05. Juli 2024, Berlin
Ein Bekannter schlägt sich mit einem Taubenproblem rum. Er renoviert zurzeit eine neu erworbene Wohnung, zu der eine Loggia gehört. Bei dieser fehlt eine Fensterscheibe, was einige Tauben ausgenutzt haben, um dort – drücken wir es freundlich aus – ihre Notdurft zu verrichten.
In der Geschichte des Bekannten hört es sich an, als hätten sich alle Berliner Tauben mit Durchfallerkrankung verabredet, seine Loggia vollzuscheißen, so dass er nun knietief durch Taubenkacke waten und diese wegschaufeln muss. Ich erzähle ihm lieber nicht, dass in der Linde vor unserem Schlafzimmer ein Taubenpärchen nistet und ich das ganz niedlich finde.
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EM-Viertelfinale. Deutschland gegen Spanien. Das Spiel hält alles, was es im Vorfeld versprochen hat. Intensität, Leidenschaft, atemberaubende Dribblings, millimetergenaue Pässe, Chancen, Tore, Emotionen, Pfostenschüsse, Aufregung, Spannung und Dramatik. Ein großartiges Match. Nur einen anderen Ausgang hätte ich mir gewünscht. Wobei: Lieber so verlieren, als wie die Engländer gewinnen.
Für das Tippspiel ist das Ergebnis, allerdings gut für mich. Im Gegensatz zum Sohn hatte ich auf ein 2:O für Spanien gesetzt und mache Boden auf ihn gut. Trotzdem fühle ich mich etwas schlecht. Die wahre Leichenfledderin ist aber meine Frau. Sie fährt vier Punkte ein, weil sie sogar 2:1 für Spanien getippt hat.
06. Juli 2024, Berlin
Abends der nächste und letzte Abi-Höhepunkt: der Abi-Ball. Im Admiralspalast, einer großen Event-Location, in der normalerweise Konzerte und Shows stattfinden. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob die Tickets 75 oder 85 Euro gekostet haben, auf jeden Fall waren sie sehr, sehr teuer. Da wir sie schon vor einem Jahr kaufen mussten, kommt es mir heute aber vor, als hätten wir Freikarten.
Unser Abi-Ball war damals nicht so prätentiös. (Mein innerer Bommer nickt.) Wir feierten in der Aula, den Getränkeverkauf organisierte der 12er-Jahrgang, das heißt, es gab Bier und lieblichen Wein, und für das Catering sorgte die örtliche Metzgerei, das heißt, es war sehr fleischlastig und mäßig lecker.
Während bei uns seinerzeit, wie auf dem Land üblich, eine Tanzkapelle Musik machte, legt heute Abend ab 21.30 Uhr ein DJ auf. Zunächst viel 80er/90er-Musik, dazu noch das ein oder andere ABBA-Stück. Auf der Tanzfläche sind ziemlich viele Eltern und Lehrer*innen und nur wenige Abiturient*innen. Was entweder an der Musik liegt oder daran, dass ziemlich viele Eltern und Lehrer*innen auf der Tanzfläche sind.
Gegen halb zwölf erlösen wir den Sohn und gehen nach Hause. Um fünf Uhr höre ich, wie er die Wohnungstür aufschließt. Ich denke, der hatte einen guten Abend.
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Dramatische Wende beim Tippspiel. Während der Sohn in den beiden heutigen Partien die Schweiz und die Türkei als Sieger sah, hatte ich auf England getippt und den 2:1-Sieg der Niederländer korrekt prognostiziert. Mit einem Punkt Vorsprung übernehme ich die Führung.
07. Juli 2024, Berlin
Heute ist Tag der Schokolade. Seit ich letzte Woche vom Sohn sechs Tafeln Tony’s Chocolonely wegen unserer Abi-Wette bekommen habe, hatte ich jeden Tag Tag der Schokolade. Deswegen sollte ich morgen besser die Woche der Rohkost beginnen.
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Sitze morgens auf dem Sofa und bin ein wenig nostalgisch. Nun sind beide Kinder mit der Schule fertig. Was mir das eigene Älterwerden vor Augen führt. Ein Gefühl, das verstärkt wird, als ich mir das Gruppenfoto von meiner Frau, dem Sohn und mir von der Zeugnisverleihung vom Donnerstag anschaue. Während der Junge auf jedem Bild ausnahmslos gut getroffen ist, sehen wir aus wie seine Großeltern, die allmählich in die Alterssenilität entschwinden.
Schöner sind dagegen die Aufnahmen vom Sohn mit seinem Freund J., mit dem er von der Ersten bis zur Zwölften in eine Klasse ging. Von ihrem ersten Tag auf dem Gymnasium gibt es ein Foto der beiden vor dem Hof-Eingang, direkt unter dem Schriftzug der Schule. Zwei kleine, blonde, etwas verschüchterte Jungs, die ein wenig besorgt in die Kamera schauen, was sie auf der neuen Schule erwarten könnte.
Dieses Foto haben wir an ihrem letzten Tag auf dem Gymnasium nachgestellt. Nun stehen da zwei breitschultrige, junge Männer mit EM-Spieler-Frisuren, voller Selbstbewusstsein und Zuversicht, die sich darauf freuen, was ihnen das Leben bieten wird.
Ich wünsche euch das Allerbeste. Geht in die Welt hinaus, sammelt Erfahrungen, findet etwas, das euch Spaß macht, und vor allem: Bewahrt euch eure Freundschaft.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Wegen des letzten Abscnitts, habe ich jetzt eventuell-vielleicht etwas im Auge!
An die beiden: Es giibt nur eie Jugend, erwachsen ist man lang’ genug – macht was draus!
<3
dies kann ich nachvollziehen.
beim lesen dachte ich es auch.
dein kommentar traf es dann genau.
Ich auch.