15. März 2024, Berlin
Aus dem Dominikaner-Kloster gegenüber tritt ein Mönch. Ziemlich jung. Vielleicht Anfang/Mitte 20. Was bewegt einen Menschen, in so jungem Alter ins Kloster zu gehen? Die Liebe zu Gott? Die Verzweiflung an der Welt? Die Suche nach geistiger Erleuchtung?
Während ich über seine Beweggründe für ein Leben in einer Ordensgemeinschaft nachdenke, kramt der junge Mönch ein paar AirPods aus seinem Gewand, steckt sie sich in die Ohren und vertieft sich auf dem Weg Richtung Turmstraße in sein Smartphone. Er scheint auch weltliche Bedürfnisse zu haben.
Was er sich wohl anhört? Einen Podcast mit Anselm Grün? Gregorianische Choräle? Oder bläst er sich „Highway to hell“ von AC/DC in die Ohren? Das würde mein kindliches Gemüt erfreuen.
###
Unübersichtliche Ansteh-Situation im Post-Kiosk-Shop. Ich glaube, eine junge Frau ist vor mir an der Reihe und sage zu ihr: „Du warst zuerst da, oder?“ Sie schaut mich irritiert an. Wahrscheinlich denkt sie: „Warum duzt mich der alte Knacker?“
###
Bei Penny fragt ein circa achtjähriger Junge seine Mama, ob er eine Plastikschrottzeitschrift haben darf. Sie erlaubt es ihm, aber er müsse sie von seinem Taschengeld selbst bezahlen. Voll ekstatischer Freude umarmt der Kleine sie und ruft: „Du bist die Allerbeste!“
Entweder versteht er nicht, was „selbst bezahlen“ bedeutet oder er spekuliert darauf, dass seine Mama das Geld nie von ihm eintreiben wird.
16. März 2024, Berlin
Lauf-Gedanke: Die Welt wäre ein friedlicherer Ort, hätten alle Länder ausschließlich Clowns-Armeen. Keine Einheiten hochgerüsteter und hochtrainierter Elitekämpfer, sondern mit Clown-Soldaten.
Diese verbuddeln keine Minen, sondern legen Bananenschalen aus, statt mit scharfer Munition aus Maschinengewehren zu schießen, verspritzen sie Wasser aus Revers-Blumen und sie verwickeln sich nicht in tödliche Nahkämpfe, sondern treten sich mit ihren riesigen Schuhen gegenseitig in den Hintern. Blutvergießen gleich Null. Außerdem zettelt niemand einen Krieg an, wenn er weiß, dass dann ein Bataillon aus hunderten von Clowns anrückt.
Ich sollte noch mehr laufen, wenn ich dabei so gute Ideen habe. Allerdings möchte ich nicht ausschließen, dass ich nicht der erste Mensch bin, der die Idee einer Clowns-Armee hatte. (Im Zweifel gibt es eine Simpsons-Folge dazu.)
17. März 2024, Berlin
4.40 Uhr Aufstehen. Zugfahrt nach Frankfurt, wo ich abends mit meinen Eltern und meinem Bruder in die Oper gehe. Carmen. Das Weihnachtsgeschenk meines Bruders und mir für unsere Eltern.
Der Schaffner spricht breitestes Hessisch, stellt sich als Alfred Tetzlaff vor und macht bei jeder Lautsprecher-Durchsage miese Ein-Euro-Gags, für die sich selbst Fips Asmussen zu schade wäre. („Den nächste Bahnhof erreische mir drei Minute früher. Isch bitte die Unannähmlichkeite zu entschuldige.”) Schlimm. Nicht nur, aber vor allem zu der frühen Uhrzeit.
Die ältere Frau neben mir („Ich bin das letzte Mal vor 30 Jahren Bahn gefahren.”) findet die Ansagen lustig. Bei jeder Durchsage lacht sie laut und herzhaft. Allerdings hat sie an ihrem Handy Tastentöne eingeschaltet, so dass ich ihrer Urteilsfähigkeit skeptisch gegenüberstehe.
Auf Höhe meines Sitzplatzes hat von außen jemand ein Herz in das dreckige Fenster gemalt. Liebe in Zeiten des Schmutz. (Schöner Titel für einen Groschenroman.)
Muss die Zugfahrt zur inhaltlichen Vorbereitung auf die abendliche Oper nutzen, denn ich habe keine Ahnung, um was es bei Carmen geht. Außer dass es in Spanien spielt. Was ich aufgrund des titelgebenden Namens schlussfolgere. Außerdem weiß ich noch, dass George Bizet das Stück komponiert hat. Dessen Name hört sich für mich aber eher nach Französisch als nach Spanisch an. Was daran liegt, dass er Franzose war. (Wikipedia)
Ich kann nicht ausschließen, dass ich Carmen bereits einmal gesehen habe. Vor vielen Jahren in der Deutschen Oper. Zumindest erinnere ich mich, dass ich dort einmal bei einer Vorstellung eingeschlafen bin. Nicht aus Langeweile, sondern weil wir damals unsere Wohnung renovierten und ich hundemüde war. Oder das war „Der Barbier von Sevilla“, den ich damals verschlief. Spielt ja auch in Spanien, da kann man das schon mal verwechseln.
Alle Beiträge der Wochenschau finden Sie hier.
Sie möchten informiert werden, damit Sie nie wieder, aber auch wirklich nie wieder einen Familienbetrieb-Beitrag verpassen?
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)