Eine kleine Wochenschau | KW19-2023 (Teil 2)

Teil 1


11. Mai 2023, Berlin

Heute ist Iss-was-du-willst-Tag. Und morgen der Steige-auf-keinen-Fall-auf-die-Waage-Tag.

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Die jährliche Vorsorgeuntersuchung beim Urologen steht an. Nicht gerade der schönste Termin des Jahres, aber was muss, das muss. Besser sich einmal alle zwölf Monate den Finger in den Po stecken und den Hoden kraulen lassen, als irgendwann unnötig an Krebs zu sterben, weil er nicht rechtzeitig entdeckt wurde.

Vor dem Urologen-Termin bin ich immer etwas nervös. Als eher schamhafter Mensch entkleide ich mich nur ungern vor anderen Menschen. Außerdem befürchte ich, ich hätte mich nicht gründlich genug gewaschen und könnte untenrum streng riechen. Das wäre sehr unangenehm. Vor allem für den Urologen.

Wegen der Aufregung schwitze ich stärker als gewöhnlich. Deswegen habe ich noch mehr Angst, im Schritt zu müffeln. Das signalisiert meinen Schweißdrüsen wiederum, nochmal richtig Gas zu geben. Es ist ein Teufelskreis aus Schweiß und Angst.

Die Untersuchung geht dann ganz schnell. Quasi rein raus. Ich verdränge den Gedanken, der Arzt hat sich besonders beeilt, weil ich wie ein Puma gestunken habe.

Anschließend muss ich ins Laborzimmer zur Blutabnahme. Eine äußerst attraktive Arzthelferin begrüßt mich und fragt, ob ich für den PSA-Test bereits bezahlt hätte. Ich verneine. Die Schlange am Tresen wäre so lang gewesen, aber ich würde das anschließend sofort erledigen.

Sie ermahnt mich, das ja nicht zu vergessen. Sonst käme sie persönlich zu mir nach Hause, um das Geld einzutreiben. Ich kann mir gerade noch ein unangenehm onkelhaftes „Ach, das wäre doch ganz nett” verkneifen. Anscheinend hat der Urologe beim Abtasten der Prostata einen schmierlappigen Boomer in mir geweckt.

Nachdem sie die Kanüle aus meiner Vene gezogen hat, fragt mich die junge Frau, ob ich Blutverdünner nähme. „Nein“, erwidere ich. „Aber meine Frau.“ Eine Information so irrelevant, als hätte ich ihr gerade mitgeteilt, dass ich früher ein Zwergkaninchen namens Hasi als Haustier hatte. (Was auch nicht stimmt, denn meine Eltern fuhren eine strikte No-Haustier-Policy.)

Die Arzthelferin schaut mich etwas irritiert an. Schließlich sagt sie: „Gut, dann lege ich ihrer Frau einen Druckverband an, wenn ich ihr mal Blut abnehme.“ Dabei klebt sie mir ein Pflaster auf die winzige Einstichstelle an meinem Arm.

Ich verabschiede mich und bezahle am Tresen die Blutabnahme und den Test. Nach dem „Meine Frau nimmt Blutverdünner“-Unfug käme die Arzthelferin sowieso nicht mehr bei mir vorbei, um die Laborschulden einzufordern. Mein innerer Boomer macht ein trauriges Gesicht.

Wen auch immer es betrifft: Gehen Sie regelmäßig zur Hoden- und Prostatakrebsvorsorge. Die Untersuchung ist gar nicht so schlimm und kann Leben retten. Ihr eigenes.

12. Mai 2023, Berlin

Heute hat die Nachbarin aus dem Hinterhof nicht nur morgens geduscht, sondern nachmittags gleich nochmal. Langsam ist das mit der nachbarlichen Duscherei wirklich unangenehm. Möglicherweise sollte ich im Arbeitszimmer auch Milchglas-Fenster einbauen lassen, damit ich der Nachbarin nicht immer beim Duschen zusehen muss.

