Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
24. März 2025, Berlin
Aus der Reihe „Banale First-World-Probleme, die trotzdem tierisch nerven“: Werbung bei Amazon Prime.
Du bezahlst fast 100 Euro im Jahr, um Filme und Serien bei dem Dienst von Jeff „Meine Angestellte müssen in Flaschen pinkeln, damit sie ihre Zeitvorgaben einhalten“ Bezos zu streamen, und dann kommt alle zehn Minuten eine Unterbrechung, um Verdauungsmittel, Grippemedikamente oder – nach 21 Uhr – Gleitgel anzupreisen.
Dazu kommt, dass neue Serien nur noch stückchenweise Woche für Woche erscheinen. Statt sie in einem Rutsch wegbingen zu können, bekommst du am Ende der Folge eine Cliffhanger-Nase gedreht und musst sieben Tage auf Nachschub warten. Wie so ein Höhlenmensch in den 80ern.
Was kommt als nächstes? Sitze ich bald wieder mit Mutter auf dem Sofa und schaue Die Wicherts von nebenan? (Da hielten sich die Cliffhanger allerdings in Grenzen.)

In einer der Werbepausen kündigt Amazon die neue Staffel von The 50 an. Eine Show mit den – laut Amazon – größten Stars des Reality-Fernsehens. Sicher ist das als Verkaufsargument, als Unique Selling Proposition gedacht, für mich ist „die größten Stars des Reality-Fernsehens“ eine Red Flag und zwar von der Größe eines Zirkuszelts.
Ich bin mir bewusst, dass das nach abgehobenem bildungsbürgerlichem Distinktionsdünkel klingt, aber eher würde ich nie wieder in meinem Leben ein Fernsehgerät anschalten, als auch nur zehn Minuten von The 50 zu schauen.
(Was ebenfalls nach abgehobenem bildungsbürgerlichem Distinktionsdünkel klingt: die Verwendung des Begriffs „bildungsbürgerlicher Distinktionsdünkel“.)
25. März 2025, Berlin
Neues aus der Reihe „Banale First-World-Probleme, die trotzdem tierisch nerven“: Wir haben gestern die fünfte Staffel von The Handmaid’s Tale beendet und nun müssen wir bis April warten, bis die finale sechste Staffel rauskommt und die Ausstrahlung aller Folgen wird sich bis in den Mai hinziehen.
Nun brauchen wir eine neue Serie. Nachdem wir wochenlang in der grausamen, dystopischen Welt von Gilead gefangen waren, die uns bis in den Alltag verfolgt hat, wäre etwas Harmloses, Banales gut.
Zum Beispiel Tracker. Da haben wir die letzte Folge der zweiten Staffel noch nicht gesehen. In der Serie sucht – und findet – Colter Shaw vermisste Personen und kassiert dafür Belohnungen. Hauptdarsteller Jason Hartley glänzt nicht mit oscarverdächtiger Schauspielkunst, sieht aber gut aus und wartet mit einem in vielen Stunden im Fitnessstudio gestählten Körper auf.
Eine typische Tracker-Folge bietet ungefähr so viele Spannungs- und Überraschungsmomente wie eine Bobo Siebenschläfer-Geschichte und ist vergleichbar flach. Vielleicht schauen wir uns alternativ auf YouTube alte Die Wicherts von nebenan-Folgen an. Wenngleich Stephan Orlac alias Eberhard Wichert attraktivitätsmäßig nicht ganz mit Jason Hartley mithalten kann.
26. März 2025, Berlin
Telefonat mit dem Sohn. Er und N. brechen ihren Aufenthalt auf Lombok einen Tag früher ab und reisen morgen nach Bali weiter.
Ursprünglich wollten sie ein Speedboat nehmen, das die Strecke in circa anderthalb Stunden zurücklegt. Nachdem sie im Internet ein paar Videos von Schnellboot-Fahrten gesehen hatten, nahmen sie Abstand von dieser Idee.
Als sie noch auf eine Meldung stießen, eines der Boote sei kürzlich gekentert, buchten sie endgültig einen Platz auf einer Fähre. Die benötigt zwar rund vier Stunden für die Strecke, kostet mit drei Euro aber kaum mehr als ein Einzelfahrschein für die Berliner U-Bahn.
27. März 2025, Berlin
