Eine kleine Wochenschau | KW33-2023 (Teil 2)

Teil 1


17. August 2023, Berlin

Großes Kino in der Straße vor unserer Wohnung. Ein Mercedes GTI Coupé in matt schwarz versucht einzuparken. Beziehungsweise der Fahrer des Mercedes versucht es. Vom Balkon aus sehe ich nur seinen muskulösen rechten Arm, mit dem er schaltet.

Die von ihm auserwählte Parklücke ist relativ groß und an der Straßenseite gegenüber parken keine Autos, so dass es ausreichend Platz gibt, um das Auto in die Lücke zu manövrieren. Allerdings parkt der Mann ungefähr so gut ein wie ich. Das heißt, sehr, sehr schlecht. Er fährt ein Stückchen vor, bremst ab, schlägt das Lenkrad ein, schaltet, fährt ein Stückchen zurück, bremst, schlägt das Lenkrad ein, schaltet, fährt ein Stückchen vor, bremst ab, schlägt das Lenkrad ein, schaltet, fährt ein Stückchen zurück, bremst, schlägt das Lenkrad ein, schaltet, fährt ein Stückchen vor, bremst ab, schlägt das Lenkrad ein, schaltet, fährt ein Stückchen zurück, bremst, schlägt das Lenkrad ein, schaltet und so weiter und so weiter.

Das geht fünf Minuten so, ohne dass er dem Ziel des Einparkens näherkommt. Das passt gar nicht zu dem Auto und dem Arm. Zumindest in meiner klischeebehafteten Vorstellung. In der können Männer mit dicken Autos und dicken Armen gut einparken. In der Realität nicht unbedingt. Ich habe fast ein bisschen Mitleid mit dem Mercedes-Fahrer.

Inzwischen stauen sich links und rechts die Autos die Straße hinunter. Allerdings traut sich niemand zu hupen. Wahrscheinlich wegen des muskulösen Arms.

Schließlich gibt der Mann sein Parkvorhaben auf, braust mit dröhnendem Motor davon und fährt bei rot über die nächste Kreuzung.

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Meine Frau und ich liegen abends im Bett und lesen. Gerade als ich mein Buch weggelegt habe und fast eingeschlafen bin, tut es draußen einen ohrenbetäubenden Schlag: ein krachender Blitz, dicht gefolgt von einem Donnerschlag. Starkregen setzt ein, innerhalb von Minuten steht das Wasser knöchelhoch in der Straße. Meine Frau meint, das Wetter sei kaputt, ich frage mich, ob möglicherweise so die Apokalypse anfängt.

Als Kind habe ich mich sehr vor Gewittern gefürchtet. Ich saß dann bei meiner Mutter auf dem Schoß und habe geweint. Irgendwann, ich muss so sieben oder acht gewesen sein, fragte sie mich, was ich denn später machen würde, wenn meine Kinder Angst vor Gewittern hätten. Ich erklärte, dass ich dann zusammen mit ihnen weinen würde. So weit ist es aber nie gekommen.

Meine Frau und ich stehen zusammen am Fenster, schauen uns den prasselnden Regen an und zählen die Sekunden zwischen den Blitzen und Donnern. Das habe ich als Kind mit meiner Mutter auch gemacht. Zur Ablenkung und Beruhigung. Was allerdings nur funktioniert hat, wenn die Abstände größer wurden.

Es blitzt zweimal hintereinander, ohne dass es dazwischen donnert. Ich bin verwirrt. Was bedeutet das? Dass das Gewitter ganz weit weg ist? Oder befinden wir uns mitten im Auge des Unwetters? Oder funktionieren Gewitter in der Apokalypse anders?

18. August 2023, Berlin

Heute ist Tag der schlechten Poesie.

„Bitte, liebe Mutter, reich mir mal die Butter.
Danke sehr, bitte gib mir doch noch mehr.“

Damit sollte ich diesen Tag ausreichend gewürdigt haben.

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Apropos schlechte Poesie. Wir bekommen einen Brief von der Hausverwaltung. Die Neben- und Heizkostenabrechnung fürs letzte Jahr. Die gute Nachricht: Unsere Nachzahlung ist nicht vierstellig. Die schlechte: Es fehlen nur 70 Euro bis zur Vierstelligkeit.

Dabei waren wir sehr sparsam. Wir haben rund fünfzig Prozent weniger bei Heizung und Wasser verbraucht. (Robert Habeck nicht anerkennend, Winfried Kretschmann überreicht uns einen goldenen Waschlappen, Christian Lindner schaut unbeteiligt weg.)

Ich bin dankbar, dass wir in der privilegierten Position sind, in der so eine Nachzahlung zwar nervig ist – ziemlich nervig sogar –, wir sie aber verkraften können.

19. August 2023, Berlin

Unangenehmes Erlebnis beim Laufen. Heute steht der „lange Lauf“ auf dem Plan. 35 Kilometer, die letzten sechs davon im Marathontempo. Das ist aber noch nicht der unangenehme Teil.

Um auf die vorgesehenen Kilometer zu kommen, laufe ich zum Grunewald und im Grunewald herum. Bei Kilometer 15 trinke ich eines meiner Energiegels. Mit Orangen-Geschmack. Danach muss ich aufstoßen.

„Das ist nicht schlimm“, denke ich. „Hier ist ja niemand.“ Also lasse ich meinem Mund einen Röhrer entweichen, bei dem sich Hirschkühe im Umkreis von zehn Kilometern erschrocken fragen: „Scheiße, muss ich gleich ran?“

Kaum ist wieder Stille eingetreten, höre ich es links neben mir knacken. Ein dicklicher, weißhaariger Mann schiebt sich auf seinem Mountainbike an mir vorbei. Sofern er keine Noise-Cancelling-Kopfhörer trägt oder vollkommen gehörlos ist, hat er meinen Rülps er auf jeden Fall gehört.

Ich würde am liebsten im Erdboden versinken. Andererseits hat der Mann aber Glück gehabt. Wäre er eben vor mir gefahren, hätten ihn die Schallwellen vom Rad geweht.

20. August 2023, Berlin

Im Traum lädt mich eine (fiktive) Bekannte meiner Eltern zu einem Duft- und Aroma-Seminar ein. Ich habe keine Ahnung, was mir mein Unterbewusstsein damit sagen will. Ich weiß nicht mal, was überhaupt ein Duft- und Aroma-Seminar ist. Die fiktive Bekannte erklärt mir das auch nicht, sondern lädt mich ganz selbstverständlich dazu ein, als sei es genau das Richtige für mich.

Ist es aber nicht, denn ich rieche nicht gut. Damit meine ich nicht, dass ich stinke – zumindest meistens nicht –, sondern es fällt mir sehr schwer Gerüche zu erfassen. Das gelingt mir nur, wenn sie sehr intensiv sind. Ich bin anscheinend schwernasig. Das kann aber durchaus von Vorteil sein. Zum Beispiel im Sommer in der U-Bahn.


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