Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
23. August 2021, Berlin
Wir liegen abends im Bett und lesen noch, als plötzlich irgendein Getier in meine Haare springt und von dort auf das Kopfteil des Bettes. Es ist ein Grashüpfer.
Was zur Hölle macht ein Grashüpfer in Berlin und dann auch noch in unserem Schlafzimmer? Grashüpfer gehören doch aufs Land, wo sie – wie es ihr Name sagt – im Gras rumhüpfen. Vielleicht macht er einen kleinen Städtetrip und es gibt ein Insekten-Airbnb, über das er sich bei uns eingemietet hat. So ein Insekten-Aribnb würde zumindest erklären, warum wir seit fast einer Woche nachts von einer Mücke heimgesucht werden, die uns unsere Gastfreundschaft dankt, indem sie uns zersticht.
Da der Grashüpfer keine Miete gezahlt hat, fange ich ihn mit einem Glas und schmeiße ihn aus dem Fenster. So läuft das in der großen Stadt.
24. August 2021, Berlin
Auf meiner morgendlichen Laufrunde kommt mir im Schlosspark ein anderer Läufer entgegen. Als wir auf gleicher Höhe sind, hebt er die linke Hand zum Gruße. Das ist einerseits sehr nett, andererseits sehr ungewohnt. Normalerweise nicken mir andere Läufer:innen allenfalls knapp zu und meistens ignorieren sie mich komplett.
Da wir an einer recht engen Stelle aneinander vorbeilaufen, bin ich etwas verwirrt und frage mich, ob der Mann mir mit seiner erhobenen Hand signalisieren will, dass er mit mir abklatschen möchte. Das zu verweigern, wäre ziemlich unhöflich. Falls er aber kein Interesse an einem High Five hat, wäre es äußerst peinlich, wenn ich mit meiner schwitzigen Pfote seine Hand abpatsche. Schließlich bin ich so verunsichert, dass ich beide Hände hochhebe und winke. Das ist noch peinlicher, denn jetzt laufe ich wie ein Volltrottel mit wackelnden Händen an dem Typ vorbei.
Möglicherweise sollte ich noch früher laufen gehen, damit ich alleine im Park bin und niemandem begegne.
25. August 2021, Berlin
Heute früh kommt ein Elektriker vorbei. Für unsere neue Küche benötigen wir ein paar zusätzliche Steckdosen, denn bisher gibt es absurd wenige davon und die meisten liegen an absurd abwegigen Stellen.
Der Elektriker inspiziert die Küche und erklärt, das sei alles kein Problem. Da müssten nur ein paar Löcher in die Wand gestanzt, Schlitze geklopft, Kabel verlegt, das Ganze verputzt, neu tapeziert und gestrichen werden. Also, wie gesagt, kein großes Ding. Ach so, weil die Wände nicht allzu dick seien, könne es beim Setzen der Dosen im ungünstigsten Fall passieren, dass sie auf der anderen Seite der Wand durchbrechen. Wahrscheinlich sei das aber nicht, er wolle es nur gesagt haben. Dann verabschiedet er sich frohen Mutes.
Allmählich nimmt diese Küchenrenovierungsgeschichte Ausmaße an, dass es mir weniger aufwändig erscheint, ein neues Haus zu bauen und die Küche dann nach unseren Wünschen zu planen. Billiger wäre es wahrscheinlich auch.
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Meine Frau kommt von der Arbeit nach Hause und ist entrüstet. In der Mittagspause hat ein jüngerer Kollege sie gefragt, ob sie ihre Dissertation schon auf dem Computer geschrieben hätte. Nun ja, wenigstens wollte er nicht wissen, ob sie ihre Doktorarbeit in Schiefertafeln geritzt hat.
26. August 2021, Berlin
Neuer Kooperationsvorschlag für den Blog. Das Health Canal Magazine bietet mir an, die Infografik 20 Effektive Tipps zum Abnehmen von Bauchfett zu verwenden. Der Chefredakteur ist überzeugt, dass diese Ratschläge auf großes Interesse stoßen und ich einen Visitor-Ansturm erwarten könnte.
Letzte Woche Rabatt-Coupons fürs Zahn-Bleaching, diese Woche Fett-weg-Tipps. Online-Marketing-Manager:innen scheinen die Familienbetrieb-Leser:innen für gelbzahnig und fettleibig zu halten. Was werden wohl die nächsten Kooperationsofferten sein? Mundwasser gegen schlechten Atem, Naturheilmittel gegen Vergesslichkeit oder Pillen gegen Erektionsstörungen?
