Beim abendlichen Olympia-Schauen überlegen wir, in welcher Sportart wir am liebsten teilnehmen würden. Bei meiner Frau wäre es Schwimmen, beim Sohn selbstverständlich Judo.
Ich kann mich nicht so recht entscheiden. Auf jeden Fall nichts mit Pferden und nichts mit Wasser. Möglicherweise Breaking. Das ist neu im olympischen Programm. Früher hieß das Breakdance, aber das ist anscheinend nicht mehr cool genug, weswegen es jetzt unter der Bezeichnung Breaking firmiert. Die Teilnehmer*innen werden B-Girls und B-Boys genannt, sind überwiegend jung und vor allem sehr, sehr cool.
Da wäre es doch lustig, wenn plötzlich ein 49-jähriger, graubärtiger B-Dad auf der Bühne erschiene und losbreakt. Allerdings nur, wenn ich das richtig gut könnte. Mit meinen tatsächlichen rhythmischen und athletischen Fähigkeiten wäre das nicht lustig, sondern der größte Fremdscham-Moment der Olympischen Spiele. (Nicht nur in Paris, sondern ever.)
Dann vielleicht lieber Kajak-Fahren. Da haben die Athleten beeindruckend dicke Arme. (Insbesondere eine der beiden ungarischen Silbermedaillengewinnerinnen. Deren monströs großer Bizeps und Trizeps haben mir fast ein wenig Angst gemacht.) Ich müsste nur aufpassen, nicht ins Wasser zu fallen.
09. August 2024, Berlin
Die Schmerzen im Knöchel sind vollständig weg und ich mache im Stadion ein kleines Aufbautraining. Mit kurzen Laufphasen und langen Gehpausen. Die Seniorinnen-Gymnastikgruppe hat ihren Kurs nach draußen auf den Rasen verlegt. Das ist sehr vorteilhaft für mich, so kann ich mich trotz meines langsamen Tempos für energiegeladen und dynamisch halten kann. Außerdem schaut niemand verächtlich auf mich ab, während ich über die Tartanbahn trotte.
Am Anfang der 100-Meter-Gerade fliegt plötzlich eine Libelle neben mir her. Ich grusele mich ein wenig vor ihrem langen Körper, dem großen Kopf, den glupschigen Augen sowie ihren riesigen Flügel. Als ich die Kurve erreiche, verschwindet sie.
Auf der Gegengerade taucht wieder eine Libelle auf. Frage mich, ob sie zu zweit sind und mich bis zur totalen Erschöpfung über die Tartanbahn jagen wollen. Oder ist das die gleiche von eben, die meinen Angstschweiß gerochen hat und quer über den Platz geflogen ist, um mich abzufangen.
Wobei ich natürlich nicht wirklich Angst vor der Libelle habe. Aber Respekt. Ich stufe Tiere immer danach ein, ob ich in einem Zweikampf Mann gegen Mann beziehungsweise Mann gegen Tier als Sieger hervorgehen könnte. Bei der Libelle bin ich mir nicht sicher. Vielleicht wäre ein Unentschieden drin.
10. August 2024, Berlin
Die Tochter und C. sind beim Erkunden von Kiel im Rotlichtviertel gelandet. Eigentlich wollten sie sich den Hafen anschauen und plötzlich standen sie vor Oben-ohne-Bars, Laufhäusern und anderen Etablissements. Die andere Straßenseite hätte vollkommen normal ausgesehen. Mit Arztpraxen, Rechtsanwälten und Versicherungsbüros.
Eigentlich ganz praktisch für die Prostituierten, falls sie sich mal untersuchen lassen wollen, juristischen Rat brauchen oder eine Versicherung abschließen wollen.
11. August 2024, Berlin
Letzter Tag in Paris. Die letzten zwei Wochen waren wir sehr im Olympia-Fieber und haben viele Stunden vor dem Fernseher verbracht. Der Sohn und ich trafen uns regelmäßig mit unserem Mittagessen auf dem Sofa und schauten während des Essens den Olympionik*innen dabei zu, wie sie Hockey, Tischtennis oder Basketball spielten, ritten, schossen, kletterten, ruderten oder im Judo antraten.
Das letzte Mal, dass ich bei Olympischen Spielen so all in gegangen bin, war London 2012. Damals saßen der Sohn und ich auch häufig gemeinsam auf der Couch und haben das olympische Geschehen verfolgt. Er war fünf und sog alle Informationen wie ein Schwamm auf. Ein paar Wochen später erzählte er dann unvermittelt von einem englischen Radfahrer, wie viele Goldmedaillen er in seiner Karriere schon gewonnen hat und mit welcher Zeit er diesmal das Rennen für sich entschieden hatte. Ich dagegen konnte mich schon wenige Stunden nach der Übertragung nicht mal an den Namen des Mannes erinnern.
Schade, dass die Spiele nun vorbei sind. Dafür habe ich nun Zeit, ab morgen selbst intensiv Sport zu treiben. Dann beginnt die Vorbereitung auf den Köln Marathon Anfang Oktober. Hoffentlich erlaubt mir das meine Ferse, so dass ich sagen kann: „Dabeisein ist alles.“
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Wenn man immer von den ganzen Verletzungen, egal ob im Profisport, oder bei den Amateuren ließt, stellt sich schon die Frage…..”Ist Sport wirklich gesund?” ;-)
Wie lange hast du gebraucht, um die richtige gegenderde Form für Olympionik*innen zu finden? :-))
Lieben Gruß
Andi
Zumindest laut Winston Churchill ist Sport strikt abzulehnen. Wenn man (d.h. ich) aber gerne Kuchen isst, ist die regelmäßige Leibesertüchtigung eine Notwendigkeit.
Das Gendern von Olympionik*innen ging noch. Mein Endgegner sind die Twitterer*innen. (Zu viele “er”.)