Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
15. Juni 2022, Berlin
Der Morgen beginnt unbefriedigend. Zimtschneckenlos. Es beeinträchtigt die Lebensqualität doch erheblich, wenn du zum Frühstück keine Zimtschnecken isst.
Der Tag bringt aber auch Schönes. Die Tochter kommt heute von ihrem Stockholm-Aufenthalt zurück und ich darf sie am Bahnhof abholen. Enttäuschenderweise hat sie keine Zimtschnecken mitgebracht, sondern noch mehr Bücher. Schade. Sehr schade.
16. Juni 2022, Berlin
Mein Vater hat heute Geburtstag, ich muss dagegen das erste Mal seit fünf Tagen wieder arbeiten. Während der eine – hoffentlich – Kuchen und Geschenke bekommt, muss der andere sich mit einer vollen Inbox, Memos und Präsentationen rumärgern. Das ist diese Ambivalenz der Dinge, die du zu ertragen lernen musst.
17. Juni 2022, Berlin
Heute ist Iss-Dein-Gemüse-auf-Tag. Vielleicht ist das mit dem Gemüse aufessen in letzter Zeit und vor allem während meiner Zimtschnecken-Diät in Stockholm etwas zu kurz gekommen. Ich fühle mich schlapp und mein Hals tut weh. Abends vor dem Fernseher trinke ich Tee. Meine Frau hebt ihre linke Augenbraue. Wenn ich Tee trinke, ist das für sie ein sicheres Zeichen, dass ich krank werde. Für mich auch.
18. Juni 2022, Berlin
5 Uhr. Ich wache vollkommen durchgeschwitzt auf. Außerdem habe ich unfassbare Halsschmerzen. Fühlt sich an, als würde mir jemand bei jedem Schlucken mit einem Messer durch meinen Hals stechen. Ich gehe ins Bad und messe Fieber. 39,1. Wenigstens mein Corona-Test ist negativ.
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Ich verbringe den Tag mit Schlafen und Dösen. Weil das Schlucken meines eigenen Speichels so weh tut, habe ich mir einen Eimer neben das Bett gestellt, in den ich regelmäßig spucke. Das hört sich nach coolem Cowboy an, der im Saloon sitzt, Karten spielt und ab und an Tabak in einen Metalleimer spoizt, in der Realität wirke ich aber eher wie der Bewohner eines Siechenheims aus einem Charles-Dickens-Roman, der an Schwindsucht leidet und unablässig seinen Auswurf in ein Blechschüssel rotzt.
Erst wenn du richtig starke Halsschmerzen hast, merkst du, wie lächerlich oft du eigentlich schluckst – andauernd – und wie unfassbar viel Speichel du in deinem Mund produzierst – bis zu anderthalb Liter am Tag. Entsprechend sammelt sich schon in kurzer Zeit eine bemerkenswerte Menge Speichel in meinem Eimerchen an.
Für meine Frau zählt „mein Mann hat einen Eimer mit Auswurf neben seinem Bett stehen“ wahrscheinlich eher zu den „schlechten Zeiten“, von denen im Ehegelübde die Rede ist und in denen sie mir beistehen soll. Da wir ein solches Gelübde aber nie abgelegt haben, hat sie sich aus unserem Schlafzimmer ausquartiert und ist ins Zimmer des Sohns, der übers Wochenende nicht da ist, umgezogen. Bei dessen Reinlichkeits- und Hygienestandards könnte es allerdings sein, dass sie sich jetzt vielleicht meinen Auswurf-Eimer zurückwünscht.
19. Juni 2022, Berlin
Ich wache nach einer unruhigen Nacht auf und habe immer noch Halsschmerzen aus der Hölle. Leider sind sie nicht über Nacht wundersam verschwunden. (Hätte ja sein können, dass sich der Jemand mit dem Messer vor dem Spoitz-Eimer ekelt und geflüchtet ist.)
Der Corona-Test ist erneut negativ, das Fieberthermometer zeigt aber 39,4. Eigentlich müsste ich zum Arzt gehen, bin aber zu erschöpft, um durch halb Berlin zu fahren und mich stundenlang mit ganz vielen anderen Patient*innen ins Wartezimmer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes zu setzen, wo unsere Krankheitserreger sich beim Viren-Tinder vereinigen. Stattdessen mache ich für morgen einen Termin in der Akut-Sprechstunde bei dem Arzt bei uns um die Ecke aus.
Anschließend nehme ich eine Ibu. Die signalisieren meinen Schweißdrüsen „Haut rein, Jungs, zeigt mal, was ihr so draufhabt.“, und ich schwitze danach so stark, dass ich überlege, ob es schon mal vorgekommen ist, dass jemand in seinem Bett in seinem eigenen Schweiß ertrunken ist. Nach anderthalb Stunden ist meine Temperatur auf 38 gesunken, die Halsschmerzen sind aber weiterhin da.
Den Nachmittag verbringe ich dösend im Bett, zwinge mir Tee mit Honig in meinen schmerzenden Hals und beobachte den Baum vor unserem Schlafzimmer. Manche Äste und Blätter sehen aus wie Tiere. Es gibt einen Dinosaurier und einen Hasen. Wenn der Wind von links weht, sieht es aus als fräße der Dinosaurier den Hasen. Entweder ich habe eine blühende Phantasie oder das Fieber ist wieder zurück.
