Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
02. August 2021, Berlin
Im Zuge der Neugestaltung unserer Küche wollen wir auch einen neuen Fußboden verlegen lassen. (Ein weiteres Indiz, dass geistige Umnachtung nicht erst im Greisenalter einsetzen muss.) Der Bodenverleger, mit dem ich gestern telefoniert habe, erklärte mir, ich solle ihm schreiben, was wir uns wünschen, er würde sich dann darum kümmern.
Ich wünsche mir seit vielen Jahren, täglich Käsekuchen essen zu können, ohne dick zu werden, aber ich glaube, der Mann hat das mit den Wünschen anders gemeint.
03. August 2021, Berlin
In meiner Inbox finde ich den monatlichen Newsletter des Bayerischen Jagdverbands. Nicht weil ich unter die Hobbyjäger:innen gegangen bin und mich neuerdings für Waidmannsheil und Waidmannslust interessiere. Nein, ich habe einen Namensvetter mit fast identischer E-Mail-Adresse, die er anscheinend selbst nicht so genau kennt. Zumindest schließe ich das daraus, dass ich ungefähr zwei- bis dreimal im Jahr E-Mails erhalte, die für den anderen Christian Hanne gedacht sind.
Vor zwei Jahren bekam ich zum Beispiel eine Mail mit einem Angebot für ein romantisches Wellness-Wochenende zu zweit mit ayurvedischen Massagen und Candle-Light-Dinner (gegen Aufpreis mit einem Glas Champagner!). Ein paar Monate später schickte mir ein Möbelhaus die Bestellbestätigung für ein neues Bett samt Matratze. Entweder war das Wellness-Wochenende ein großer Erfolg und mein Namensvetter benötigte eine größere Schlafstätte, oder es war ein Desaster und er brauchte das Bett für seine neue Single-Wohnung.
Ein anderes Mal geriet ich auf einen Hochzeitsvorbereitungs-Verteiler. Innerhalb einer Viertelstunde kamen mehr als 30 Mails rein, in denen diskutiert wurde, ob sich das Brautpaar wohl über ein Güde Brotmesser mit einem Griff aus Pflaumenbaumholz von Manufactum im Wert von 189 Euro freuen würde, und ob sich jemand ein paar Fragen für ein lustiges Kochlöffel-und-Hammer-Spiel ausdenken könnte. Vollkommen erschlagen von der Mail-Flut bat ich darum, aus dem Verteiler genommen zu werden. (Allerdings erst, nachdem ich anmerkte, dass sich wahrscheinlich niemand über ein vollkommen überteuertes Brotmesser freuen würde, und dass Kochlöffel-und-Hammer-Spiele ungefähr so lustig seien, wie sich rostige Nägel unter die Kniescheibe zu hämmern. Ich bekam dann keine weiteren Mails und möchte allerdings nicht ausschließen, dass der andere Christian Hanne von der Hochzeit ausgeladen wurde.)
Zum Abschluss noch eine kurze Nachricht an den bayerischen Christian Hanne, der wahrscheinlich seinen Jagd-Newsletter vermisst: Du kannst dir im BJV-Online-Shop die neuen Schießübungskarten bestellen. Sogar mit liebevoll gestalteten Motiven. Also, das was Jäger für liebevoll gestaltete Motive halten. Zum Beispiel einen Fuchs. Oder einen Fasan. Die du dann später, wenn du genügend schießen geübt hast, abknallen kannst.
04. August 2021, Berlin
Um mein Projekt, dieses Jahr den Keller zu entrümpeln, voranzutreiben, steige ich in die muffigen Niederungen unseres Mietshauses hinab und schaue mich in unserem Kellerverschlag um. Er ist bis oben hin mit Gerümpel vollgestellt. Eine alte Matratze, eine Europalette, leere Elektrogeräte-Kartons, Kinder-Fahrräder, ein Laufrad, mehrere Kisten mit mir unbekanntem Inhalt, ausrangierte Stühle („Wer weiß, vielleicht können wir die nochmal gebrauchen.”) und vieles mehr. Der Anblick des ganzen Ramschs lässt erahnen, dass das Ausmisten eine uferlose Aufgabe ist, die du am besten gar nicht erst anfängst.
Aber wie heißt es in dem Sprichwort, das wahlweise Konfuzius oder Laotse zugeschrieben wird? „Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt.“ Genau genommen, habe ich diesen ersten Schritt bereits zurückgelegt, als ich vor sechs Monaten zwei Kisten mit alten Schulsachen der Kinder hochgeholt habe. Nun überlege ich, was der zweite Schritt meiner Keller-Entrümpelungsreise sein könnte. Vielleicht die beiden Grundschulranzen der Kinder, die neben der Tür stehen.
