Eine kleine Wochenschau | KW33-2023

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


14. August 2023, Berlin

Der Sohn ist bis Samstag im Judo-Trainingslager, die Tochter besucht für ein paar Tage die Großeltern im Westerwald. Meine Frau und ich können uns diese Woche also in der Rolle der Empty Nester üben. Ausprobieren, wie es so ist, wenn die Kinder groß und aus dem Haus sind.

Unsere Freizeitmöglichkeiten sind schier grenzenlos. Wir könnten uns ins Kulturleben stürzen, ins Kino gehen oder Restaurants und Bars besuchen und anschließend die Clubs der Stadt unsicher machen. (Sofern wir reingelassen werden.)

Wobei wir das alles auch sonst machen könnten. Die Tochter wohnt schließlich inzwischen den größten Teil des Jahres in Irland und der Sohn ist 16, da liegt er abends nicht im Bett und weint, wenn wir nicht da sind. Ich bin mir nicht sicher, ob es ihm überhaupt auffallen würde.

Daher habe ich meine Zweifel, ob wir diese Woche kulturell, sozial und gastronomisch wahnsinnig aktiv sein werden. (Im Hintergrund nickt die Couch und kratzt sich am Kopf.)

Das Laufen gestaltet sich heute unerfreulich. Befinde mich in der dritten Vorbereitungswoche auf den Berlin-Marathon. Der findet am 24. September statt. Mein Freund A. und ich wollen dort unsere Schmach vom Köln-Marathon im letzten Jahr ausmerzen. Falls man eine Schmach ausmerzt. Keine Ahnung. Auf jeden Fall wollen wir es besser machen.

Heute stehen 15 „flotte“ Kilometer an, wie es im Trainingsplan heißt. Im 4:59er-Schnitt. Plus drei Kilometer ein- und auslaufen. Jeweils. Dazu gehe ich ins TSV-GutsMuths-Stadion, um auf der Tartanbahn zu rennen.

Ich laufe um 8 Uhr los, damit es nicht zu warm und schwül ist. Das ist sehr vorausschauend. Dafür vergesse ich, vorher etwas zu essen. Das ist weniger vorausschauend. Außerdem laufe ich die ersten Runden zu schnell. Viel zu schnell. Irgendwas zwischen 4:40 und 4:45. Das ist noch weniger vorausschauend.

Ab Kilometer 8 rächen sich die zu wenigen Kohlehydrate und das zu hohe Tempo. Meine Beine werden immer schwerer, ich schwitze, als würde ich pro Liter Schweiß bezahlt, und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie ich noch mehr als siebzehn Runden laufen soll, ohne dem Wahnsinn zu verfallen.

Meine Gesamtsituation verbessert sich nicht, als um viertel vor neun eine Gruppe von Seniorinnen erscheint, die ihren Gymnastikkurs ins Freie verlegen. Verständlicherweise wollen sie nicht in der prallen Sonne stehen und ihre Schultern heben, Arme kreisen und auf der Stelle gehen. Sie suchen sich ein schattiges Plätzchen, das sie in der Kurve am Ende der Gegengerade finden. Dort stellen sie sich im Kreis auf, blockieren alle Bahnen und sind so in ihre Übungen vertieft, dass sie alle zwei Minuten vollkommen überrascht sind, wenn ich wieder vorbeikomme und sie Platz machen müssen.

Nach dem vierten Mal bin ich kurz davor, den Kursleiter am Kragen zu packen, ihm ins Gesicht zu brüllen: „HAL-TET GE-FÄL-LIGST EI-NE BAHN FREI, DU TROT-TEL“ und ihm bei jeder Silbe eine Ohrfeige zu verpassen. Mache ich natürlich nicht. Weil ich ein friedfertiger Mensch bin. (Wenn auch ein friedlicher Mensch mit sehr lebhaften Gewaltphantasien.) Außerdem bin ich zu erschöpft. Und ich möchte kein Stadionverbot riskieren. Es sind noch sechs Wochen bis zum Marathon. Da will ich hier noch die ein oder andere Runde drehen.

Stattdessen verlasse ich nach Kilometer 11 zu meiner eigenen Sicherheit – und der des Seniorenkurs-Leiters – das Stadion. Die restliche Strecke laufe ich draußen. Da gibt es glücklicherweise die ein oder andere rote Ampel, an der ich kurz ausruhen kann.

