Eine kleine Wochenschau | KW24-2024 (Teil 2)

Teil 1


Zu seiner großen Zufriedenheit muss der Sohn nicht über Nacht bleiben, wie ursprünglich gedacht, sondern kann am späten Nachmittag nach Hause. Das ist ihm sehr recht, vor allem weil er einen Zimmernachbarn hat, der sehr laut schnarcht.

Dass der Mann viel schläft, ist aber auch besser, denn er hatte am Montag einen Arbeitsunfall, bei dem eine drei Tonnen schwere Betonplatte involviert war. Nach drei Operationen ist sein linker Arm mit einem Metallgestänge verschraubt, der rechte steckt in einer Schlaufe.

Als wir uns verabschieden, erkundigt er sich, ob einer von uns raucht. Wir verneinen. Dann fragt er sich, ob die Cafeteria vielleicht Zigaretten in ihrem Sortiment führt. Da wir uns in einem Krankenhaus befinden, bezweifle ich das.

Das würde ihm ohnehin nicht viel nützen, denn in seinem Zustand könnte er gar nicht dort hingehen. Und mit seinen verschraubten und verschlauften Armen wäre er auch nicht in der Lage, sich eine Kippe an die Lippen zu führen. Vielleicht hat er deswegen gehofft, dass wir Raucher sind und ihm ein wenig Zigarettenqualm direkt in den Mund pusten.

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Zuhause liest sich meine Frau mit Unterstützung von Google den Arztbrief durch. Das Handgelenk des Sohns wurde arthroskopiert, der Diskus geglättet und das Handgelenk gereinigt. Klingt weniger nach OP, sondern mehr nach Ölwechsel.

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Abends Eröffnungsspiel der Fußball-Europameisterschaft. Wir bestellen Pizza, denn wenn du Menschen dabei zuschaust, wie sie über einen Fußballplatz rennen, musst du fettige, ungesunde Sachen essen, so will es das Gesetz.

Meine Frau ordert versehentlich zwei Margherita zu viel. Somit gelingt der EM-Auftakt für die deutsche Mannschaft sportlich und für uns kulinarisch. Die Waage im Bad ist möglicherweise anderer Meinung.

15. Juni 2024, Berlin

Habe mir nach Monaten endlich einen Termin zum Haareschneiden gemacht. Gleich zu Beginn verwirrt mich der Friseur. Zuerst siezt er mich, dann duzt er und schließlich geht er wieder zum „Sie“ über. Nun weiß ich nicht, wie ich ihn ansprechen soll und flüchte mich in komische Passivkonstruktionen. („Wird heute Abend Fußball geschaut?“) Was aber immer noch besser ist, als ihn in der dritten Person anzusprechen, wie ein König, der mit einem Untertanen redet. („Schauet er des heutigen Abends Fußball?“)

Während ich die Haare geschnitten bekomme, winkt ein arabischstämmiger Mann durch die offene Ladentür und unterhält sich kurz mit dem Friseur, der seines Zeichens Palästinenser ist. Die beiden begrüßen sich mit „Moinsen“ und „Tachchen“ und nach einem kurzen Austausch beenden sie das Gespräch mit „Alles Klärchen“ und „Tschüssikowski“. Mehr Integration geht nicht.

16. Juni 2024, Berlin

Meine Krankenkasse hat mir einen kostenlosen Zugang zu einer Sport-App geschickt. Diese bietet unter anderem verschiedene Programme mit Dehnübungen an. Was ich gut gebrauchen kann, da meine Beweglichkeit ein wenig zu wünschen übriglässt. Eine euphemistische Umschreibung dafür, dass ich über die Gelenkigkeit eines Stocks verfüge.

Zunächst scannt die App meinen Bewegungsapparat. Dazu muss ich mit erhobenen Armen eine tiefe Kniebeuge machen. Anschließend erscheint auf dem Handy eine Strichmännchen-Anmutung, wie ich die Übung ausgeführt habe.

Bisher war ich der Ansicht, meine motorischen Fähigkeiten durchaus realistisch einzuschätzen. Ich bin mir selbstverständlich bewusst, dass ich nicht über die Geschmeidigkeit und den Elan eines Balletttänzers verfüge, dachte aber, dass ich mich im Großen und Ganzen einigermaßen okay bewege.

Anscheinend eine spektakuläre Fehlwahrnehmung. Mein Strichmännchen-Alter-Ego zittert und wackelt, als hätte es sich fünf Bier reingeschädelt, 18-mal um die eigene Achse gedreht und dann mit verbundenen Augen versucht, tief in die Hocke zu gehen.

Die App bewertet meine Kniebeugen-Ausführung mit zwölf Prozent. Das liegt unterhalb des Durchschnitts. Für meinen zweiten Versuch bekomme ich 55 Prozent. Das ist wiederum oberhalb des Durchschnitts. Was aber kein Grund für übermäßigen Stolz sein sollte, sondern lediglich aussagt, dass sich die große Mehrheit der anderen Nutzer*innen wie Störche mit Gleichgewichtsstörungen bewegt.


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