Eine kleine Wochenschau | KW13-2022

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


28. März 2022, Berlin

Gehe morgens einkaufen. Als ich den Supermarkt betreten will, stelle ich fest, dass ich meine Maske vergessen habe und den ganzen Weg wieder zurücklaufen muss, um mich vorschriftsmäßig zu bemasken. Das ist mir in den letzten zwei Jahren tatsächlich nie passiert.

Was bedeutet meine Maskenvergesslichkeit wohl? Ist sie ein Zeichen, dass ich corona-müde bin? Oder mutiere ich kurz vor Aufhebung der Hygienemaßnahmen noch zum corona-leugnenden Quer„denker“? Oder bin ich erschöpft und gejetlagged von der gestrigen Zeitumstellung? Vielleicht ist die Antwort aber auch viel einfacher und ich bin einfach ein verschusselter Trottel.

29. März 2022, Berlin

16 Uhr. Es klopft bei uns. Vor der Tür steht der kleine D. aus dem 4. Stock mit seinem Papa. D. hält in seinen Händen einen Teller mit drei Stücken Kuchen. Er sagt erstmal nichts und schaut mich nur an.

Wie so ein pädagogischer Superprofi gehe ich in die Hocke, um mit ihm auf Augenhöhe zu kommunizieren. „Oh, hast du Kuchen?“, frage ich. Was für eine bescheuerte Frage. Es ist doch offensichtlich, dass er einen Teller mit Kuchen in den Händen hält und nicht eine Schüssel mit Borschtsch. D. nickt mit ernstem Gesicht.

„Hast du den gebacken?“, will ich wissen. Wieder so eine bescheuerte Frage. Es ist wohl ziemlich unwahrscheinlich, dass er den Kuchenteller im Treppenhaus gefunden hat und dann bei mir geklopft hat, um ihn mir zu zeigen. D. nickt erneut.

„Der sieht aber lecker aus“, sage ich und reibe mir dabei so übertrieben den Bauch, als wäre ich gerade beim GZSZ-Casting. Wenigstens verkneife ich mir, „Mmmh!“ zu machen und mir über die Lippen zu lecken.

„Du kannst ihm den Kuchen geben“, souffliert sein Papa. D. nimmt eines der Kuchenstücke mit der Hand und streckt es mir entgegen. „Gib ihm ruhig den ganzen Teller“, flüstert der Papa. D. zögert. Warum soll er dem bärtigen Mann, der so komische Fragen stellt, seinen Teller überlassen? Erst als sein Papa ihm versichert, dass ich den Teller später zurückbrächte, rückt er ihn raus. Sein skeptischer Blick verrät aber, dass er das für einen großen Fehler hält. Wahrscheinlich denkt er, dass er den Teller nie mehr wiedersehen wird.

Der Kuchen ist sehr zitronig, sehr, sehr saftig und sehr, sehr, sehr lecker. Danke, lieber D.!

30. März 2022, Berlin

Heute ist Mache-einen-Spaziergang-Tag. Fuck you, wer auch immer sich diesen Tag ausgedacht hat. Coronabedingt machen wir seit zwei Jahren fast nichts anderes als Spazierengehen. Spazieren am Montag, spazieren am Dienstag, spazieren am Mittwoch, spazieren am Donnerstag, spazieren am Freitag, spazieren am Samstag, spazieren am Sonntag. Spazieren bei Sonne, spazieren bei Regen, spazieren bei Wind, spazieren bei welchem Wetter auch immer. Im Hellen, im Dämmrigen, im Dunklen. Immerzu spazieren, spazieren, spazieren.

Vielleicht lasse ich zu Ehren des Tages den Spaziergang heute ausfallen.

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Der Sohn kommt kurz nach sieben vom Training zurück. Ich erwarte ihn an der Tür, um ihn mit liebevoller väterlicher Strenge darauf hinzuweisen, dass er vorhin trotz Erinnerung meinerseits den Müll nicht runtergebracht hat. Damit er nun seinen Pflichten nachkommt, will ich ihm den vollen Müllbeutel in die Hand drücken. Da er in derselbigen einen Koffer trägt, geht das aber nicht.

Das ist überraschend. Zugegebenermaßen bin ich manchmal etwas unaufmerksam – ich nenne es lieber „fokussiert auf meine Arbeit“ – und bekomme nicht immer alles mit, aber ich bin mir sehr sicher, dass der Sohn für gewöhnlich nicht mit größerem Reisegepäck ins Fitnessstudio geht. Es stellt sich heraus, dass er gar nicht beim Training war, sondern seine Schwester am Flughafen abgeholt hat, die, um uns zu überraschen, schon einen Tag früher aus Stockholm angereist ist.

