01. April 2022, Berlin
Stehe morgens um sechs auf, um den Geburtstagskuchen fertig zu machen. Auf die im Kühlschrank erkaltete Schmand-Frischkäse-Puderzucker-Kinder-Schokolade-Masse kommen jetzt noch zwei Tafeln Kinder-Schokolade, die in Schmand aufgelöst werden. (Irgendwoher müssen die Kalorien ja kommen.)
Anschließend muss der Kuchen noch verschönert werden. Dazu soll auf der Kuchenoberfläche der Rest von der gestrigen hellen Masse mit dem Spritzbeuel in Form von kleinen Wölkchen drapiert werden. In dem TikTok-Video sieht das sehr schön aus. Ich verfüge allerdings über ein nur sehr überschaubares kunsthandwerkliches Talent, was es mir unmöglich macht, filigrane Dekorationen jedweder Art zu fabrizieren. Als ich fertig bin, sieht der Kuchen aus, als hätte ihn ein zappeliges Nashorn auf Steroiden verziert, das eine Augenbinde trug und dabei auf einem Einrad fuhr. (Eine Zirkusnummer, für die ich definitiv Eintritt bezahlen würde.)
So ist der Kuchen auf keinen Fall präsentabel. (Und auf gar keinen Fall nicht instagramtauglich.) Also besorge ich im Supermarkt noch einen Haufen Kinder-Schokolade-Süßigkeiten und begrabe den Kuchen darunter.
Der Müllberg, den ich mit meiner Verzier-Fail-Ausbesserungs-Aktion verursacht habe, macht mir ein schlechtes Gewissen. Eigentlich habe ich eine relativ klimaschonende Lebensführung und einen verhältnismäßig kleinen CO2-Fußabdruck. Zumindest für jemanden, der in einer westlichen Industriegesellschaft lebt. Ich habe kein Auto, benutze wiederverwendbare Stoffbeutel für Obst, Gemüse und Backwaren, verwende feste Duschgels und Shampoos ohne Mikroplastik, kaufe mir – zum Leidwesen meiner Frau – nur alle zwei bis drei Jahre neue Klamotten und fliege auch nur alle zwei bis drei Jahre. Das wird sicherlich alles wohlwollend von Greta, Luisa und den nachfolgenden Generationen zur Kenntnis genommen.
Nun habe ich aber durch die Kinder-Schokolade-Süßigkeiten so viel Verpackungsabfall produziert, dass ich für zehn Prozent des Plastikmülls auf diesem Planeten verantwortlich bin. Das wird sicherlich stirnrunzelnd von Greta, Luisa und den nachfolgenden Generationen zur Kenntnis genommen.
Aber etwas Gute für die Öko-Bilanz tut der Kuchen doch: Er enthält so viel Schokolade, dass wir nach seinem Verzehr tagelang unter Verstopfung leiden werden. Das reduziert unsere Toilettengänge und spart Wasser. Toll!
02. April 2022, Berlin/Bonn
Wir fahren übers Wochenende weg. Die Tochter geht morgen mit der Tochter unserer Bonner Freunde in Köln auf das Louis-Tomlinson-Konzert. (Falls Sie den jungen Mann nicht kennen: Er war früher Mitglieder der Band One Direction. Falls Sie die Band nicht kennen, dann googeln Sie sie gefälligst selbst.) Wir fahren nach Bonn mit, um besagte Freunde mal wieder zu besuchen.
Der Sohn bleibt allein Zuhause. Die Gelegenheit des elternfreien Wochenendes optimal nutzend, hat er ein paar Freund*innen zum Übernachten eingeladen. Zum Abschied erklären wir ihm noch ein paar Verhaltensregeln, verpackt in mahnende Worte: Niemand darf in unserem Bett schlafen, sie sollen nicht zu viel trinken, falls sich jemand übergeben muss, dann nicht auf den Dielenboden mit den breiten Fugen, wir möchten keine Klagen von den Nachbarn hören und die Wohnung soll Sonntagabend bei unserer Rückkehr genau so aussehen, wie wir sie verlassen haben. (Noch etwas sauberer wäre schön, aber das ist wohl eher unrealistisch.) Und die wichtigste Regel: Finger weg von unserem Gin!
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Unsere Bahnreise ist wie Bahnreisen halt so sind. Fünf Minuten vor Abfahrt wird über die Bahnsteig-Lautsprecher mitgeteilt, dass unsere Direktverbindung nach Bonn ausfällt, der nächste Zug eine Stunde später, hält bereits in Hamm, dort müssen wir in einen neuen Zug umsteigen, in dem wir bis nach Köln stehen müssen, wo dann der Regional-Express 20 Minuten Verspätung hat, so dass wir mit einer Bimmelbahn – erneut stehend – nach Bonn tuckern.
Das ist alles nervig und umständlich, aber eigentlich auch kein Grund zum übermäßigen Aufregen. In Hamm steigt ein uraltes, gebrechliches ukrainisches Ehepaar ein, das unter widrigsten Bedingungen aus seiner Heimat fliehen musste und diese möglicherweise nie wiedersehen wird. Da gehört ein bisschen länger warten, ungeplant umsteigen und ein paar Stationen stehen müssen dann doch eher in die Kategorie „Joah, ist halt so und ich kann währenddessen immerhin Schoko-Bons futtern.“
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Bonn zeigt sich von seiner besten Seite. Die Altstadt besticht mit blühenden Kirschbäumen und mit vielen kleinen Läden, die hübschen „Tand“ anbieten, den du eigentlich nicht brauchst, der deine Wohnung aber definitiv verschönern würde und den du deswegen kaufen möchtest. (Was du dann doch nicht tust, denn die schwäbische Hausfrau in dir ist doch stärker als dein konsumgeiler Hedonist.)
03. April 2022, Bonn/Berlin
Wir halten 11 Uhr für eine gute Zeit, um beim Sohn mal nachzufragen, ob die Wohnung noch steht. Tut sie laut seiner Aussage. Sie hätten auch nicht das Bier aus unserem Kühlschrank getrunken. (Sehr bedauerlich, denn die Flaschen laufen in ein paar Wochen ab.) Das liegt allerdings nicht daran, dass sie enthaltsam gefeiert haben, sondern sie hatten genügend anderen Alkohol. Damit sie den gut vertragen, haben sie nachts zweimal Nudeln gekocht. (Sehr vernünftig.) Er hätte die Spülmaschine auch schon einmal durchlaufen lassen und würde gleich noch eine anmachen. (Sehr löblich.)
Sonst ist anscheinend auch alles in Ordnung. Zum Schluss will er nur wissen, wie man die Tafel an unserer Küchentür am besten sauber bekommt. Dort schreiben wir normalerweise unseren Wochen-Essensplan auf. Er erzählt aber nicht, was sie auf die Tafel gemalt haben und dann ist es vielleicht besser, nicht nachzufragen. Ich wäre aber schon enttäuscht, wenn es kein Penis war.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Wie immer sehr amüsant-lesenswert. Wir haben übrigens die gleiche Geburtstagscaravane für die Kinder, war mal irgendein Abo-Geschenk, ich glaube, für die Zeitschrift “Eltern”. Die gleiche Zahl könnt ich mir dann in zwei Monaten auch auf die Tierchen packen… Über den Kuchen denke ich allerdings noch nach.
Ich glaube, die Tier-Karawane war von Tschibo und steht wahrscheinlich jährlich auf hunderttausenden Geburtstagstischen.