Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
17. März 2025, Berlin
Sehe vom Balkon aus auf der anderen Straßenseite eine Tagesmutter mit einem Kinderwagen mit den Ausmaßen einer Stretch-Limo. Darin sitzen sich vier Kinder in Zweier-Reihen gegenüber, in ihren Händen halten sie Plastikbecher. Damit stoßen die Kleinen schwungvoll an, begleitet von lautem Lachen, Kichern und Glucksen.
Das kann man nun bedenklich finden, zweijährige Kinder die quasi ein Alkoholgelage nachmachen. Oder man erfreut sich an ihrer ansteckenden Fröhlichkeit. Ich entscheide mich für letzteres. Gerade in diesen Zeiten darfst du nicht immer das Schlechte sehen. Da musst du auch mal schöne Gedanken zulassen. In diesem Sinne: Prost.

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Heute ist St. Patrick’s Day. Ein besonderer Tag für C. , den irischen Freund der Tochter. Da er in einem Irish Pub arbeitet, auch ein besonderer Arbeitstag für ihn. (Zumindest das Trinkgeld sollte stimmen.)
18. März 2025, Berlin
Die World Communications Forum Association fragt mich als Speaker auf dem „Davos Communications Summit & Awards 2025“ an. Für das Panel „Public Relations and the Evolution of Political Messaging“. Mit meinem Hintergrund in politischer Kommunikation und PR wäre mein Input extrem wertvoll.
Das hört sich natürlich schmeichelhaft an. Ich als extrem wertvoller Speaker in Davos. Dort, wo sich die Reichen und Mächtigen treffen, um das Weltgeschehen zu diskutieren. Was sich wiederum sehr abstoßend anhört. Ich möchte weder reich und mächtig sein noch das Weltgeschehen diskutieren. (Ein bisschen reich wäre okay.)
Darüber hinaus ist der Titel der Podiumsveranstaltung so öde, dass einem nur beim Lesen die Augen zufallen. Zudem habe ich große Zweifel an der Qualität der Veranstaltung. Wie niedrig muss das Niveau sein, dass die Organisatoren denken, ich könnte einen inhaltlichen Mehrwert beisteuern.
Der Summit findet bereits in drei Wochen statt, ich soll mich innerhalb von zwei Tagen zurückmelden. Das hört sich nicht so an, als sei ich bei der Speaker-Auswahl die erste Option gewesen. Eher die Option vier bis fünf.
Schaue mir trotzdem die Veranstaltungs-Website an. Dort stoße ich auf Sanjiv Winayak, seines Zeichens Senior Client Director & Head of AI bei einer Firma mit dem schönen Namen Milk & Honey.
Das dunkle Haar trägt der Milch-und-Honig-KI-Kopf in einem modischen Seitenscheitel, sein Gesicht ziert ein akkurat gestutzter Ankerbart und er schaut verwegen in die Kamera. Aus seinem weißen Hemd, das bis knapp oberhalb des Bauchnabels aufgeknöpft ist, quillt dichtes Brusthaar hervor, in dem sich ein Goldkettchen versteckt. Das Bild bewegt sich irgendwo zwischen Tinderprofil und Casting-Headshot für einen Freibeuter-Film. Großartig.
Sage meine Panel-Teilnahme zwar ab, aber dafür habe ich jetzt ein neues Career Goal: Meine spärliche Brustbehaarung zu kultivieren, damit es für ein vergleichbar spektakuläres Foto reicht. Dann muss ich noch meine Agenturpartnerin überzeugen, dass wir uns in Coffee & Cake umbenennen.

19. März 2025, Berlin
Nino de Angelo geht auf Tour. Davon zeugt ein Plakat in der Ottostraße, das an der „Tasty Chicken“-Imbissbude hängt, deren Interieur nur bedingt nach „Tasty Chicken“ aussieht.
Vor mehr als 15 Jahren habe ich den Gewinner der ZDF-Superhitparade 1983/84 mal in einem Straßencafé am Kudamm gesehen. Ich kam von einem Termin mit einer Anfang zwanzigjährigen Praktikantin und raunte ihr zu: „Da sitzt Nino de Angelo.“
Sie schaute mich fragend an. „Wer?“ „Jenseits von Eden“, versuchte ich, ihr auf die Sprünge zu helfen. Mit begrenztem Erfolg. Sie sagt zwar „Ach so“, aber ihr ausdrucksloser Gesichtsausdruck signalisiert mir, dass sie keinen Schimmer hatte, wovon ihr Methusalem-Kollege spricht.
Zum Glück steht auf dem Plakat sein Name sehr groß neben seinem Kopf. Sonst hätte ich den „Jenseits von Eden“-One-Hit-Wonderer nicht mehr erkannt. Er ist inzwischen komplett ergraut beziehungsweise erweißt und trägt einen stattlichen Bart.
Bei dem Foto-Shooting geizte die Maske offenkundig nicht mit Kajal, wodurch der ohnehin schon sehr eindrückliche Blick Nino de Angelos noch intensiver wirkt. Beinahe einschüchternd. Dass die Tour „Irgendwann im Leben“ heißt, wirkt da fast wie eine Drohung.
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Der Sohn und N. posten Bilder aus Kuala Lumpur in ihrer WhatsApp-Gruppe. Von einem großen Platz mit sehr vielen Tauben und zahlreichen Affen. Letztere seien sehr frech und beklauten unvorsichtige Tourist*innen. Essen, Handys, Fotoapparate. Alles, was ihnen in die Finger kommt.
Das lässt die gewöhnliche Stadttaube in viel besserem Licht erscheinen. Die kackt zwar alles voll, knüpft dir aber wenigstens nicht Sneakers und Kohle ab.
20. März 2025, Berlin
Heute ist internationaler Tag des Glücks und Welttag der Spatzen. Laut dem World Happiness Report 2025 kommen die glücklichsten Menschen aus Finnland. Zum achten Mal in Folge. Wo die glücklichsten Spatzen leben, bleibt ungeklärt.
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Der Autor Birk Grüling teilt bei Instagram eine Story mit einem Post, laut dem die Geräusche der Raptoren in Jurassic Park nicht authentisch, sondern Schildkröten beim Sex nachempfunden seien. Das kann sein, aber ich finde, wir sollten in Betracht ziehen, dass umgekehrt Schildkröten beim Geschlechtsverkehr Raptoren-Laute imitieren. (Es gibt schließlich für alles einen Fetisch.)
Birk, den ich mit meiner unqualifizierten Vermutung belästige, ist skeptisch. Raptoren seien gefiedert gewesen, ungefähr so groß wie eine Pute und hätten vermutlich gegurrt. Er muss das wissen, denn er hat mehrere Bücher und Artikel über Dinosaurier geschrieben.
Mir ist das trotzdem zu evidenzbasiert argumentiert. Birk meint, Steven Spielberg hätte das offenkundig genauso gesehen. Meines Erachtens aus dramaturgischen Gründen durchaus nachvollziehbar. Wer würde sich auf der Leinwand vor putengroßen, gurrenden Dinos fürchten?
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)