Stehe verwundert unserem Schneider gegenüber, der mir drei Hosen überreicht, wo ich nur mit zweien gerechnet hatte. Eine davon kann ich meiner Frau zuordnen, eine dem Sohn, aber die dritte ist mir vollkommen unbekannt. Von der Form sieht sie aus wie die Jeans des Sohns, von der Länge gehört sie eher meiner Frau.
Damit ich keine fremde, uns irrtümlich zugeordnete Hose mitnehme und sie wieder zurückbringen muss, rufe ich meine Frau an. Komme mir wie ein Hilfswilli-Trottelehemann vor, der selbst bei den einfachsten Aufgaben versagt, die er delegiert bekommt.
Letzteres trifft auf mich allerdings nicht zu. Ich bin ohne Arbeitsauftrag, sondern aus freien Stücken zur Schneiderei gegangen. Weil das eine gute Gelegenheit ist, mal den Schreibtisch zu verlassen und um meinem Tagesschrittziel näher zu kommen.
Während ich darauf warte, dass meine Frau abnimmt, fällt mir ein Video ein, dass ich kürzlich auf Instagram gesehen habe. In dem wurden Väter auf der Straße zu ihren Kindern befragt. Nach deren Geburtstagen, besten Freund*innen, auf welche Schule sie gehen, Lieblingsfächer, Namen der Lehrer*innen und so weiter. Sie scheiterten allesamt daran. Einer sogar, obwohl seine Tochter am Vortag Geburtstag hatte. Allerdings hat er auch vier Kinder, da kann man schon mal den Überblick verlieren.
Die Messlatte ist da nicht allzu hoch gelegt, aber im Vergleich zu diesen Vätern gehe ich als Vorzeige-Dad durch. Ich hätte die Fragen alle beantworten können. Nur die Namen der Lehrer*innen ab der weiterführenden Schule hätte ich nicht gewusst. Das waren einfach zu viele und sie wechselten zu häufig.
Da wäre meine Frau aber ebenfalls überfragt gewesen. Für zwei Menschen mit Hochschulabschluss und wahrscheinlich überdurchschnittlichen kognitiven Fähigkeiten fragten wir unsere Kinder erstaunlich oft: „Wie heißt nochmal dein/e [beliebiges Fach]-Lehrer/in?“
Somit halte ich es für entschuldbar, keinen vollumfänglichen Überblick über die Beinbekleidungen unseres Haushaltes zu haben. Insbesondere weil mich meine Frau aufklärt, dass die Hose neu sei. Nun muss ich nur noch ihr Geburtsdatum herausfinden.
###
Der Sohn und N. kommen wohlbehalten auf Bali an. Dort werden sie zwar von Regen begrüßt, dafür gibt es auf der Insel aber besseres Essen.
In ihrem Hotel auf Lombok waren diesbezüglich sowohl Auswahl als auch Qualität bescheiden. Was möglicherweise daran lag, dass dort außer ihnen nur eine Hand voll weiterer Gäste logierte. Außerdem hatten die Angestellten Ramadan und da hast du vielleicht nicht ganz so viel Bock, in der Küche Speisen für westeuropäische Touris zu zaubern.
Alle Beiträge der Wochenschau finden Sie hier.

Sie möchten informiert werden, damit Sie nie wieder, aber auch wirklich nie wieder einen Familienbetrieb-Beitrag verpassen?

Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Hallo,
Die Wicherts von nebenan gibt’s übrigens in der ZDF Mediathek!!! 😊
\○/
“Was kommt als nächstes? Sitze ich bald wieder mit Mutter auf dem Sofa und schaue Die Wicherts von nebenan? (Da hielten sich die Cliffhanger allerdings in Grenzen.)”
Tatsächlich ja!
Amazin startet ab 17 April seinen ersten TV Kanal mit linearem Fernsehen. :-)))
https://futurezone.at/digital-life/amazon-prime-video-linearen-fernsehkanal-live-sport-tv-sender-abo-werbung-fussball-tennis-filme/403016143
Weißt du, was noch gemeiner ist, als jede Woche eine Folge einer Serie…?
Das ist, wenn du die ersten beiden Folgen eines Hörbuches anhörst und dann erfährst, dass es den dritten Band zwar in den USA gibt, sogar als Hörbuch. Dieser aber weder ins Deutsche übersetzt wurde, noch kommen wird. :-(((( Und Audible erdreistet sich dann noch, für die Hörbuchserie auch noch Werbung zu machen.
Lieben Gruß
Andi