15. August 2023, Berlin

Heute ist Tag der Erholung. Nach dem gestrigen Laufdesaster halte ich mich daran und mache nur ein leichtes Krafttraining. Trotzdem schwitze ich unnormal viel. Als würde jemand die ganze Zeit einen Schwamm über mir ausdrücken. Das ist aber eher unwahrscheinlich. Warum sollte diese Person das machen? Und wie wäre sie in unsere Wohnung gekommen?

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In letzter Zeit bekomme ich auf Instagram regelmäßig Werbung für Senioren-Fitness-Kurse. Ohne hüpfen und schwitzen, heißt es da immer. Nur zehn Minuten am Tag. Leichte Yoga-Übungen, Wand-Gymnastik oder auf dem Boden sitzen und ein paarmal die Beine anziehen.

Am Anfang der Clips erzählt meistens ein circa 30-jähriger Dude, er hätte seinem Vater das Programm empfohlen und dieser hätte nicht geglaubt, damit so fit zu werden. Dann ist der angebliche Vater zu sehen, wie er die Übungen macht. Ich würde ihn auf circa 70 schätzen. Keine Ahnung, warum der Insta-Algorithmus denkt, dass ich dafür die richtige Zielgruppe bin. Schließlich bin ich weder 30 noch 70. (Wobei ich näher an der 30 als an der 70 bin. Zumindest die nächsten zwei Jahre.)

Die Senioren in den Clips sind wahnsinnig fit und muskulös. Die trainieren immer mit nacktem Oberkörper, was ich auch machen würde, wenn ich so aussähe, und stellen ihre ausdefinierten Bauchmuskeln, ihre voluminösen Oberarme und feste Brustmuskulatur zur Schau. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die so aussehen, weil sie zehn Minuten am Tag Liegestütze an der Wand machen oder auf dem Boden hocken und ihre Beine anheben. Eher glaube ich, sie absolvieren seit 50 Jahren täglich ein mörderisches Navy-Seals-Ausbildungsprogramm und befolgen ein striktes Ernährungsregime. Wahrscheinlich haben sie ihren letzten Schokoriegel 1957 gegessen.

Der Ernährungsaspekt kommt mir generell bei Fitness-Werbung zu kurz. Schließlich wird das Sixpack nicht in der Mucki-Bude, sondern in der Küche gemacht.

Deswegen wäre ich für ehrlichere Fitness-Werbung, in der ein durchtrainierter Mensch in die Kamera schaut und sagt. „Du willst so aussehen wie ich? Dann mach dieses Programm dreimal die Woche. UND FRISS NICHT SO VIEL KUCHEN, DU PENNER!“

16. August 2023, Berlin

Fühle mich schlapp. Direkt nach dem Aufwachen. Das geht schon die ganze Woche so. Ich schlafe wie ein Stein und morgens bin ich trotzdem vollkommen erschöpft. Meine Arme und Beine sind tonnenschwer und es kostet mich unmenschliche Willenskraft, das Bett zu verlassen.

Ob das an dem schwülen Wetter liegt? Oder dem anstrengenden Marathon-Training? Habe ich vielleicht Eisenmangel oder irgendein Vitamin-Defizit? Oder ist es das Alter? Keine Ahnung. Ich bin zu müde, um darüber nachzudenken.

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Wenigstens klappt das Lauftraining heute besser. Intervallläufe. Viermal zwei Kilometer. Ich halte bis zum Schluss das vorgesehene Tempo durch. Diesmal habe ich auch nicht vergessen, vorher etwas zu essen. Zwei Bananen. Obwohl ich Bananen nicht besonders mag. Wegen der ekligen Fäden beim Schälen. Die braucht wirklich kein Mensch. Nicht einmal ein Tier. Ich habe mal eine Affen-Doku gesehen, in der selbst ein Schimpanse mit spitzen Fingern die Fäden von der Banane abgezupft hat.

Allerdings schwitze ich wieder unnormal viel. Nach fünf Minuten ist mein Laufshirt komplett durchnässt. Vielleicht verfolgt mich doch ein Stalker und wringt Schwämme über mir aus.


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