Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
08. Juli 2024, Berlin
Heute ist Sei-nochmal-ein-Kind-Tag. Bevor ich ihn feiere, wüsste ich gerne, wie alt das Kind ist, das ich nochmal sein soll. Ich wäre ungern wieder neun oder zehn. Dann müsste ich Hausaufgaben machen, um acht ginge es ins Bett und meine Fernseh- und Handyzeiten wären reglementiert. (Okay, als ich neun war, gab es noch gar keine Handys. Beziehungsweise sie hatten die Größe von Schrankkoffer und waren Millionären vorbehalten.)
Drei fände ich als Alter dagegen ganz okay. Dann könnte ich ein Mittagsschläfchen machen. Erst als Erwachsener ist einem klar, dass man das damals viel zu wenig geschätzt hat.
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Meine Frau und der Sohn fahren für drei Tage nach Dresden. Sein Geburtstagsgeschenk an sie. Seinem Taschengeld-Budget entsprechend reisen sie nicht im ICE, sondern mit dem Flixbus. Dann dauert die Fahrt zwar länger, aber darum geht es bei dem Geschenk: Gemeinsame Zeit. Wie erquicklich es ist, diese in einem engen, stickigen Bus mit merkwürdigen Fahrgästen zu verbringen, ist eine andere Frage.
09. Juli 2024, Berlin
Mitten in der Nacht reißt mich eine krakeelende Frau aus dem Schlaf. Das ist nicht weiter ungewöhnlich, denn wir wohnen nicht gerade in der leisesten Straße der Welt. Eine Seitenstraße mit wenig Verkehr, aber dafür mit einem Hostel um die Ecke. Da kommt es regelmäßig zu nächtlichem Lärmaufkommen durch heimkehrende Schulgruppen oder feierbiestige Städtereisende. Das geht in der Regel aber schnell vorbei, weil die Hostelgäste nur kurz an unserem Haus vorbeiziehen, bis sie ihre Herberge erreicht haben. Anschließend ist es wieder still.
Die ruhestörende Frau beweist dagegen Durchhaltevermögen. Ihr Geblöke ist schon von Weitem zu hören, als sie in die Straße einbiegt. Dann wird sie immer lauter, bis sie auf Höhe unseres Schlafzimmerfensters ankommt. Dort ebbt ihr Geschrei nicht allmählich ab, sondern sie entscheidet sich, gegenüber am Seiteneingang des Klosters zu verweilen und dort ihre Schimpftiraden fortzusetzen. Was sie genau sagt, ist ihrem Sprachwirrwarr nur schwerlich zu entnehmen. Sie brüllt, dass sie ihren Sohn liebt und irgendwas mit Geld. Ab und an streut sie das N-Wort ein und ruft „Heil Hitler!“
Das lässt den niederländischen Fan, der Samstagnacht durch unsere Straße zog, nachträglich in weit besserem Licht erscheinen. Nach dem gewonnen Viertelfinale gegen die Türkei gab er holländische Jubelgesänge zum Besten. Dass er direkt vor unserem Haus „Schade Deutschland, alles ist vorbei“ anstimmte, war allerdings etwas gemein.
10. Juli 2024, Berlin
Das Wetter ist unfassbar schwül. Beim Sport öle ich so stark, dass ich kurzzeitig befürchte, meine Klamotten lösen sich im Schweiß auf. Das anschließende Duschen hilft nur bedingt weiter, denn beim Abtrocknen beginne ich schon wieder zu transpieren, dass mir das Körperwasser das Gesicht, den Rücken und die Brust hinunterläuft.
Eigentlich könnte ich gleich noch einmal Duschen. Dann würde ich beim Abtrocknen aber wieder schwitzen, so dass ich mich erneut abbrausen müsste und dann ginge das ganze Spiel wieder von vorne los. Ein unendlicher Teufelskreis aus Seife und Schweiß. Vielleicht verlege ich meinen Arbeitsplatz unter die Dusche und mache heute Shower Office.
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Abends EM-Halbfinale. England gegen die Niederlande. 2:1. Mein exakter Tipp. Weil ich gestern schon bei Spanien gegen Frankreich richtig lag, führe ich nun mit fünf Punkten Vorsprung vor der zweitplatzierten Tochter. Damit habe ich vorzeitig unser Familien-Tippspiel gewonnen und meinen Titel von der EM 2021 verteidigt.
Ich schlage meiner Frau vor, sie könnte jetzt eine Karriere als EM-Tippspielsieger-Frau einschlagen. Wie eine Spielerfrau à la Cathy Hummels. Das wäre sicherlich lukrativ. Meine Frau reagiert nicht. Wahrscheinlich ist sie zu beschäftigt mit der Planung ihrer ersten Social-Media-Kampagne.
11. Juli 2024, Berlin
Wegen meiner schmerzenden Ferse dehne ich weiterhin mehrmals täglich meine Wadenmuskulatur. So häufig, dass ich von dem Orthopäden ein Fleißbienchen erwarte. Mein Fuß tut trotzdem weh. Nicht brutal weh, so dass ich nicht auftreten kann, aber immer noch ein bisschen. Vielleicht bin ich zu ungeduldig.
Abends bin ich zum Grillen bei einem Kollegen eingeladen. Nach zwei Bier, zwei Mojito, zwei Gin Tonic und einem selbst aufgesetzten Salbei-Schnaps ist die Ferse vollkommen schmerzfrei. Ob der Orthopäde damit einverstanden ist, wenn ich mir, anstatt mich zu stretchen, vier-bis sechsmal am Tag doppelte Biere, Cocktails, Longdrinks und Schnäpse reinschütte?
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)