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Heute erscheint die aktuelle Newsletter-Ausgabe des Bayerischen Jagdverbandes. (Ein Newsletter, den ich nie bestellt habe, sondern ein Namensvetter von mir, der seine eigene E-Mail-Adresse nicht so richtig kennt.) Möglicherweise wissen Sie es noch nicht, aber der Biber ist anscheinend ein großes Thema. Nicht nur für die bayerischen Jagdfreunde, sondern auch für die wissenschaftliche Forschung. Die Humboldt-Universität zu Berlin, die Freie Universität Berlin, die Universität Göttingen und das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung untersuchen Wege zum konfliktfreien Zusammenleben von Mensch und Biber.
Was denn für Konflikte, frage ich mich. Der Biber ist doch das Tier, das uns früher alle als gut gelauntes Zahnpasta-Testimonial zum regelmäßigen Zähneputzen animiert hat. Niemand hat wohl einen größeren Beitrag zur Volkszahnhygiene geleistet als der Biber. (Allenfalls noch Dr. Best und die Tomate. Die Älteren erinnern sich.) Da kann doch niemand Beef mit den Bibern haben!
27. August 2021, Berlin
Unangenehme Lauf-Begegnung, die Zweite. Am Ende meiner morgendliche Laufrunde gehe ich die letzten 150 Meter bis zu uns nach Hause. Mir kommt eine blonde junge Frau entgegen. Es ist eine der Studentinnen aus der WG im 4. Stock, für die ich ab und an Pakete annehme.
Ich lächle sie an, hebe meine Hand etwas linkisch und sage: „Hi.” Sie schaut mich irritiert an und geht grußlos weiter. Anscheinend ist sie doch nicht eine der Studentinnen aus der WG im 4. Stock, für die ich ab und an Pakete annehme. Die Frau tut mir leid. Ich meine, wie beschissen beginnt dein Tag, wenn dich schon morgens auf der Straße ein verschwitzter, graubärtiger und leicht verzottelter Mann angrunzt?
Ich sollte wirklich früher laufen gehen, damit ich alleine unterwegs bin und niemandem begegne.
28. August 2021, Berlin
Auf Spiegel Online lese ich, dass ein Ehepaar in den USA seinem Sohn mehr als 30.000 Dollar Schadenersatz zahlen muss. Der Grund: Sie haben seine Porno-Sammlung bestehend aus Filmen, Zeitschriften und anderen Gegenständen entsorgt. Bedauerlicherweise gibt es in dem Bericht keinerlei Informationen, um was für Gegenstände es sich handelt. (Wo ist eigentlich der Investigativjournalismus, wenn du ihn brauchst?)
Nun habe ich nie eine Porno-Sammlung besessen, aber mir im Alter von 13 oder 14 mal drei Bravo-Hefte gekauft – neben den Bademodenstrecken aus den Brigitte-Zeitschriften meiner Mutter quasi die Pornografie des kleinen Mannes beziehungsweise des kleinen Jugendlichen –, weil es in den Ausgaben einen Andre-Agassi-Starschnitt gab. (Und natürlich die Dr. Sommer-Rubrik) Die Bravo-Hefte sind nicht mehr in meinem Besitz und ich kann mich nicht entsinnen, sie weggeworfen zu haben. Möglicherweise waren das meine Eltern. Diese zugegebenermaßen etwas dünne Beweislage muss ausreichen, um von ihnen ebenfalls eine Entschädigung einzufordern.
Mutter, Vater, falls ihr das hier lest: Damit wir uns alle einen entwürdigenden Rechtsstreit ersparen, bin ich mit einer Schadenersatzsumme von 20.000 Euro einverstanden.
29. August 2021, Berlin
Am 26. September steht nicht nur die Bundestagswahl an, sondern in Berlin auch die Wahl des Abgeordnetenhauses. Um meine Wahlentscheidung, die eigentlich ohnehin schon feststeht, zu bestätigen, besuche ich den Wahl-O-Mat. Ich beantworte die 38 Fragen zu Pop-up-Rad-Wegen, der Lärmschutz-Förderung für Berliner Clubs, der Verstaatlichungen von Wohneigentum und vielem mehr, um dann das erstaunliche Ergebnis präsentiert zu bekommen: Meine politischen Präferenzen stimmen zu fast 90 Prozent mit der DKP und zu 87,2 Prozent mit der Sozialistischen Gleichheitspartei, Vierte Internationale überein.
Anscheinend trifft auf mich der Spruch zu:
„Wer mit 20 nicht Sozialist ist, hat kein Herz, wer es mit 40 immer noch ist, hat kein Hirn.“
Außerdem erziele ich eine 91-prozentige Übereinstimmung mit der bergpartei, die überpartei – ökoanarchistisch-realdadaistisches sammelbecken. Möglicherweise ein weiterer Beleg für mein fehlendes Hirn.
Ich beschließe, meine Wahlentscheidung besser nicht von der Wahl-O-Mat-Auswertung abhängig zu machen.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
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