Über all das Erstaunen, die Wiedersehensfreude, das Umarmen, das Freudentränen-vergießen und das Knuddeln vergesse ich meine Müll-Runterbring-Ermahnung an den Sohn. Das hat zur Folge, dass der volle Müllbeutel die nächsten drei Tage im Flur stehen wird.

31. März 2022, Berlin

Meine Frau hat morgen Geburtstag. Daher backe ich nachmittags Kuchen. Nach einem TikTok-Rezept. Für einen Mitte-Vierzigjährigen ist es vielleicht nicht ganz altersgemäß, TikTok-Rezepte nachzubacken, aber es ist auf jeden Fall billiger, als sich einen Porsche zu kaufen, um zu verdrängen, dass du ein Alter erreicht hast, bei dem – optimistisch geschätzt – die Hälfte deines Lebens rum ist. Außerdem läufst du beim Nachbacken von TikTok-Rezepten nicht Gefahr, dich selbst im Rückspiegel zu sehen und zu denken: „WTF, was macht der alte Mann in meinem Auto?“

Das Rezept habe ich aber gar nicht selbst rausgesucht, sondern meine Frau hat es vor ein paar Wochen in unserer Familien-WhatsApp Gruppe geteilt und dazu geschrieben: „I WANT this.“ Da mir ihr Wunsch, auch wenn er eher in Form einer nur mäßig höflich formulierten Aufforderung daherkommt, selbstverständlich Befehl ist, backe ich nun diesen Kuchen.

Der Teig besteht aus einer amtlichen Menge an Frischkäse und Schmand. Das schadet sicherlich nicht, denn Fett macht einen Kuchen auf keinen Fall unleckerer. (Außerdem ist Fett wichtig, damit der Körper Vitamine aufnehmen und verarbeiten kann.) Unter die verquirlte Frischkäse-Schmand-Masse wird Puderzucker und eine ebenfalls amtliche Menge an geschmolzener Kinder-Schokolade gerührt. Das fügt dem Kuchen bestimmt auch keinen geschmacklichen Schaden zu.

Praktischerweise muss der Kuchen nicht gebacken, sondern einfach über Nacht in den Kühlschrank verfrachtet werden, was Energie fürs Heizen des Ofens spart. Das macht den Kuchen quasi zu einem Klimaschutz- und Anti-Putin-Anti-Krieg-Kuchen in Personalunion. („Make refrigerated cake not war!“)

Allerdings haben wir einen 100%-Erneuerbare-Energie-Stromanbieter, der kein russisches Gas oder Öl im Energie-Mix hat. Deswegen profitiert Putin ohnehin nicht davon, wenn wir unseren Elektroherd anwerfen. Entsprechend kann es ihm wumpe sein, dass wir den Kinder-Schokolade-Kuchen in den Kühlschrank stellen, was unseren Anti-Kriegs-Protest-Kuchen ein wenig Leere laufen lässt.

@fitwaffle Kinder Cheesecake #kinder #cheesecake #asmr #asmrsounds #food ♬ original sound – fitwaffle

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Der Sohn ist ebenfalls in der Küche zugange. Er bereitet für seine Mutter als Geburtstagsgeschenk frisches Pesto zu. Mit Zutaten wie Pinienkernen, Parmesan und Olivenöl ein ziemlich luxuriöses Geschenk. (Vor allem für mich, da ich das alles für ihn gekauft habe.) Der Sohn hatte aber angeboten, ich könnte statt des Basilikums auch Karottengrün besorgen, das sei es etwas günstiger.

Eine nette Geste von ihm, aber ich hatte abgewunken. Das wäre so als würdest du dir für 50 Millionen Euro eine 46-Zimmer-Villa an der Côte d’Azur kaufen und dann im vierten Gästeklo des Personalflügels die Türklinken nicht aus Platin, sondern aus Gold nehmen, um ein wenig Geld zu sparen.


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45 Kommentare zu “Eine kleine Wochenschau | KW13-2022

  1. Ich (die bald Geburtstag hat), zeige dem Mann mit triefendem Zahn den Kuchen. Und der fragt nur, wem ICH den denn kredenzen möchte.
    Da ich also offensichtlich keinen Kuchen bekomme, möchte ich jetzt hören, dass er viel zu mächtig und überhaupt ungenießbar war!!

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