Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
11. April 2022, Berlin
Die Käsenamen-Kreativen im Bio-Supermarkt haben wieder zugeschlagen. Neben dem wilden Bernd und der leichten Hilde gibt es nun auch noch einen urigen Hannes. Laut Etikett handelt es sich um einen Schnittkäse, der rotgeschmiert und mit einer Mischung aus Blaubeeren, Schabziger Klee, Brennnesseln und Petersilie affiniert ist. Liest sich, als wäre jemand besoffen durch den Garten gestolpert und hätte wahllos irgendwelches Grünzeug rausgerupft, mit dem er dann den Käse versetzt hat.
Mir tut der Käse ein bisschen leid. Zuerst wird er rotgeschmiert und affiniert – was auch immer das ist – und dann raucht irgendein Marketing-Fred den Rest der Blaubeeren-Schabziger-Klee-Brennnessel-Petersilien-Mischung und denkt sich: „Mensch, dich nenn‘ ich uriger Hans!“
Wenn du uriger Hannes heißt, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass du an der Käsetheke gemobbt wirst. Sowohl von den anderen Käsesorten als auch den Kund*innen. Oder ist der urige Hans in der Käsewelt eine Art Holzmichl und die anderen Käsesorten fragen sich, ob er noch lebt?
Gedanken und Fragen am Montagmorgen, die den Eindruck erwecken, dass ich a) zu viel Zeit habe und b) selbst von der Blaubeeren-Schabziger-Klee-Brennnessel-Petersilien-Mischung geraucht habe. Die anderen Menschen an der Käsetheke werden langsam unruhig. Ich entscheide mich für einen namenlosen Cheddar und ziehe weiter.
12. April 2022, Berlin
Unschöne Nachricht am Morgen. Nach fast zweieinhalb Jahren Pandemie hat es uns erwischt: Der Test des Sohns zeigt nicht sehr fett, aber unverkennbar einen zweiten Streifen an. Welcome to Corona! Als vorbildlicher Schüler hat er sich dafür die Osterferien ausgesucht.
So richtig günstig ist das allerdings nicht, denn eigentlich wollten wir übermorgen in den Westerwald fahren, meine Eltern besuchen. Und am Montagabend sah unsere Osterferienplanung vor, mit dem Nachtzug nach Stockholm zur Tochter zu fahren. Mal schauen, ob der Sohn bis dahin genesen ist. Wird eher ein enges Höschen.
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Abgesehen von ein bisschen Husten und Schnupfen geht es dem Sohn gut. Er sitzt einfach den ganzen Tag in seinem Zimmer und schaut Netflix. Also alles wie immer.
Nach ein paar Stunden schreibt er uns allerdings, ihm sei langweilig. Er würde gerne mal raus an die frische Luft gehen. Anscheinend ist er doch richtig krank.
13. April 2022, Berlin
Neues Kooperationsangebot für den Blog. Die Leiterin eines Münchner Hair Studios bietet mir einen Gastbeitrag an. Sie sei Ansprechpartnerin für Haare und Friseursalons und verfüge über Expertenwissen zu Haarfärbetechniken, Hair Extensions und Frisurentrends sowie zu Mitarbeiterführung und Geschäftsabläufen in Friseurgeschäften.
Da ich immer mal wieder von meinen Friseurbesuchen berichte, hält mich die gute Dame anscheinend fälschlicherweise für einen Hair-Influencer. Da muss ich sie aber leider enttäuschen. Mein Interesse am Coiffeur-Business ist sehr begrenzt. Daher ignoriere ich das Kooperationsangebot und lösche die Mail. Genauso wie die drei weiteren Nachrichten, die mir die Frau bis zum Ende der Woche schickt. In denen äußert sie Verständnis, dass ich sicherlich sehr, sehr beschäftigt sei und deswegen noch nicht antworten konnte. Auch das ist eine spektakuläre Fehleinschätzung ihrerseits.