20. Juni 2022, Berlin
Um 12.40 Uhr habe ich meinen Arzt-Termin. Heute Morgen lag meine Temperatur bei 38,5 und die Halsschmerzen waren minimal besser. So als würde dieser Messer-Jemand nur noch ganz schnell in meinen Hals stechen, wenn ich schlucke, und nicht mehr aufreizend langsam. Ob ich mich überhaupt noch für die Akut-Sprechstunde qualifiziere? Oder bin ich nur ein Fall für die Normal-Sprechstunde? Da wäre aber erst am Donnerstag, um halb vier, etwas frei gewesen.
Diese Befürchtungen, als Akut-Sprechstunden-Hochstapler entlarvt zu werden, kann ich gar nicht gebrauchen. Ich bin beim Hausarzt ohnehin immer etwas unentspannt. Wenn der Arzt mit seinem Spatel in meinem Mund rumfuhrwerkt, habe ich Sorge, dass er etwas zu weit nach hinten gerät und ich ihm dann in die Praxis kotze. Als Sechsjähriger beim Kinderarzt ist das sozial akzeptiert, als 46-jähriger beim Allgemeinmediziner weniger. Außerdem befürchte ich, dass mir der Arzt mit seinem Ohrenschau-Gerät in die Ohren schaut und dort unnormal viel Schmalz findet, oder dass ich unangenehm nach Schweiß rieche, und er denkt, ich hätte mich nicht gewaschen, obwohl ich doch wusste, dass ich den Termin bei ihm habe.
Mit diesen Gedanken warte ich im Besprechungszimmer als der Arzt reinkommt. Ein großgewachsener, schlanker Mittfünfziger. Er wirkt nicht unsympathisch, aber eine Spur zu jovial. Ich tippe auf FDP-Wähler. Hoffentlich jammert er gleich nicht, dass er sich seinen Zweit-Porsche bald nicht mehr leisten könne, weil ihm die aktuelle Gebührenordnung die Luft zum Atmen nähme.
Tut er aber nicht, sondern fragt, warum ich da bin. Militärisch knapp erzähle ich von meinem Fieber und meinen Halsschmerzen. Er fragt, ob ich einen Corona-Test gemacht hätte („Ja, negativ.“), geimpft sei („Ja, dreifach!“) und trotzdem eine Corona-Infektion gehabt hätte („Ja, vor sechs Wochen!“). Daraufhin schließt er eine Corona-Infektion aus. Zumindest mit sehr großer Wahrscheinlichkeit.
Dann holt er den ungeliebten Spatel hervor und bittet mich, den Mund zu öffnen. Der Spatel und meine Zunge kämpfen kurz miteinander, meine Zunge gewinnt und der Arzt schaut einfach so in meinen Hals. Der sei schon ein bisschen gerötet und die Lymphknoten seien ein bisschen geschwollen, da könnte es schon sein, dass ich ein bisschen Halsweh habe, erklärt er anschließend.
Ich höre immer nur „ein bisschen“?!? Seit drei Tagen habe ich die schlimmsten Halsschmerzen seit Jahrzehnten und für ihn ist das „ein bisschen“? Vielleicht könnte dieser Jemand mit dem Messer mal bei dem Arzt demonstrieren, was er die ganze Zeit mit meinem Hals macht – aber bitte in der langsamen Variante – und dann können wir uns über die Definition von ,,ein bisschen“ unterhalten.
Der Arzt meint, es handele sich um eine virale Infektion, die nur symptomatisch behandelt werden könne. Ich solle mich schonen, viel trinken, zweimal am Tag eine Ibu 600 nehmen – oder dreimal eine 400er – und vielleicht Tabletten gegen die Halsschmerzen lutschen. Er schreibt mir ein Präparat auf, dass ihm in letzter Zeit einige Patienten empfohlen hätten. Ich bin etwas skeptisch. Mir wäre lieber, der Arzt empfiehlt mir etwas. Der hat das schließlich studiert, die Patient*innen haben das wahrscheinlich im Internet gelesen oder von einem alten Kräuterweib gehört.
Trotzdem besorge ich in der Apotheke die Tabletten. Leider bestätigt sich meine Skepsis. Der Effekt ist gleich Null. Beim Schlucken fühlt es sich immer noch an, als würde mir der Jemand in den Hals stechen, nur dass er sein Messer vorher mit Menthol eingerieben hat.
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Am Abend steigt die Temperatur wieder auf über 39. Ich nehme eine Ibu und schwitze mich in den in den Schlaf. Der Messer-Jemand ist wahrscheinlich froh, dass er mal eine Pause machen kann.
21. Juni 2022, Berlin
Ich wache auf und mein Fieber fühlt sich weniger an. Das Thermometer zeigt 38 an. Nicht gerade perfekt, aber immerhin etwas besser als gestern.
Mein Hals tut unverändert weh. Nicht nur beim Schlucken, sondern auch wenn ich meinen Kopf zur Seite drehe. Daher bewege ich nun meinen ganzen Oberkörper bedächtig nach links oder rechts, wenn ich etwas sehen oder hören möchte. Ich hoffe, das verleiht mir ein wenig Würde Wie so ein Adeliger. Oder wie der Butler eines Adeligen. Tatsächlich sehe ich aber wohl wie ein seelenloser Roboter aus, der sich von links nach rechts dreht, um seine Umwelt zu scannen. Und dann zu zerstören.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Also da ich berufsbedingt ja ständig reden muss und somit wirklich nahezu alle freiverkäuflichen Mittel kenne – Nimm das Hals-Spray mit dem örtlichen Betäubungsmittel!!! (Firma mit W) nicht das andere (mit D – das hinterlässt ein “staubiges Gefühl ” im Hals)… das W-Spray hilft sogar wenn die Stimme fast weg ist und vor allem gegen schlimmes Halsweh. Gute Besserung weiterhin!