19. Mai 2023, Berlin
Neben dm hat ein neuer Döner-Laden aufgemacht. Als Eröffnungs-Angebot gibt es einen Schüler-Döner. Ich hoffe, „Schüler“ bezieht sich auf die Zielgruppe und nicht den Inhalt des Döners.
Anfang der Woche kostete der Schüler-Döner noch fünf Euro, heute nur noch 4,90. Eine Preisreduktion von zwei Prozent. Ich bin mir nicht sicher, ob das ausreicht, um das Geschäft anzukurbeln.
20. Mai 2023, Berlin
Der Tochter geht es inzwischen besser. Bei unserem Telefonat erzählt sie davon, wie sie kürzlich auf einer Irland-Rundreise in einem Pub mit zwei Iren ins Gespräch kam. Als sie sagte, sie käme aus Deutschland, meinte einer der beiden: „Ah, Angela Merkel. Thank you for all the money.“ Dann haben sie sie auf ein Bier eingeladen. „As our way to pay you back.“ Schön, wie die EU zur Völkerverständigung beiträgt.
21. Mai 2023, Berlin
In meinem Spam-Ordner finde ich eine Mail mit dem Betreff „Ihre privaten Informationen wurden durch verdächtige Ereignisse gestohlen.“ Solche Spam-Mails bekomme ich häufiger, das ist nicht weiter ungewöhnlich. Dafür aber der Absender: Der bin ich selbst. Ich bin aber skeptisch, ob die Nachricht tatsächlich von mir ist. Zumindest kann ich mich nicht erinnern, sie geschrieben zu haben.
Die Mail beginnt mit einem freundlichen „Ich grüße Sie!“ Ich begrüße mich gewissermaßen selbst. Das ist nett. Und zeugt von gutem Benehmen. Das passt zu mir.
Danach heißt es: „Ich möchte mich Ihnen gerne vorstellen.“ Das ist etwas unnötig. Schließlich kenne ich mich seit 47 Jahren. Deswegen könnte ich mich auch ruhig duzen.
„Ich bin ein spezialisierter Hacker und habe es geschafft, ihr Betriebssystem zu hacken.“ Das ist sehr unrealistisch. Ich kann zwar einige Software-Programme ganz gut bedienen, aber meine Computer-Kenntnisse reichen definitiv nicht aus, um irgendetwas zu hacken. Außerdem besitze ich keinen schwarzen Hoodie und als Hacker musst du zwingend einen schwarzen Hoodie tragen. Das weiß man aus Serien und Filmen und schlechten Stockfotos.
In einer sehr langatmigen Ausführung beschreibe ich, wie es mir gelungen ist, mittels eines Trojaners die Kontrolle über meinen Computer zu erlangen. Da habe ich mir das Leben unnötig schwer gemacht. Schließlich ist es mein Computer und ich besitze sämtliche Zugangsdaten. Somit hätte ich mir diesen Trojaner-Quatsch sparen können. Allerdings bin ich manchmal etwas kompliziert. Es kann also durchaus sein, dass ich so vorgegangen bin.
In der Mail erkläre ich nun, dass ich jetzt uneingeschränkten Zugriff auf meinen Computer und alle Geräte, die mir gehören, habe. Was meine ich mit „alle Geräte, die mir gehören“? Habe ich mir Zugang zu unserem Kühlschrank erschlichen? Das ist keine große Kunst. Schließlich wohne ich hier. Da muss ich nur in die Küche gehen, die Kühlschranktür öffnen und – zack – habe ich uneingeschränkten Zugriff auf Marmelade, Käse und Milch.
Endlich komme ich zum eigentlichen Anliegen meiner Mail an mich. Angeblich habe ich ein Video angefertigt, auf dem ich auf der linken Seite bei einer meiner „leidenschaftlichen Masturbationssitzungen“ zu sehen bin, während auf der rechten Seite die „schmutzigen Videos“ ablaufen, die ich mir dabei angeschaut habe.
Jetzt bin ich mir ziemlich sicher, dass die Mail nicht von mir ist. Mir fehlt schlicht das notwendige Know-how, um so einen Clip zu erstellen. Allerdings würde mich schon interessieren, was das für „schmutzige Videos“ sind, die zu den „Masturbationssitzungen“ führen. Und sogar „leidenschaftlichen“.
Ich kann aber noch aus einem weiteren Grund ausschließen, dass es Masturbations-Tapes von mir gibt. Bekanntermaßen geht mein Arbeitszimmer zum Hinterhof hinaus. So wie ich der Nachbarin beim Duschen zuschauen kann, könnte sie mich beim Onanieren am Computer beobachten. Das würde ich nicht wollen. Nicht zuletzt, weil das für mich den befriedigenden Aspekt der Selbstbefriedigung erheblich mindern würde.
Um zu verhindern, dass das Video an alle meine Kontakte verschickt wird, soll ich Geld an mich überweisen. 1.750 Euro. Das finde ich ambitionslos wenig. So spektakulär kann das Video nicht sein. Sonst würde ich doch mindestens einen fünfstelligen Betrag von mir verlangen.
Die Summe soll in Bitcoins gezahlt werden. Da habe ich mich jetzt aber selbst ausgetrickst. Ich besitze gar kein Kryptowährungskonto. Das heißt, ich kann weder Bitcoins transferieren noch empfangen. Die Mail muss also ein Fake sein. Oder ich bin ein Riesentrottel, der nicht nur sich selbst scamt, sondern auch noch zu doof dafür ist.
Die Mail endet mit einem versöhnlichen „Ich wünsche Ihnen viel Glück.“ Das finde ich nett. Daher werde ich auf eine Selbstanzeige verzichten.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)