Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
03. April 2023, Berlin
Im Juni besuchen wir die Tochter in Irland. Auf der Heimreise wollen wir noch zwei Tage in Dublin verbringen. Ich konsultiere die bekannten Hotel-Suchmaschinen und lasse mir für das zweite Juni-Wochenende Zimmer für drei Personen anzeigen. Die ersten Ergebnisse werden ausgespuckt. Irgendetwas stimmt aber nicht. Anscheinend habe ich den Filter falsch eingestellt und einen Haken gesetzt bei „Zeige mir die absolut teuersten Unterkünfte an, egal wie schäbig sie auch sein mögen.“
In dem ersten angezeigten Hotel kosten zwei Nächte 1.100 Euro. Dabei handelt es sich aber nicht um ein irisches Adlon, was den Preis erklären würde. Eher im Gegenteil. Auf den Bildern sind metallene Stockbetten zu sehen und das Interieur sieht aus wie die Kulisse eines Siechenheims in einer Charles-Dickens-Verfilmung.
Ich scrolle weiter nach unten, um in dreistellige Gefilde zu landen. Dort gibt es ein Angebot mit dem Titel „Mobilheim“. Ein Wohnmobil. Wobei der Begriff Wohnmobil einen Komfort suggeriert, der auf den Fotos nicht zu erkennen ist. Es ist mehr ein runtergekommener Camper, dessen beste Zeiten, sofern es diese überhaupt mal gab, schon viele Jahre zurückliegen. Der Wagen steht noch nicht einmal in Dublin selbst, sondern rund sechs Kilometer entfernt. Der Preis für zwei Nächte liegt trotzdem bei über 500 Euro.
Um doch noch eine einigermaßen bezahlbare Unterkunft zu finden, für die ich keine überschüssigen Organe verkaufen muss, gehe ich auf eine Hostel-Suchmaschine. Eigentlich fühle ich mich zu alt, um in Jugendherbergen zu übernachten und für 10-Betten-Schlafsäle mit Gemeinschaftsbädern bin ich zu verwöhnt. Aber in Hostels gibt es ja auch Zwei- und Dreibett-Zimmer mit eigenem Bad. Davon sind sogar noch ein paar frei. Was möglicherweise daran liegt, dass sie circa 350 Euro kosten. Pro Nacht!
Kurz überlege ich, im Darkweb illegale Aufputschmittel zu besorgen, die wir uns reinpfeifen, damit wir einfach nicht schlafen müssen. Für zwei Nächte durchmachen bin ich allerdings auch zu alt.
Schließlich finde ich ein Hotel für insgesamt 400 Euro. Das ist zwar deutlich mehr, als ich ursprünglich gedacht hatte, aber es ist zentral, die Zimmer sehen auf den Bildern ordentlich aus und für Dublin ist es ein Schnäppchen. Außerdem kann ich meine Niere behalten und muss mir keine Energy-Drinks intravenös spritzen.
04. April 2023, Berlin
Heute ist Erzähle-eine-Lüge-Tag. Außerdem muss Donald Trump heute vor Gericht erscheinen wegen einer falsch verbuchten Schweigegeld-Zahlung an eine Pornodarstellerin. Es ist bestimmt ein Zufall, dass das beides auf den gleichen Tag fällt.
05. April 2023, Berlin
Die Tochter kommt über Ostern nach Berlin. Als Sparfüchsin hat sie den ersten Flug von Dublin genommen. Der ist sehr günstig, was daran liegt, dass du da schon um circa 5 Uhr durch die Security musst und das wollen nicht so schrecklich viele. Um den Dubliner Flughafen rechtzeitig zu erreichen, musste die Tochter den Bus um 2.30 Uhr in Carlow nehmen. Dafür hat das Ticket nur 30 Euro gekostet. Also, das für den Flug. Für den Bus hat sie 25 Euro bezahlt.
Die Tochter nutzt die frühen Flüge aber nicht nur, um ihr Budget zu entlasten. (Beziehungsweise unseres, denn als gute Eltern bezahlen wir den Flug.) Sie will damit auch ihrer Flugangst ein Schnippchen zu schlagen, indem sie so müde ist, dass sie den ganzen Flug verschläft. Dafür hat sie extra mit Freund*innen durchgemacht.
Diesmal funktioniert ihre Durchmach-Schlafstrategie. Vor ein paar Monaten bei der Rückreise von Berlin zurück nach Irland ging das ziemlich in die Hose. Da hatte sie die Nacht vorher ebenfalls nicht geschlafen. Dann war der Start so holprig und der Flug so turbulent, dass sie nicht einschlafen konnte. So war sie nicht nur vollkommen übermüdet, sondern gleichzeitig höchst panisch. Nicht die allerbeste Kombination für eine entspannte Flugreise.
Als ich letztes Jahr mit der Tochter in Carlow war, um ihr bei der Zimmersuche zu helfen, hatte ich auf der Rückreise ebenfalls den 7-Uhr-Flieger genommen, in der Hoffnung, den Flug schlafend zu verbringen. Hat aber nicht geklappt, denn ich saß inmitten einer 30-köpfigen nordirischen Blaskapelle, die unterwegs zu einem bayerischen Bierfest waren. Obwohl ich kein Auge zumachen konnte, war es der mit Abstand lustigste Flug meines Lebens.
06. April 2023, Berlin
Meine Mutter hat mich beauftragt, Duschgel und Shampoo für den Sohn zu besorgen. Als Ergänzung zu den Handtüchern, die meine Eltern ihm zu Ostern schenken. Das soll kein subtiler Hinweis auf eine verbesserungswürdige Körperhygiene sein, sondern ist ein pragmatisches Geschenk, weil der Sohn so viel Sport treibt.
