Eine kleine Wochenschau | KW26-2023

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


26. Juni 2023, Berlin

Die Tochter hat ihre Note für das erste Studienjahr erfahren. Beziehungsweise ihre Prozente. Die gibt es an irischen Universitäten anstatt Noten. Sie hat 68 Prozent. Das klingt nicht nach wahnsinnig viel, aber es gibt quasi nie mehr als 70 Prozent. Von daher sind ihre 68 Prozent ziemlich gut. Insbesondere weil sie das mit relativ überschaubarem Aufwand erreicht hat, ohne die sozialen Aspekte des First-Year-Student-Lebens zu vernachlässigen.

Etwas Angst hatte sie vor der Bewertung einer Geschichtsklausur. Die hatte sie leicht fiebrig und mit Halsschmerzen geschrieben. Sie wollte sich kein Attest besorgen und dann im August nachschreiben müssen. Ihre Sorge war allerdings unbegründet. Auch in dieser Arbeit hat sie 68 Prozent bekommen.

Ob das für die Leistung der Tochter oder gegen die Bewertungsmaßstäbe der Uni spricht, vermag ich nicht zu sagen. Ich vermute allerdings letzteres. Ihre Freundin kam auf 58 Prozent, obwohl sie in der gesamten Klausur auf die Verwendung von Jahreszahlen verzichtet hatte, weil sie sich nicht so richtig an sie erinnern konnte. Eine kreative Auslegung des Konzepts „Mut zur Lücke“.

27. Juni 2023, Berlin

Der Sohn hat Deutsch zurück. Acht Punkte. Wie in fast allen Klausuren der letzten zwei Wochen. Mir ist das recht. Schließlich habe ich den Titel „Bestes Abi der Familie” zu verteidigen.

Mit 2,2 ist das keine unüberwindbare Hürde. Allerdings habe ich mein Abitur in Rheinland-Pfalz gemacht. Mit drei Leistungs-Kursen. Nicht wie meine Frau ein hessisches Not-Abi mit zwei Leistungskürschen. (Ganz liebe Grüße an die Leser*innen aus Hessen. Ist nur ein Spaß. Euer Abi ist selbstverständlich genauso viel wert wie unseres. *zwinki- zwonki*)

Zu meiner Zeit warfen die Schulen auch noch nicht hyperinflationär mit 1,0er-Abis um sich. In unserem Jahrgang hatte die Beste einen Schnitt von 1,1. Bei der Tochter hatten zehn Prozent des Jahrgangs eine 1,0. Vielleicht ist die angeblich so leistungsunwillige Jugend von heute aber einfach fleißiger als wir es waren.

Trotz seiner 8-Punkte-Serie ist der Sohn überzeugt, ein besseres Abi als ich zu machen. Schließlich hätte er im letzten Halbjahr einen Schnitt von 2,1 gehabt und diesmal würde er sich nur in Mathe geringfügig verschlechtern. (Bei der Berechnung des Durchschnitts hat er die Kurse, die er nicht einbringen muss, großzügig ignoriert. Was nur konsequent ist, weil er das das ganze Schuljahr auch so gehandhabt hat.)

Außerdem komme es auf den Schlussspurt an, meint er. „Die Ente wird am Ende fett“, erklärt er mit gewichtiger Miene.

Der Sohn ist sich nicht sicher, ob es diese Redewendung überhaupt gibt und falls ja, ob sie etwas Gutes bedeutet, findet aber, dass es gut klingt. Es hat anscheinend seinen Grund, warum er in der Deutsch-Klausur nicht mehr als acht Punkte hatte.

28. Juni 2023, Berlin

Der Sohn war beim Friseur. An den Seiten und hinten ist sein Haar wesentlich kürzer als sonst und auch der Ansatz ist deutlich höher. Allerdings nicht ganz freiwillig. Was er in Kita und Grundschule ausließ, holte er mit fast 17 nach: ein Do-it-yourself-Friseurexperiment. Aus irgendeinem Grund – und es war nicht einmal Alkohol im Spiel – kamen er und sein bester Freund N. auf die Idee, dass dieser ihm die Haare schneiden könnte. („Wir wollten das mal ausprobieren”, lautete die lapidare Erklärung des Sohns.)

N. ist ein wirklich netter Kerl und hat viele Qualitäten. Zu einer Karriere im Friseur-Business würde ich ihm aber nicht unbedingt raten.

29. Juni 2023, Berlin

3.30 Uhr. Ich liege im Bett und kann nicht einschlafen. Vor einer dreiviertel Stunde hatte sich die Tochter von uns verabschiedet. Es geht zurück nach Irland.

Nun versuche ich, meinem Körper die Vorteile des Konzepts Schlaf zu vermitteln: Du sammelst Energie für den nächsten Tag, dein Geist regeneriert sich und du wälzt dich nicht im Bett herum und grübelst über Arbeitsprobleme nach. Alles gute Argumente, die für Schlafen sprechen, wie ich finde.

Mein Körper ist nicht überzeugt. Er findet das Konzept wach besser: Du versäumst nichts, hast keine Alpträume und nässt dich nicht versehentlich ein, während du schläfst. Letzteres ist natürlich ein Pluspunkt, allerdings hatte ich seit 45 bis 46 Jahren nicht mehr das Problem des nächtlichen Einnässens.

Gegen vier Uhr zieht eine Jugendgruppe auf dem Weg zum nahegelegenen Hostel durch die Straße. Die Jungs und Mädchen sind, möglicherweise unterstützt durch den Konsum alkoholischer Getränke und synthetischer Drogen, bester Laune und lassen daran die Welt und damit auch mich teilhaben.

Drei Knaben intonieren aus voller Brust „Major Tom“ von Peter Schilling. Sie schrauben beim Schlussrefrain ihre Stimmen in beachtliche Höhen und erweisen sich dabei als gleichermaßen text- und tonsicher.

Ich nicke anerkennend. Mein Körper sagt: „Siehste, wenn du geschlafen hättest, hättest du das verpasst.“

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Die Schule verlangt dem Sohn heute alles ab. Er muss für Englisch ein Video mit einem Vortrag über Gerechtigkeit und Rassismus unter Bezugnahme auf Harper Lees „To kill a mockingbird“ aufnehmen. Anschließend muss er in Deutsch eine Rede verfassen, ob es sich heute noch lohnt, sich mit den Werken der Klassik zu beschäftigen. Nach einer kurzen Diskussion können wir ihn dazu bringen seine ursprüngliche Meinung „Auf keinen Fall, das ist alles total öde.“ noch einmal zu überdenken.

Ihm ist heute erst eingefallen, dass er beide Aufgaben morgen abgeben muss. Natürlich. Von der Deutsch-Rede wusste er seit ungefähr vier Wochen, von dem Englisch-Video seit letztem Freitag. Wahrscheinlich ist er so auf seine anderen Fächer fokussiert und darauf regelmäßig und eigenverantwortlich den Müll runterzubringen sowie sein Zimmer in Ordnung zu halten, dass ihm das entfallen ist. Das kann ja mal passieren.

Inhaltlich löst er die beiden Last-Minute-Aufgaben trotzdem recht ordentlich. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob der Sohn tatsächlich so gut ist oder einfach gut mit ChatGPT umgehen kann. Aber das ist ja auch eine wichtige Kompetenz für das spätere Berufsleben.


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