Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
31. Mai 2021, Berlin
Die Tauben sind zurück. Als wären sie nie weg gewesen, sitzen sie fröhlich gurrend im Nest. Wo sie wohl die letzten anderthalb Wochen waren? Vielleicht war ihnen das Wetter hier zu schlecht und sie haben einen Kurzurlaub gemacht. Mallorca soll um diese Zeit sehr schön sein.
Sie hätten uns aber doch Bescheid geben können, dass sie verreisen. Dann hätten wir ein Auge auf das Nest geworfen, den Briefkasten regelmäßig geleert und die Blumen gegossen. Wie gute Nachbar:innen das so machen.
Nun gut, welcome back, Herr und Frau Taube!
01. Juni 2021, Berlin
Heute ist ein besonderer Tag. Der Sohn muss zur Schule, Latein schreiben, und meine Frau hat ihre erste Impfung. Also, nicht die erste Impfung ihres Lebens, sondern ihre erste Corona-Impfung.
Den besondersten Tag hat aber die Tochter: Sie hat heute ihre letzte Abi-Prüfung. In Biologie, unter anderem über Analogie und Homologie. Kurzum, zu Themen, über die sie voraussichtlich nie wieder in ihrem Leben sprechen wird.
Da sich die Tochter coronabedingt nicht mit ihren Freundinnen treffen und das Prüfungsende feucht-fröhlich feiern kann, springen wir als gute Eltern ein. Okay, noch schlimmer als sein Abi gar nicht feiern zu können, ist wahrscheinlich mit seinen Eltern feiern zu müssen, aber besondere Zeiten verlangen besondere Maßnahmen. Und außerdem hat es auch einen entscheidenden Vorteil, wenn du mit deinen Eltern feierst: Es gibt besseren Alkohol!
02. Juni 2021, Berlin
Laut meinem Online-Kalender mit skurrilen Jahrestagen ist der 02. Juni der Ich-liebe-meinen-Zahnarzt-Tag. Anscheinend gibt es für alles einen Fetisch.
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Auf meiner morgendlichen Joggingrunde laufe ich an einer Schulklasse von circa 16-/17-Jährigen vorbei, die im Freien Sportunterricht haben. Ihre Lehrerin hält zwei lange Gehstöcke in den Händen und weist die Schülerinnen in die Technik des Nordic Walkens ein. Anschließend bekommen die Jugendlichen ihre eigenen Stöcke ausgehändigt und nordic walken mit ausbaufähigem Enthusiasmus den Spreeweg entlang.
Ich möchte mich ganz bestimmt nicht despektierlich über das Nordic Walken auslassen, das ist bestimmt eine sehr sinnvolle körperliche Betätigung. Für 70-jährige Senior:innen oder für Menschen mit Knieproblem, die ihre Gelenke schonen müssen. Aber wenn Nordic Walken zum Sport-Curriculum der Oberstufe gehört, hegst du als Land wahrscheinlich keinerlei Ambitionen mehr, bei Leichtathletik-Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen einen vorderen Platz im Medaillenspiegel belegen zu wollen. Zumindest kann ich mir nicht vorstellen, dass Nordic Walken ein vielversprechendes Scouting-Tool ist, um potenzielle Medaillen-Kandidat:innen zu identifizieren. In Jamaica wurde das Sprint-Talent von Usain Bolt sicherlich nicht erkannt, weil er so geschmeidig nordic walken konnte.
Allerdings hätte es mir zum Vorteil gereicht, wenn ich bei den Bundesjugendspielen statt Sprint Nordic Walken hätte wählen können. Die Geschwindigkeit wäre ungefähr dieselbe gewesen.
03. Juni 2021, Berlin
Von guter Nachbarschaft haben die Tauben anscheinend andere Vorstellungen als wir. Heute morgen um fünf veranstalten sie einen Riesen-Lärm und gurren noch viel lauter als vor zwei Wochen. Haben die beiden in ihrer Abwesenheit die Technik des Brüll-Gurrens trainiert? Falls ja, waren sie durchaus erfolgreich.
Eine der Tauben setzt sich sogar auf die Fensterbank und pickt gegen die Scheibe. Als wollte sie uns sagen: „Hört doch! Kann ich nicht toll gurren? Gurr! Gurr!“ Nein, kannst du nicht! Das ist einfach ein beschissenes Gurren, was da aus deinem Schnabel kommt, und nicht die Königin der Nacht.
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Heute ist Fronleichnam. Und Wiederhole-alles-Tag. Heute ist Fronleichnam. Und Wiederhole-alles-Tag.
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Der Europäische Gerichtshof hat die Bundesrepublik Deutschland verurteilt, weil die Luft in vielen deutschen Städten zu schlecht ist. Find ich gut. Als nächstes könnten sich die Europäischen Richter vielleicht der Luftqualität in den Zimmern von Teenager:innen annehmen.
