Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
01. Mai 2023, Berlin
Tag der Arbeit. Meine Frau und ich nutzen den arbeitsfreien Tag, um Wandern zu üben. Hört sich komisch an und ist es auch. Aber nicht im Sinne von lustig, sondern wie bei merkwürdigen Sonderlingen. Anfang Juni besuchen wir die Tochter in Irland und haben eine Wanderung entlang des Dingle Ways geplant. Vier Tage hintereinander müssen wir zwischen 17 und 25 Kilometern zurücklegen.
Weil wir noch nie einen Wanderurlaub gemacht haben – was unter anderem daran liegt, dass ich die Kombination der Worte Wandern und Urlaub befremdlich finde –, hielten wir es für eine gute Idee, das vorher auszuprobieren. Schließlich wollen wir nicht am ersten Tag zwei Kilometer hinter Camp feststellen: „Puh, diese Wanderei ist viel zu anstrengend. Lass’ mal zum nächsten B&B trampen.“
Wobei ich das nicht glaube. Ich laufe sehr viel und gehe regelmäßig spazieren. Da traue ich mir diese Umfänge durchaus zu. (Sogar locker, aber das möchte ich lieber nicht laut sagen, falls ich mich irre.)
Prinzipiell sind Spazieren, Laufen und Wandern alles die gleiche Art der Fortbewegung. Auf den Füßen. Vielleicht täusche ich mich jedoch – das passiert mir relativ häufig –, es gibt doch gravierende Unterschiede und es werden jeweils andere Muskelgruppen in den Beinen angesprochen. Das klingt recht schlüssig, denn sonst bräuchte es ja keine eigenen Bezeichnungen dafür und das könnte alles Gehen heißen.
Oder ich habe doch recht – nicht oft, aber gelegentlich kommt das schon mal vor – und es handelt sich doch um nur leichte Abwandlungen des Gehens:
- Spazieren: zielloses, langsames Gehen in der Stadt oder im Wald in normalen Alltags-Klamotten zum Zeitvertreib
- Laufen: flottes bis schnelles Gehen in Sportkleidung mit dem Ziel der Leibesertüchtigung
- Wandern: zügiges bis strammes Gehen durch die Landschaft, um von einem Ort zum anderen zu gelangen, wobei praktische, aber ästhetisch fragwürdige Funktionskleidung getragen wird
Unsere Übungswanderung führt uns an einer meiner Laufstrecken, dem Hohenzollernkanal, entlang. In den letzten Wochen hatte ich diesen gemieden, um die Schwäne, die dort am Wegesrand ihr Nest gebaut haben, nicht bei der Brut zu stören. (Und um nicht von Herrn Schwan, der auf dem Weg Wache hält, vermöbelt zu werden.)
Als wir an besagter Stelle vorbeikommen, sehe ich von Weitem ein älteres Paar. Die beiden scheinen weniger ängstlich zu sein, was eine zu geringe Nähe zu dem Nistplatz und die damit möglicherweise verbundenen Konsequenzen angeht. Sie stehen ungefähr anderthalb Meter von dem Nest entfernt und füttern die Schwäne. Mit Weißbrot und Dosenmais.
Nun bin ich kein Schwanen-Experte und kenne mich mit Wasservögeln generell nicht besonders gut aus. Und mit „nicht besonders gut“ meine ich überhaupt nicht. Trotzdem bin ich mir relativ sicher, dass Baguette und Mais aus der Dose kein adäquates Futter für Schwäne sind. (Wahrscheinlich auch nicht für andere Tiere und auch nur bedingt für Menschen.)
Die Schwäne stören sich aber weder daran, dass das Paar in ihre Privat- beziehungsweise Brutsphäre eingedrungen ist, noch an der Art des diätischen Angebots. Im Gegenteil. Sie hauen ordentlich rein und tuen sich an Brot und Mais gütlich.
Uns schaut Herr Schwan dagegen ziemlich kritisch an, als wir an ihm vorbeigehen. Entweder will er uns klarmachen, dass dies sein Essen ist und wir gar nicht daran denken sollen, uns dem Mais zu nähern, oder ihm missfällt, dass wir keinen Wegezoll dabeihaben. Wahrscheinlich beides.
Auch ohne Proviant bei den Schwänen zu mopsen, schaffen wir unsere 17-Kilometer-Probewanderungen. Vielleicht ist Wandern doch nur ein anderes Wort für Spazierengehen.
02. Mai 2023, Berlin
Heute ist Tag des Babys. Wer diesen Tag initiiert hat, kann ich auch durch eine 60-sekündige Online-Recherche nicht herausfinden. Wahrscheinlich die International Baby Association. Von der gibt es aber keine schriftlichen Aufzeichnungen und auch keine Webseite. Sind ja Babys und die können weder schreiben noch HTML programmieren. (Werden Webseiten überhaupt noch in HTML programmiert? Egal.) Und für Social-Media-Kanäle sind sie noch zu jung, denn für einen Account bei Tik-Tok, Instagram, Snapchat und Co. musst du mindestens 14 sein. Jahre, nicht Wochen.
Eltern mit frischem Nachwuchs fragen sich bestimmt ohnehin, warum ausgerechnet der 2. Mai Tag des Babys ist. Wenn du ein Baby hast, ist jeder Tag Tag des Babys und zwar rund um die Uhr. Babys sagen morgen bestimmt nicht: „Ach, heute ist der 3. Mai, da ist ja gar nicht mehr Tag des Babys. Dann musst du mich nicht füttern und wickeln.“
Nein, ein Baby fordert auch am 3. Mai und an jedem anderen Tag des Jahres maximale Aufmerksamkeit ein und brüllt nachts, als sei es vom Leibhaftigen besessen, wenn es nicht innerhalb von 0,00418 Nanosekunden etwas zu essen bekommt.
03. Mai 2023, Berlin
Der 3. Mai ist Tag der Sonne. Wäre nett, wenn sie sich an ihrem Ehrentag blicken lässt. Hoffentlich ist sie nicht wie ich, hasst ihren Geburtstag, ignoriert den ganzen Tag sämtliche Telefonanrufe und ghostet alle.
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An der Supermarktkasse fragt mich der Kassierer etwas unvermittelt, ob ich derjenige mit den fünf Euro sei. Ich bin verwirrt. Frage zurück, ob jemand noch fünf Euro bezahlen müsste oder aber fünf Euro zurückbekäme. Darauf entgegnet er, das würde er mir nicht sagen, denn falls jemand fünf Euro bekäme, würde ich vielleicht behaupten, ich sei dieser jemand. Mist, auf die Idee bin ich gar nicht gekommen.
Während er das sagt, verzieht der Kassierer keine Miene. Anscheinend meint er das ernst. Ich sehe wohl verschlagener aus, als ich bin.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)