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Dem Sohn geht es immer noch gut. Seine Corona-Erkrankung ist alles in allem wie eine nicht allzu starke Erkältung. (Hört sich ein bisschen an, als wäre ich 1. Vorsitzender der Querdeppen-Front Moabit e.V.) Trotzdem darf er sein Zimmer nicht verlassen und verbringt den ganzen Tag im Bett. Vielleicht sollten wir ihm alle zwei Stunden eine Nachricht schicken, dass er sich mal umdreht. Nicht, dass er sich noch wund liegt.
14. April 2022, Berlin
In meiner Inbox landet eine Mail von Valerii Fedorovich Zalushnyi. Der Betreff lautet „Ich muss Ihnen etwas sehr wichtiges mitteilen“, die Nachricht selbst enthält nur den Satz: „Antworten Sie sofort per E-Mail“ und dazu die Adresse, die ich kontaktieren soll.
Einerseits weiß ich selbstverständlich, dass das irgendeine Art von Scam ist. Andererseits ist meine Neugier geweckt. Was hat der gute Valerii mir so Wichtiges mitzuteilen, dass er nicht einmal Zeit für Anrede und Abschlussformel hat? Wenn ich ihm antworte, könnte das der Beginn einer spektakulären Agenten-Story sein, bei der ich die Welt vor einer nuklearen Katastrophe rette. Neben dem Weltrettungseffekt wäre das auch guter Stoff für die Wochenschau und ich müsste nicht andauernd von Abendspaziergängen und Erlebnissen aus dem Supermarkt erzählen. Oder Valerii ist todkrank, hat keine Verwandten und will mir 67 Milliarden Euro vererben. Das wäre ebenfalls schön, denn dann könnte ich jemanden anstellen, der für mich die Wochenschau schreibt.
Ich beschließe, die Mail trotzdem nicht sofort zu beantworten, lösche sie aber auch nicht direkt. Du weißt nie, wann ein Kontakt zu Valerii Fedorovich Zalushnyi mal nützlich sein kann.
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Auch an Tag 3 seiner Corona-Infektion hat der Sohn weiterhin nur leichte Erkältungssymptome. Für meine Frau und mich wird seine Isolation allmählich ziemlich anstrengend, denn wir müssen ihn mit Essen versorgen. Bei einem dauerhungrigen Teenager ist das fast ein Fulltime-Job. In regelmäßigen Abständen ruft er bei uns an und gibt seine Essenswünsche durch, die wir ihm dann zubereiten und ans Zimmer bringen. Für das perfekte Downton-Abbey-Feeling fehlt im eigentlich nur ein Glöckchen, mit dem er uns zu sich zitieren könnte. (Und mein Aufzug stört das Downton-Abbey-Feeling ein wenig. Ich glaube, es war damals eher unüblich, dass der Butler Jogginghosen trug.)
Ein bisschen unangenehm ist es dem Sohn aber doch, dass wir ihn die ganze Zeit bedienen müssen. Deswegen hat er sich zum Abendessen einen Döner liefern lassen. Er bittet uns lediglich, die Bestellung entgegenzunehmen. Und das Trinkgeld für den Lieferando-Mann mögen wir nicht vergessen. Sehr wohl, Mylord.
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Heute ist Gründonnerstag. Da gab es bei uns früher immer Spinat und Rührei. Keine Ahnung, warum. So weit ich weiß, hat Jesus beim letzten Abendmahl keinen Spinat gegessen. Würde ich auch nicht, wenn ich wüsste, dass ich am nächsten Tag gekreuzigt werde. Wobei er mit ungesäuertem Brot auch nicht gerade eine besonders erquickliche Henkersmahlzeit gewählt hat. Aber das mit dem Wein trinken scheint mir eine gute Idee gewesen zu sein.
Wir essen zum Abendbrot heute keinen Spinat, sondern Stullen. Eine belegen wir mit Gurke. Die ist ja auch grün.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
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