Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
08. April 2024, Berlin
Kontaktanzeigen in Das Magazin. Normalerweise betonen die Menschen in den Anzeigen, dass sie kulturell interessiert sind, gerne an die frische Luft gehen, Humor haben und tiefgründige Gespräche führen möchten.
Diesmal ist alles anders:
- Zwei Annoncierende äußern unverhohlenes Interesse an sexuellen Affären. Oder wie einer der beiden es nennt: „Zweitbeziehungen“. Vielleicht schreiben sie sich gegenseitig an. Fände ich schön.
- In einer Anzeige heißt es schlicht: „Junge Alte sucht alten Jungen im Raum Berlin oder an der Ostsee.“ Sonst nichts. Die Definition von Alt und Jung bleibt ebenso offen wie das, was die junge Alte mit dem alten Jungen in Berlin oder an der Ostsee vorhat.
- Ein 61-jähriges „unperfektes Apfel-Weib“ sucht einen bewegten Mann für die schönen Momente. Vielleicht sollte ihr jemand sagen, dass es in dem Film „Der bewegte Mann“ in erster Linie um homosexuelle Männer geht. Dafür endet die Anzeige mit dem wunderbaren Satz: „Und manchmal bin ich müde.“ Das ist ehrlich, da wird kein Aktionismus vorgegaukelt, sondern die Dame gibt offen zu, dass sie manchmal kein Bock auf Spaziergänge, Unterhaltungen oder Kulturgedöns hat, weil sie lieber schlafen will. Toll.
09. April 2024, Berlin
Zeugnisessen im Café-Extrablatt. Mir kommt es vor, als sei das letzte Zeugnisessen erst zwei Monate her. Was daran liegt, dass es tatsächlich erst zwei Monate her ist. Bevor die Abiturient*innen ihre Abschlussklausuren schreiben können, brauchen sie noch ihre Zeugnisse für das 12/2-Halbjahr.
Das Zeugnis des Sohns ist ganz gut ausgefallen. Zumindest in den Kursen, die er einbringen muss. Er hat vier Fehltage, aber alle entschuldigt. Ich kann mich nicht erinnern, eine einzige Entschuldigung im letzten Halbjahr geschrieben zu haben, möchte aber beim letzten Schulzeugnis seines Lebens nicht kleinlich sein.
Der Sohn erzählt, er sei nun kein Schüler mehr, sondern Kandidat. Hätte der pädagogische Koordinator heute gesagt. Kandidat hört sich merkwürdig an. Als strebe der Sohn ein politisches Amt an. Oder nähme an einer Quiz-Show teil. Das hat zumindest gewisse Ähnlichkeiten mit den Abiturprüfungen.
Unser Kellner ist sehr freundlich. Wirklich sehr freundlich. Für meinen Geschmack etwas zu freundlich. Wir sind hier schließlich immer noch in Berlin und nicht in den USA. Überlege, ihm zehn Euro Trinkgeld zu versprechen, wenn er nicht ganz so freundlich ist. Oder 20, wenn er unseren Tisch mit seiner Kollegin tauscht. Meine Frau findet, das wäre gemein. Da hat sie wohl recht.
Für meine Frau und mich endet heute eine Ära. Das letzte Zeugnisessen mit einem unserer Kinder. Nie wieder Burger mit Süßkartoffelpommes, nie wieder Mozarella-Sticks und Pizzabrötchen, nie wieder Getränke aus unfassbar großen Gläsern. Wir sind ein wenig wehmütig. Müssen wir aber gar nicht sein. Wir können ins Café Extrablatt gehen, wann immer wir wollen. Vielleicht machen wir das einfach an zukünftigen Zeugnistagen. Um zu feiern, dass unsere Kinder nicht mehr zur Schule gehen. Und wir nicht mehr zu Elternabenden müssen.
10. April 2024, Berlin
Meine Brille fällt von der Waschmaschine und bricht am Steg entzwei. Scherben bringen angeblich Glück, zerbrochene Brillen eher nicht.
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Tierische Begegnungen beim Laufen:
- Ein Schwan landet auf der Spree.
- Ein Eichhörnchen klettert einen Baum hoch.
- Eine Ratte kreuzt meinen Weg. (Oder eine beängstigend große Maus.)
- Ein Reiher stakst am Ufer entlang (Oder ein Kranich? Keine Ahnung. Auf jeden Fall kein Schwan.)
- Ein Fuchs schaut genervt, weil ich zu nahe an ihm vorbeilaufe.
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Großer Spiegel-Online-Artikel über Lufthansa-Chef Carsten Spohr: „Freund der Aktionäre, Schrecken der Fluggäste.“
Ich fliege so gut wie nie, besitze aber eine Lufthansa-Aktie. Somit ist Carsten Spohr mein Freund. Zumindest laut Spiegel Online.
Die einzelne Lufthansa-Aktie habe ich, seit ich zehn bin. Hatte ich mir zu Weihnachten gewünscht. Vor allem wollte ich die physische Aktie besitzen. Meine Eltern und vor allem ein Angestellter der Kreissparkasse Westerburg setzten sämtliche Hebel und Himmel und Hölle in Bewegung, um an eine ausgedruckte Aktie zu kommen. Die hing dann sehr lange gerahmt über meiner Zimmertür.
In einer guten Geschichte wäre das der Startschuss einer erfolgreichen Trader-Karriere. War es aber nicht, denn das Leben ist selten eine gute Geschichte.
11. April 2024, Berlin
Meine Brille ist bis morgen bei der Reparatur. So lange trage ich meine alte Brille. Die hat inzwischen ein halbes Dioptrien zu viel. In die Ferne schauen ist okay, Lesen dagegen schwierig. Internet-Seiten muss ich auf 150 Prozent vergrößern, WhatsApp Nachrichten in Word in Schriftgröße 18 kopieren, Kleingedrucktes abfotografieren und großzoomen und auf dem E-Reader die Schrift so riesig einstellen, dass nur 20 Wörter aufs Display passen. Schöner Ausblick, wie es im Alter sein wird.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)