25. August 2023, Berlin
Um meine Ernährung doch etwas nachhaltiger und klimafreundlicher zu gestalten, habe ich heute einen veganen „Joghurt“ gekauft. Dieser ist laut Etikett ein fermentiertes Erzeugnis – was auch immer das sein soll – mit Erbsen- und Ackerbohnenprotein – was auch immer das sein soll – sowie aktiven Joghurt-Kulturen, von denen ich ebenfalls nicht weiß, was sie eigentlich sind. Sie sollen für einen cremig milden Geschmack sorgen.
Sagen wir so: Ich möchte nicht behaupten, die Joghurt-Simulation riecht und schmeckt nach Kotze, aber auch nicht viel besser. Wenigstens lässt sich das Pappetikett von dem Plastikbecher lösen, so dass ich beides separat entsorgen kann. Wenigstens damit habe ich etwas für die Umwelt getan.
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Ich drucke für meine Frau ein Retouren-Label aus. Für eine Jeans, die sie zurückschicken will. Auf dem Rücksendeschein muss ein Grund angegeben werden, warum das Kleidungsstück returniert wird. Meine Frau hat „I don’t like it“ eingetragen. Ich schätze, das war eine der Optionen, aus denen sie auswählen konnte.
Ich finde, „I don’t like it“ ist ein sehr harsches Urteil. Das fühlt sich für die Hose bestimmt nicht gut an. Dabei gäbe es doch sensiblere Antwortmöglichkeiten. Zum Beispiel: „It’s a fine jeans but not for me.” Oder der Klassiker: „Es liegt nicht an dir, sondern an mir.“
26. August 2023, Berlin
Heute ist Tag des Toilettenpapiers. Wahrscheinlich wurde der im ersten Corona-Lockdown erfunden.
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Nachmittags muss ich nach Steglitz. Dazu habe ich gar keine Lust. Aber sowas von nicht. Ich habe per se nichts gegen Steglitz. Außer dass es knapp neun Kilometer von Moabit entfernt ist und ich nur hinmuss, um mir eine Startnummer für den morgigen Halbmarathon abzuholen. Die Nummer ist ungefähr DIN A 4 groß, passt in einen Briefumschlag und könnte problemlos per Post verschickt werden. Ich würde dafür auch bezahlen. Sogar mit Aufschlag.
Aber nein, ich muss knapp 40 Minuten durch die halbe Stadt radeln, in ein 70er-Jahre Einkaufszentrum latschen, meinen Ausweis und die Bestätigungsmail vorzeigen, damit ich dann meine Startnummer ausgehändigt bekomme. Ein Vorgang, der ungefähr 60 Sekunden dauert, bevor ich wieder knapp 40 Minuten durch die halbe Stadt radle. 39 Minuten davon denke ich darüber nach, dass ich morgen früh um kurz nach 7 die Strecke wieder zurücklegen muss.
27. August 2023, Berlin
Als ich letztes Jahr zu dem Steglitz-Lauf fuhr, sah ich früh morgens im Tiergarten zwei Leute, die Sex hatten. Heute bleibt die Fahrt ereignislos.
Friseur-Namen auf dem Weg nach Steglitz:
- Helgas Salon
- Unique Salon
- Golden City Friseur
- Friseur Erkan (aber kein Friseur Stefan)
- Original Cut Masters
- Becky’s Haar-Stübchen
- Abschnitt 37
- Ali Barber
- Mata Haari
- Hairlich Deluxe
- Haarchitect
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Die Temperatur liegt bei circa 15 Grad, der Himmel ist leicht bedeckt und es weht eine erfrischende Brise. Eigentlich ziemlich ideale Bedingungen für einen Halbmarathon. Das verleitet mich in einer Mischung aus Übermut und Wahnwitz zu der Idee, heute unter 1:35 zu bleiben, mehr als eine Minute unter meiner Bestzeit.
Am Anfang läuft es recht gut und ich bleibe immer knapp unter den erforderlichen Zwischenzeiten. Zur Hälfte bin ich 30 Sekunden schneller als vorgesehen. Wie so ein Volltrottel, der noch nie einen Volkslauf mitgemacht hat. In der zweiten Hälfte zerreißt es mich förmlich und ich bleibe Kilometer für Kilometer hinter den Zielzeiten zurück und immer deutlicher, je länger der Lauf dauert.
Positiv ist nur, dass ich nicht, wie es mir mein innerer Schweinehund vorschlägt, ab Kilometer 18 den Rest der Strecke zum Auslaufen nutze, sondern weiterhin versuche, so schnell zu laufen, wie es mir noch möglich ist. Links und rechts ziehen die Läufer*innen, die sich das Rennen besser eingeteilt haben, zügig an mir vorbei. Ich dagegen überhole niemanden, weil sich anscheinend keine*r den Lauf noch schlechter eingeteilt hat als ich.
Als wäre das nicht schon unschön genug, verpasst mir der Laufgott eine zusätzliche Nackenschelle und lässt mich in 1:40:08 die Ziellinie überqueren, also noch nicht einmal unter 1:40. Vielen Dank für diese wertvolle Lektion.
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Heute ist der letzte Tag der Sommerferien. Da gehen wir traditionell zur Eisdiele um die Ecke und essen Spaghettieis aus der Waffel. Außer die Tochter. Die mag kein Spaghettieis. (Elterliches Scheitern hat viele Gesichter.) Sie nimmt stattdessen ein Eis mit dem grenzwertigen Namen Bimbo-Wunder, das aus drei Kugeln deiner Wahl, Sahne und einer Menge bunter Streusel sowie Mini-Smarties besteht. Die Tochter hat gerade Besuch von einer Freundin, die sie in Stockholm kennengelernt hat. Die bekommt natürlich auch ein Eis und entscheidet sich – aus Solidarität – ebenfalls für ein Bimbo-Wunder.
Meine Frau und ich sind etwas wehmütig. Es ist das letzte Mal, dass wir unser Sommerferienende-Spaghettieis-Ritual pflegen können. Nächstes Jahr macht der Sohn – voraussichtlich – Abitur, beide Kinder sind dann mit der Schule fertig, es gibt für uns keine Sommerferien mehr und somit keinen Grund, am letzten Ferientag Spaghettieis zu essen.
Dafür können wir ab nächstem Jahr außerhalb der Feriensaison Urlaub machen, dadurch Geld sparen und jeden Tag Eis futtern. Das Sommerferienende-Spaghettieis-Glas ist vielleicht doch halbvoll.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)