Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
29. März 2021, Berlin
In einem Maximo-Park-Fan-Paket, das meine Frau sich bestellt hat, waren – aus welchen Gründen auch immer – ein paar Samen beigelegt. Die hat sie jetzt zum Keimen auf feuchte Watte in ein paar kleine Einmachgläser gelegt. Es gibt Samen für Tomatenpflanzen, für Chilischoten und für etwas, von dem sie nicht weiß, was es ist. Wenn wir Glück haben, Hanf.
Während der ersten Corona-Welle hat meine Frau gepuzzelt, in der zweiten eine riesige Wolldecke gestrickt und jetzt also Home Gardening. Für die vierte Welle hoffe ich auf eine manische Back-Obsession.
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Was meine Frau zum Sohn sagt: „Bring‘ bitte deine Schmutzwäsche ins Bad. In einer dreiviertel Stunde ist die Maschine fertig und ich will die nächste anmachen.“
Was der Sohn versteht: „Bring‘ deine Schmutzwäsche frühestens in 44 Minuten ins Bad und unter gar keinen Umständen auch nur eine einzige Sekunde eher.“
Was der Sohn nach 44 Minuten vergisst: Die Schmutzwäsche ins Bad zu bringen.
30. März 2021, Berlin
Heute ist Tag des Spazierengehens im Park. Ich möchte das nicht. Seit einem Jahr ist Spazierengehen quasi meine einzige Freizeitbeschäftigung. In Parks, an der Spree, in Industriegebieten, in Wohnvierteln, überall. Spazieren, spazieren, spazieren. Dafür brauche ich keinen eigenen Tag.
Weitere Tage, die ich nach einem Jahr Pandemie nicht möchte:
- Auf-dem-Sofa-abhängen-und-netflixen-Tag
- Deine-Freunde-und-Familie-nicht-treffen-Tag
- Nase-aus-der-Maske-hängen-lassen-Tag
- Tag-der-Querdenker-Demos
- Morgens-Neuinfektionen-Inzidenzwert-und-R-Wert-überprüfen-Tag
- Keinen-Impftermin-bekommen-Tag
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Morgens halb sieben. Ich laufe durch den Supermarkt, um den Oster-Großeinkauf zu erledigen. (45 Jahre Lebens- und 27-Jahre Einkaufserfahrung haben mich gelehrt, das nicht erst Gründonnerstag, um 19.30 Uhr, in Angriff zu nehmen.) Ungünstigerweise gibt es bei unserem Rewe nur lächerlich kleine Einkaufswagen, die kaum mehr Fassungsvermögen haben als diese Mini-Wägelchen, mit denen Kleinkinder durch den Supermarkt cruisen und wahlweise Regale oder Erwachsene über den Haufen fahren.
Nachdem ich ein paar Tomaten, einen Beutel Äpfel und zwei Toastbrote in meinen Wagen gelegt habe, sieht er schon vollkommen überfüllt aus. So als sei ich erster Vorsitzender des Moabiter Prepper-Vereins, der seine Vorräte für die nahende Apokalypse aufstockt. Allerdings hätte ich dann wohl eher 423 Packungen Zwieback eingepackt.
31. März 2021, Berlin
Morgen hat meine Frau Geburtstag und der Sohn und ich backen gemeinsam. Einen sechsschichtigen Regenbogenkuchen mit Cheesecake-Frosting. Ich bitte den Sohn, die Farben eines Regenbogens zu googeln, damit wir nicht durcheinanderkommen. Der Sohn findet, das sei egal. „Wir können das doch machen, wie wir wollen.“
Hier prallen zwei Philosophien aufeinander, die nur schwerlich miteinander zu vereinbaren sind. Auf der einen Seite jugendliches Laissez-faire gepaart mit etwas Trägheit und einem Aktivitätslevel, der auf Energiesparen ausgerichtet ist und bei dem die Dinge eher entspannt und gechillt angegangen werden. Auf der anderen Seite die Mentalität eines mittevierzigjährigen Beamtensohns, bei dem Sachen geradezu zwanghaft vorschriftsmäßig, penibel und korrekt erledigt werden sollen.
Wir einigen uns schließlich auf einen Kompromiss: Der Sohn sucht die Regenbogenfarben raus und wir ordnen sie frei Schnauze an.
01. April 2021, Berlin
Nachdem meine Frau vor ein paar Wochen zum Abendessen Unmengen an Nudeln gekocht hat, mit der ein komplettes Radrenn-Team seinen Kalorienbedarf während der Tour de France abdecken könnte, und dabei meinen Einwand, ein Päckchen Nudeln würde vollkommen ausreichen, geflissentlich überhörte, hatte ich die Frage aufgeworfen, ob sie sich wohl zum Geburtstag über ein T-Shirt mit der Aufschrift „500g Spaghetti sind genug” freuen würde. Darauf werde ich gleich eine Antwort bekommen, denn ich habe es mir nicht nehmen lassen, ein solches T-Shirt herstellen zu lassen.
