Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
16. Mai 2022, Berlin
Anscheinend bin ich geistig noch nicht darauf eingestellt, dass es Mitte Mai ist und die Temperaturen morgens bereits zweistellig sein können. In der Sonne auch gerne deutlich mehr als 20 Grad. Anders kann ich mir nicht erklären, warum ich heute früh dachte, ich müsse auf meiner Einkaufstour nicht nur einen Kapuzenpulli tragen, sondern auch noch eine Jacke anziehen. Nun schwitze ich auf dem Weg zum Supermarkt, als würde ich in einer finnischen Dampfsauna auf einem Laufband einen Ultramarathon laufen. (Keine Ahnung, was ein Laufband in einer finnischen Dampfsauna macht, aber wenn sich schon jemand die Mühe gemacht hat, es dort aufzustellen, wäre es unhöflich, das Laufband nicht zu benutzen.)
Meine Schweißdrüsen arbeiten auf Übersoll-Produktion und mir läuft der Schweiß monsunartig die Stirn hinunter. (Ganz lieben Dank an meine Augenbrauen, die sich den Transpirations-Niagarafällen entgegenstemmen und verhindern, dass sie ungebremst in meine Augen fließen.) Gleichzeitig merke ich, wie ein dünnes Schweiß-Rinnsal meinen Rücken hinunter läuft geradewegs in Richtung sie-wissen-schon-wohin. Es ist alles ganz wunderbar.
Ein Gutes hat meine unpassende Klamottenwahl aber auch: So stark wie ich schwitze, denken die anderen Menschen im Supermarkt, ich würde eine neue, todbringende Coronavirus-Variante in mir tragen, und sie halten gebührend Abstand von mir.
17. Mai 2022, Berlin
Laufe auf meiner morgendlichen Joggingrunde einen kleinen Anstieg hoch. Eine Frau mit Kinderwagen kommt mir entgegen. In dem stylishen Wagen liegt ein knapp einjähriges Baby in aerodynamisch optimaler Position ganz flach auf dem Rücken, die Füße zeigen nach vorne in Fahrtrichtung. Seine Ärmchen presst es so eng wie möglich an seinen kleinen Körper, um auch hier dem Wind keinen Widerstand zu bieten. Sein Köpfchen hebt es nur leicht an, so dass das Kinn auf seiner Brust ruht und es verfolgen kann, wo es lang fährt. Sieht ein bisschen aus wie ein Baby-Rennrodler, das durch den Eiskanal düst. Wahrscheinlich fing Georg Hackls Karriere so an.
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Der Sohn bringt nachmittags mal wieder eine gute und eine nicht so gute Nachricht mit nach Hause. Die nicht so gute: Sie haben Latein zurück und er hat eine 4+. Die gute: Die nächste Klausur wird wahrscheinlich durch eine Projektarbeit ersetzt und er muss dann nie mehr in seinem Leben eine Lateinarbeit schreiben. Ob der Lateinlehrer wohl weiß, was für eine Riesenfreude er dem Sohn damit bereiten würde?
18. Mai 2022, Berlin
Heute ist Kein-schmutziges-Geschirr-Tag. Ein Ehrentag, der definitiv nicht im Zimmer des Sohns begangen wird. Aber das hat auch sein Gutes. Wenn der Sohn nämlich alle benutzten Teller, Müslischalen, Töpfe und Gläser aus seinem Zimmer in die Küche bringt – ein Ereignis, das ungefähr so häufig wie eine totale Sonnenfinsternis vorkommt –, haben wir anschließend nicht genügend Platz in unseren Küchenschränken, um das ganze Geschirr zu verstauen.
19. Mai 2022, Berlin
Meine Lernkurve, was die richtige Klamottenwahl angeht, scheint ziemlich flach zu sein. Um ehrlich zu sein, leicht abschüssig. Schon wieder gehe ich in schwarzer Jogginghose, schwarzem Kapuzenpulli und schwarzer Jacke einkaufen und laufe wie eine menschgewordene Schweiß-Skulptur durch die Supermarktgänge. Ich schwitze so stark, dass ich Angst habe, gleich könnte ein Van des Instituts der Tropenmedizin der Charité mit quietschenden Reifen vor dem Supermarkt halten, vier muskelbepackte Hulks springen raus und rennen in den Laden, um mich in Zwangsquarantäne zu nehmen. (So dehydriert wie ich bin, bräuchte es dazu gar keine vier Muskelmänner. Ein Schachspieler würde schon reichen.)
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An der Käsetheke gibt es schon wieder eine neue Sorte: Glücksklee-Käse. Wer kommt bitte schön auf die Idee, Klee in Käse zu mischen? (Wahrscheinlich die gleichen Menschen, die Käse mit Blaubeeren, Brennnesseln und Petersilie versetzen und dann uriger Hannes nennen.)
Und warum ausgerechnet Glücksklee? Ich bin 46 und habe vielleicht zwei-bis dreimal in meinem Leben ein vierblättriges Kleeblatt gefunden. Das dauert doch ewig, bis du da genügend Klee für deinen Käse hast.
Okay, ich lebe schon seit mehr als 20 Jahren in Berlin, da gibt es nicht so wahnsinnig viel Klee. Außerdem habe ich wahrscheinlich mit acht das letzte Mal auf einer Wiese vierblättrige Kleeblätter gesucht. Folglich ist meine Evidenz bezüglich des Vorkommens von vierblättrigen Kleeblättern eher anekdotischer Natur und ist nicht wissenschaftlich abgesichert. Trotzdem glaube ich, dass sich die Käse-Leute das Leben unnötig schwer machen, wenn sie unbedingt Glücksklee in ihren Käse packen wollen. Das geht doch viel leichter. Einfach normalen Klee nehmen. Oder gar keinen.
Terminhinweis in eigener Sache
Ich habe die große Ehre und darf am 23. Mai bei der phantastischen Lesebühne Fuchs & Söhne lesen. Gemeinsam mit Kirsten Fuchs, Tilman Birr, Sebastian Lehmann und Paul Bokowski und der Gast-Leserin Jacinta Nandi von der Lesebühne Rakete2000. Im Grips-Theater. Um 19.30 Uhr. Falls Sie in Berlin leben, kommen Sie doch vorbei. Das wird bestimmt lustig. Zumindest während Kirsten, Tilman, Sebastian und Paul lesen.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Es war wieder mal eine Freude zu lesen. Der Urige Hannes ist wirklich gut. Für seinen Namen kann er ja nix. Und das Kind liebt den Grienkenschmied. Das ist ja noch ein ganz anderes Fass…