Die Ranzen sind so stark gegendert, dass es für unsere erzieherischen Bemühungen starke Abzüge bei der Rosa-Hellblau-Falle-Note gibt. Der Ranzen des Sohns ist dunkelblau und auf ihm tummelt sich ein Heer grimmiger Weltraum-Robotern, die aussehen, als könnten sie ein paar Anger-Management-Sitzungen vertragen. Der Ranzen der Tochter ist dagegen ein (Alb)Traum in pink, auf dem eine psychedelische Szenerie dargestellt ist, die recht gut mit „Elfen, die sich einer LSD-Orgie im Feenwald hingeben“ beschrieben werden kann.
Die Ranzen sind zwar ästhetisch fragwürdig, aber wenn wir sie abwaschen und ein wenig auslüften, können wir sie über eBay-Kleinanzeigen verschenken. Vielleicht freuen sich ein paar Erstklässler:innen darüber, die genauso geschmacksverwirrt sind, wie es unsere Kinder damals waren.
Ich verlasse den Keller. In ein paar Monaten werde ich den dritten Schritt auf meiner Entrümpelungsreise gehen. Vielleicht. Schließlich lautet ein anderes Sprichwort: „Gut Ding will Weile haben.“ Wahrscheinlich auch von Konfuzius oder Laotse erdacht, als sie ihren Keller aufräumen mussten.
05. August 2021, Berlin
Auf der Turmstraße steht ein schnittiger Sportwagen. Mit dicken Reifen, silbrig funkelnden Felgen und ordentlich PS unter der Haube. Das Auto ist nicht zu übersehen, denn der Besitzer oder die Besitzerin fand es eine gute Idee, ihn grün-metallic glänzend lackieren zu lassen, so dass es aussieht, als sei es in sehr hässliches Geschenkpapier eingewickelt worden. Irgendwie auch amüsant, dass jemand wahrscheinlich einen sechsstelligen Betrag ausgibt, um seine Mitmenschen mit seiner geilen Karre zu beeindrucken, und dann gibt es niemanden, der sagt: „Ich glaube, das mit der Farbe solltest du dir besser nochmal überlegen.“
06. August 2021, Berlin
Heute früh kommt jemand vorbei, um die Küche exakt zu vermessen. Ein guter Anlass, um unter den Küchenschränken und in den schwer zugänglichen Ecken mal richtig ordentlich staubzusaugen. Es ist doch erstaunlich, wie viel Staub und Spinnweben sich an Stellen bilden, an denen du gewöhnlich nur halbherzig und eher geschäftsmäßig sauber machst. Wahrscheinlich gibt es bei den Hempels die Redewendung: „Hier sieht’s ja aus wie bei Hanne-Herkommers unter den Küchenschränken!“
(Fun Fact am Rande: Als Kind dachte ich, dass die Redewendung „wie bei Hempels unterm Sofa“ bedeutet, dass die besagten Hempels unter dem Sofa leben, wo sie Chaos und Unordnung anrichten. Entsprechend enttäuscht war ich, sie dort nie vorzufinden.)
07. August 2021, Berlin
Auch nach drei Tagen Auslüften auf dem Balkon riechen die beiden Schulranzen noch so muffig, dass wir sie nicht einmal verschenken können. Bevor ich sie schweren Herzens entsorge, kontrolliere ich den Inhalt. Ich finde sehr viele Bleistifte, zerknüllte Zettel, Haargummis, Taschentücher (glücklicherweise unbenutzt) sowie in einer versteckten Lasche ein Geo-Dreieck, das damals wahrscheinlich unauffindbar war und deswegen ersetzt werden musste. (Es wäre auch zu naheliegend gewesen, im Ranzen danach zu suchen.)
Im Ranzen des Sohns entdecke ich seine alte Blockflöte. Ich probiere sie aus und bin erstaunt, dass ich nach mehr als 35 Jahren immer noch die ersten Takte von Der Mond ist aufgegangen auswendig kann, das Stück, das wir in der sechsten Klasse vorflöten mussten. (Ein sowohl für mich als auch für den Lehrer traumatisierendes Erlebnis.)
Während ich, zum Leidwesen meiner Frau, fröhlich vor mich hinflöte, fragen sich die Nachbar:innen wahrscheinlich, wer dieses Kita-Kind in unserer Wohnung ist, das mit sehr viel Ausdauer und sehr wenig Talent in eine Flöte bläst.
08. August 2021, Berlin
Heute ist der letzte Sommerferientag und da gibt es bei uns zum Abendessen traditionell Spaghetti-Eis. Wenn am nächsten Tag die Schule wieder losgeht, ist es gut, vorher noch ein schönes Erlebnis zu haben.
Okay, eigentlich beginnt nur für den Sohn morgen die Schule wieder. Da wir aber eine sehr empathische Familie sind, leiden wir alle mit ihm und da können wir auch ein schönes Spaghetti-Eis-Erlebnis gut gebrauchen.
Guten Appetit!
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Die Hempels unterm Sofa 😂
Herrlich….