen abgeben. Da hatte er sie aber nicht richtig hinbekommen und der Lehrerin erklärt, er habe vergessen, die Datei hochzuladen. Letzte Woche hatte er dann Video und Musik irgendwie zusammengeschustert und dachte, er käme damit durch. Dann sah er kurz vor der Stunde, wie professionell ein Schulkamerad die Aufgabe umgesetzt hatte. Da war ihm klar, dass er sein Video unmöglich einreichen konnte, ohne den Eindruck zu erwecken, er habe die Vertonung des Clips an ein gehörloses Kita-Kind delegiert. Er wog ab, ob eine unentschuldigte Fehlstunde oder eine Fünf minus unvorteilhafter ist, entschied sich für letzteres und blieb dem Musikunterricht fern.
Morgen muss der Sohn seinen Clip aber wirklich vorweisen. Daher sitze ich mit ihm zusammen und unterstütze ihn dabei, die Videosequenzen mit halbwegs passender Musik zu unterlegen. Gewiss nicht, weil ich so ein gutes musikalisches Gespür habe. Ganz im Gegenteil. Es gibt Schrankwände Eiche rustikal, die über ein ausgeprägteres Rhythmusgefühl als ich verfügen. Dafür besitze ich aber ein Video-Schneide-Programm, das ich halbwegs bedienen kann.
Mein Vorschlag, wir könnten den Ausschnitt mit Heavy-Metall oder 30er-Jahre-Schlager vertonen, weil das besonders originell sei, findet beim Sohn nur wenig Anklang. Er entscheidet sich für eine Mischung aus Marsch- und konventioneller Stummfilm-Klavier-Musik und das ist wahrscheinlich auch besser so.
Nach einer Stunde sind wir fertig. Das Ergebnis ist vielleicht kein Meisterwerk, das in die Filmmusik-Geschichte eingehen wird, aber wir sind zufrieden. Zumindest sieht das Video nicht mehr aus, als habe es ein gehörloses Kita-Kind erstellt. Sondern ein Grundschul-Kind, das auf einem Ohr wenigstens noch 20 bis 30 Prozent hört.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Hut aber vor Ihrer läuferischen Leistung. Ich bekomme alleine beim Lesen Schüttelfrost und Schnappatmung. Ich drücke alle verfügbaren Daumen für den Marathon. Das kann ja nur gut werden.