Nun stehe ich bei dm vor dem Regal und bin etwas überfordert. Der Sohn ist 16. Da kann ich nicht einfach ein Prinzessin-Lillifee-Duschgel oder ein Paw-Patrol-Shampoo kaufen.
Stattdessen schaue ich bei den Männer-Produkten. Die SEINZ-Eigenmarke von dm scheidet für mich aus sprachästhetischen Gründen aus. Die Axe-Produkte kommen ebenso wenig infrage. Die klingen alle, als hätte sich die Namen jemand ausgedacht, der unter Geschmacksverwirrung leidet (Green Mojito & Cedarwood, Wasabi & Fresh Line) oder ein Faible für Fetisch-Pornos hat. (Dark Temptation, Vibes, Unplugged, Leder & Cookies) Ich möchte nicht, dass meine Eltern dem Sohn ein Duschgel mit dem Namen Leder & Cookies schenken.
Das Angebot im Männer-Regal besteht fast ausschließlich aus 3-in-1-Produkte. Die kannst du für Körper, Gesicht und Haare verwenden. Ich finde das unlogisch. Körper und Gesicht sind jeweils mit Haut überzogen. Klar nimmst du da das gleiche Produkt. Das muss aber nicht extra auf die Verpackung geschrieben werden. Haare sind wiederum offensichtlich etwas anderes als Haut. Wieso solltest du die dann mit der gleichen Substanz wie deinen Körper und dein Gesicht waschen? Du polierst dein Auto ja auch nicht mit Schuhcreme.
Und warum bei 3 in 1 aufhören? 4 in 1 geht doch auch: Körper, Gesicht, Haare, Zähne. Oder 5 in 1, damit kannst du anschließend noch die Dusche putzen. Oder 6 in 1. Um auch noch hartnäckige Verstopfungen der Toilette zu bekämpfen.
Ich entscheide mich schließlich für ein Ice-Dive- Duschgel, das nicht zu maskulin riecht. Schließlich soll der Sohn nicht den Duft toxischer Männlichkeit verströmen. Und wir müssen nicht den Tisch mit jemandem teilen, der wie ein Moschusochse riecht.
Das Ice-Dive-Duschgel soll außerdem erfrischend sein. Ein weiteres gutes Kaufargument. Darüber hinaus ist es laut Etikett aquatisch, weil es Meeresextrakt enthält, was immer das sein mag. Vielleicht gibt die Duschgel-Flasche im Gegenzug später Mikroplastik-Partikel an das Meer zurück. Für die Ozeane und deren Bewohner*innen wäre das eine ziemliche Lose-lose-Situation.
07. April 2023, Berlin
Karfreitag. Der gilt als stiller Feiertag, an dem in Deutschland Tanzverbot herrscht. Ob das in Berlin eingehalten wird, wage ich zu bezweifeln. Mir ist das ohnehin egal, denn ich tanze auch den Rest des Jahres so gut wie nie.
Dafür gehe ich heute laufen. 20 Kilometer. Am Hohenzollernkanal. Um das karfreitägliche Ruhegebot einzuhalten, atme ich so leise wie möglich und versuche geräuschlos aufzutreten.
Auf dem Rückweg sehe ich in der Ferne einen Hund den Weg entlang trotten. Er ist relativ groß, ungefähr hüfthoch. Ein Herrchen oder Frauchen ist weit und breit nicht zu sehen. Das finde ich nur mäßig erquicklich. Wenn dich so ein großer Hund sieht, fällt ihm vielleicht ein, dass er heute noch nicht gefrühstückt hat und er das gleich an Ort und Stelle nachholen könnte. Da wäre es schon schön, wenn jemand da wäre, der ihn davon abhält.
Der Hund hat ein bemerkenswert weißes Fell und einen sehr dicken Po. Das sage ich nicht, um ihn zu fatshamen, sondern sein Hinterteil ist objektiv betrachtet wirklich von enormer Größe. Geradezu gigantisch. Dafür sind seine Beine sehr dünn und sein Kopf relativ klein, der Hals dagegen recht lang. Anatomisch sehr ungewöhnlich für einen Hund. Was daran liegt, dass es gar kein Hund ist, wie ich feststelle, als ich näherkomme. Sondern ein Schwan. Das ist noch unerquicklicher als einem herrenlosen großen Hund zu begegnen. Wenn dich so ein furchteinflößend großer Schwan sieht, fällt ihm vielleicht ein, dass er heute noch niemandem aufs Maul gehauen hat und er das gleich an Ort und Stelle nachholen könnte.
Was macht der Schwan überhaupt hier auf dem Weg? Das ist doch mein Tanzbereich und sein Tanzbereich ist im Kanal. Wobei wir heute ja gar nicht tanzen dürfen. (Siehe oben)
Ich laufe möglichst weit links an dem Schwan vorbei, außerhalb seiner Halsreichweite. Was dem Szenario allerdings ein wenig die Bedrohlichkeit nimmt, ist der Gang des Schwans. Im Wasser zeichnet sich die Fortbewegung von Schwänen durch majestätische Eleganz aus. An Land nicht so sehr. Der Schwan watschelt ziemlich würdelos wie eine Mischung aus einem Clown mit viel zu großen Schuhen und einem betrunkenen Matrosen, der sich die ein oder andere Flasche Rum reingelötet hat. So kritisch wie der Schwan mich anschaut, scheint er mich und meinen Laufstil auch nicht für ein Musterbeispiel an Ästhetik und Grazie zu halten. Wenigstens attackiert er mich nicht, sondern lässt mich unbehelligt weiterlaufen. Wahrscheinlich bin ich für ihn nicht satisfaktionsfähig.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)