Ob sich meine Frau tatsächlich über ein Geschenk freut, weiß ich allerdings nicht immer mit Sicherheit zu sagen. Vor vielen, vielen Jahren hielt ich es für einen lustigen Aprilscherz, ihr zum Geburtstag einen selbst gebastelten Gutschein für zwei Apassionata-Karten zu schenken. (Für die, die es nicht kennen: Apassionata ist so eine Art Varieté-Show auf Pferden. Also, das schlechteste aus zwei Welten.) Als ich ihr den Gutschein überreichte, fiel sie mir voller Freude um den Hals und bedankte sich so überschwänglich, dass ich kurz dachte: „Verdammt, muss ich jetzt wirklich mit ihr zu dieser Pferdeshow gehen?” Ich schätze, ihr Aprilscherz war einfach gelungener als meiner.
02. April 2021, Berlin
Als ich beim morgendlichen Laufen eine junge Joggerin überhole, sehe ich aus dem Augenwinkel, wie sie danieder sinkt und dann in einer Pose, die wie eine Mischung aus stabiler Seitenlage und Yoga-Entspannungsfigur aussieht, ohnmächtig auf dem Weg liegenbleibt. Okay, ich musste heute früh nochmal die Laufhose von gestern anziehen , weil ich keine frisch gewaschene im Schrank hatte, aber dass ich so einen schlimmen Geruch verströme, hätte ich dann doch nicht gedacht.
Nach ein paar Sekunden ist die Frau wieder ansprechbar. Ihr sei kurz schwarz vor Augen geworden, das passiere ihr manchmal, erklärt sie peinlich berührt. Dann bedankt sie sich, dass ich angehalten habe und entschuldigt sich sogar für die Unannehmlichkeiten.
Ich erwidere, das sei doch selbstverständlich, und biete an, ein Stückchen mit ihr zu laufen, da wir ohnehin die gleiche Richtung hätten. Sie lehnt das aber entschieden und fast schon ein wenig zu vehement ab. Das sei wirklich nicht nötig. Wirklich, wirklich nicht. Wahrscheinlich mufft meine Hose doch zu streng.
03. April 2021, Berlin
Da es heute nicht regnet und ich beim Einkauf an das Holzputzmittel gedacht habe, steht unserem vorösterlichen Großputz im Wohnzimmer diesmal nichts im Wege. Verdammt.
Wir stauben Regale und Bilderrahmen ab, saugen gründlich und wischen den Boden. Sogar die Decke fegen wir ab, um die Staubfäden in den Ecken zu entfernen. Ich kann mich nicht erinnern, dass es das früher in meiner Kindheit gab. Staubfäden an den Decken. Dieses Phänomen ist mir das erste Mal aufgefallen, als ich nach Berlin gezogen bin.
Vielleicht hängt das mit den hohen Decken und der im Vergleich zum Westerwald, wo ich aufgewachsen bin, trockeneren Luft zusammen, dass sich der Staub dort oben sammelt. Noch wahrscheinlicher hat aber meine Mutter früher die Decken bei uns sauber gehalten und ich habe das einfach nicht mitbekommen. Da mich diese Ignoranz gegenüber der mütterlichen Hausarbeitstätigkeiten jedoch in keinem guten Licht erscheinen lässt, finde ich, dass meine Theorie der hohen Decken und Staub anziehenden Lufttrockenheit die plausiblere ist.
Die Fenster putzen wir auch noch. Da wir das nur einmal im Jahr machen, gibt es immer einen sehr schönen Vorher-Nachher-Effekt. Der Nachteil ist allerdings, dass du durch die frisch geputzten Scheiben immer besonders deutlich siehst, wie staubig und schmuddelig es in der Wohnung ist. Das ist im Wohnzimmer, das wir so ordentlich geputzt haben, kein Problem. Die restlichen Fenster in der Wohnung lassen wir aber lieber unangetastet.
04. April 2021, Berlin
Obwohl die Kinder schon 14 und 17 sind – beziehungsweise 14½ und fast 17½, wie sie betonen – und der Existenz des Osterhasen keinen Glauben mehr schenken, verstecken wir für sie an Osten trotzdem immer Süßigkeiten im Wohnzimmer. Zum einen, weil das ein schöner Brauch ist, zum anderen – und das ist definitiv der wichtigere Grund –, weil sie nicht immer alles finden und du dann ein paar Monate später unverhofft eine Schokoei in einer Sofaritze oder auf einem Bilderrahmen entdeckst und dann einen süßen Snack hast. Es sind die kleinen Dinge, die das Leben lebenswert machen!
Frohe Ostern allerseits!
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
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