04. Juni 2021, Berlin
Beim Einkaufen gibt es neben der Fleischtheke einen Stand mit Bio-Salami, die mit dem Slogan „Handgemacht in Amsterdam” beworben wird. Wäre auch ein schöner Titel für einen niederländischen Masturbations-Porno.
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Heute ist Umarme-Deine-Katze-Tag. Und für Katzen ist Wenn-du-mich-anfasst-kratze- ich-dir-die-Augen-aus-Tag.
05. Juni 2021, Berlin
Im Internet lese ich etwas über den Kakapo. Das ist nicht das, was Sie jetzt vielleicht denken, sondern eine neuseeländische Papageienart, die akut vom Aussterben bedroht ist. Und das aus gutem Grund. Kakapos können nicht fliegen und ihr Verteidigungsmove besteht darin, in Gefahrensituationen einfach zu erstarren, was nur bedingt davor schützt, gefressen zu werden. Oder sie klettern schnell auf einen Baum. Das ist für den Überlebenskampf erfolgsversprechender. Würden sie dann nur nicht von den Bäumen springen, um davonzufliegen, was sie aber nicht können, weswegen die Aktion meist tödlich endet.
Mit der Fortpflanzung hapert es auch. Zum Balzen setzen sich männliche Kakapos in eine Kuhle und blöken rum. Kakapo-Weibchen haben aber nur alle zwei Jahre Interesse an körperlicher Zweisamkeit, so dass die Blökerei nur selten zum Erfolg führt. Die unbefriedigten Kakapo-Männchen haben deswegen häufig einfach mit irgendetwas Sex, was ihnen gerade so unterkommt. Zum Beispiel einem Stein. In meiner Pubertät hätte der Kakapo mein Krafttier sein können. Also, nicht weil ich mich zur sexuellen Erregung an Steinen geschubbert habe, sondern weil mein Balzverhalten ähnlich erfolgreich war.
Einen Pluspunkt haben die Kakapos allerdings. Sie sollen gut riechen. Angeblich nach Honig oder Blumen. Das hilft ihnen dabei, sich gegenseitig zu finden. Das gilt allerdings auch für ihre Fressfeinde, vor denen sie dann nicht wegfliegen können. Kein Wunder, dass es weltweit nur noch rund 150 Kakapos gibt.
Wenn ich mir das so durchlese, habe ich den Eindruck, als hätte sich Gott einen ganz üblen Scherz mit diesen armen Vögeln erlaubt. Nicht nur, dass er sie mit so wenigen Skills ausgestattet hat, dass sie in dem Survival-of-the-fittest-Game kaum eine Chance haben, nein, dann hat er sie auch noch Kakapo genannt. Warum hat er ihnen nicht gleich einen Zettel mit der Aufschrift “Trottel” auf den Rücken geklebt?
06. Juni 2021, Berlin
Schaue mich morgens nach dem Aufstehen genauer im Spiegel an. Kann ich nicht uneingeschränkt zur Nachahmung empfehlen.
Mein Bart ist unfassbar grau geworden. An vielen Stellen sogar richtig weiß. Wie bei einem Greis. Das Gute daran: Der weiße Bart lenkt von den grauen Schläfen ab.
Mein Vater hat sich früher eine Zeit lang den Bart gefärbt. Ein richtig guter Move war das aber nicht, denn machen wir uns nichts vor, niemand hat an einem Tag einen grauen Bart und am nächsten Tag ist der dann auf ganz natürliche Weise schwarz geworden.
Wie dem auch sei, nun stehe ich vor dem Spiegel und denke: „Ein bisschen Farbe würde meinem Bart eigentlich nicht schaden.“ Dann sähe ich wenigstens nicht mehr wie ein Greis aus. Sondern wie ein Greis, der sich den Bart gefärbt hat.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Guten Abend,
Zur Verteidigung des Kakapos muss nich erwähnt werden, dass diese Endemisch lebenden Tierchen niemals Fres’sfeinde hatten, bevor der westliche Seefahrer Ratten und Katzen eingeschleppt hat. So war bis dahin diese Art der Fortpflanzung eher hilfreich, die Kakapo Bevölkerung auf dem kleinen neuseeländischen Eiland stabil zu halten und nicht explodieren zu lassen.
Und am 1.6. war Kindertag.
Ich lache immer noch über den Kakapo. Das ist doch mal servicebloggen nach meinem Geschmack.
Übrigens bin ich sehr, sehr dankbar, hier wieder regelmäßig von Ihnen zu lesen. Das macht den Montag immer ein bißchen erträglicher.
Bin durch Zufall auf “Familienbetrieb” gestoßen – und “beömmele” mich jetzt bei jeder neuen Ausgabe ! 😂
Nicht nur inhaltlich herrlich (Tauben vor dem Schlafzimmer… GANZ schwerwiegendes Thema… 😤😡😁), sondern auch super geschrieben ! – danke !! 👍👍