Aber vielleicht hat sie sie zweimal am Tag geduscht, weil sie weiß, dass ich sie dabei sehen kann, und ihr gefällt das. Weil sie irgendeinen voyeuristischen Exhibitionisten-Fetisch hat. Zumindest hält mein innerer Boomer das für möglich. Ich sollte ihn besser zum Schweigen bringen. Am besten mit einer kalten Dusche. Mein innerer Boomer ist nicht begeistert und sagt: „Aber nicht zu kalt. Du weißt schon, falls die Nachbarin zuschaut.“

13. Mai 2023, Berlin

Wache um kurz vor vier auf. Draußen vor unserem Schlafzimmer findet ein Heidenspektakel statt. Aber nicht von Autos, die durch die Straße rasen, oder durch Tourist*innen, die nach einer durchgefeierten Nacht ins nahegelegene Hostel zurückkehren. Nein, es sind Krähen, die diesen Lärm veranstalten. Sehr laut, sehr ausdauernd und sehr nervig. Frage mich, ob die Krähen gerade von einer Party zurückkommen und besoffen randalieren, oder ob sie auf dem Weg zur Frühschicht sind und sich denken, wenn wir wach sein müssen, muss der Christian auch nicht mehr schlafen.

Nach einer guten Stunde hört das Gekrächze endlich auf. Dafür fangen die Tauben mit ihrem Balzgegurre an. Auch hier stellt sich die Frage, ob die Tauben um die Häuser gezogen sind und ihnen ist jetzt vor dem Schlafen noch nach einem Sexhupferl. Oder sind sie gerade aufgewacht und wollen das Wochenende mit ein bisschen Morgensex einleiten? Anscheinend gibt es aber keine Beischlaf-Interessentinnen und die Tauberiche gurren über eine Stunde lang mit einer gleichermaßen ausdauernden wie penetranten Lautstärke.

Stehe um kurz vor sechs auf, mache mir einen Kaffee und setze mich im Wohnzimmer aufs Sofa, um ihn ganz in Ruhe zu trinken. Das funktioniert für 30 Sekunden. Dann fliegt eine Biene durch die geöffneten Balkontür und brummt lärmend durchs Zimmer, was einen entspannten Kaffeekonsum unmöglich macht.

Ich verstehe das nicht. Meine Frau hat erst kürzlich den Balkon mit verschiedenen Blumen frisch bepflanzt. Das heißt, die Biene könnte draußen ganz gemütlich frühstücken. Aber nein, sie muss vor unserem Bücherregal auf- und abfliegen, sich 20 Jahre alte Reiseführer aus London, der Bretagne und Dänemark anschauen und dabei mehr Lärm machen als ein Formel-1-Bolide auf dem Nürburgring.

Da lebst du schon in der Großstadt und musst dich trotzdem von Krähen, Tauben und Insekten terrorisieren lassen. Schönen Dank auch.

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Heute ist Tag des Apfelkuchens. Prinzipiell ein begrüßenswerter Ehrentag. Der aber nutzlos ist, wenn du keinen Apfelkuchen hast. Oder sonst irgendeinen Kuchen. Kekse gingen notfalls auch. Oder Schokolade. Oder irgendwelche kurzkettigen Kohlehydrate, die direkt ins zerebrale Belohnungszentrum ballern.

14. Mai 2023, Berlin

Heute ist Muttertag. Und unser Hochzeitstag. Gleich zwei Tage, die wir nicht groß feiern. Außer dass wir abends etwas Leckeres kochen. Aber das machen wir häufig sonntags. Ganz unabhängig von Mutter- und Hochzeitstagen. Und wir trinken einen Gin Tonic. Dazu sind wir auch nicht auf mütter- oder eheliche Ehrentage angewiesen.

Wie dem auch sei. Ein Prost auf unsere Mütter und auf uns.


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