Eine kleine Wochenschau | KW36-2023

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


04. September 2023, Berlin

Unter unserem Balkon unterhalten sich zwei junge Frauen. Die eine erzählt, ihr Professor hätte verboten, dass während des Seminars gestrickt wird. Sie hat dafür kein Verständnis. „Ich kann doch gleichzeitig stricken und zuhören.“ Die andere Frau pflichtet ihr bei: „Genau. Und ich kann auch nicht stricken und trotzdem nicht zuhören.“

05. September 2023, Berlin

Heute ist Sei-spät-dran-für-etwas-Tag. Oder wie der Sohn sagen würde: Dienstag. Er erledigt prinzipiell alles auf den letzten Drücker. „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“ ist für ihn ein Sprichwort kleingeistiger Spießer.

Ich fürchte, ein bisschen hat er das von mir. Ich laufe auch erst richtig zur Höchstform auf, wenn die Deadline bedrohlich naherückt. Außer bei der Steuererklärung. Die mache ich immer sehr frühzeitig. Aber nur um mich vor Aufgaben zu drücken, deren Deadline noch weit entfernt ist.

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Heute früh habe ich ein dünnes, graues Baumwoll-T-Shirt angezogen. Nicht die allerbeste Kleiderwahl bei Temperaturen von fast 30 Grad. Auf dem Weg zur Post gerate ich schon nach 200 Metern ins Schwitzen und auf dem Shirt ist jeder Tropfen Schweiß sofort zu sehen.

Nach 500 Meter zeichnen sich unter meinen Achseln dunkle Stellen ab, die stetig größer werden, sich aufeinander zu bewegen und auf Brusthöhe nach Vereinigung streben. Gleichzeitig läuft mir ein Schweißrinnsal den Rücken hinunter und auf Bauchnabelhöhe bildet sich eine dünne Schweißlinie. (Eigentlich ganz interessant, wo du überall schwitzt. Aber auch unangenehm.)

Nach fünf Minuten sehe ich aus, als hätte ich ein High-Intensity-Training in einer Sauna absolviert. Oder etwas sehr Scharfes gegessen. Oder müsste mit schweren Verdauungsproblemen kämpfen. Wenn ich Glück habe, denken die anderen Menschen auf der Post, ich hätte eine infektiöse Krankheit, und lassen mich vor, damit ich schnell wieder weg bin und sie nicht anstecke.

06. September 2023, Berlin

Heute ist Kämpfe-gegen-Prokrastination-Tag. Einen Tag nach dem Sei-spät-für-etwas-dran-Tag. Genau mein Humor.

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Kurz vor halb elf. Wir liegen im Bett und lesen noch. Beziehungsweise versuchen es. Zur gleichen Zeit unterhalten sich draußen ein paar junge Männer. Als sie sich nichts mehr zu sagen haben, dann fangen sie an, sich einen Fußball in der Luft zuzuspielen. Patsch, patsch, patsch.

Wenn du einen Fußball hochhältst, kannst du nicht leise sein. Da feuerst du deinen Freund an, den Ball noch zu erreichen, und wenn er das geschafft hat, jubelst du natürlich. Das geht nicht im Flüsterton, dafür habe ich durchaus Verständnis. Aber gleichzeitig ist es 22.30 Uhr und ich würde gerne in Ruhe lesen. Ohne das Gejohle von ein paar Jugendlichen als Hintergrundmusik.

Ich überlege, ob ich ans Fenster gehen soll, um die Jungs zu bitten, sie mögen woanders Ball spielen. Ganz freundlich. Zum Beispiel auf dem Spielplatz 200 Meter weiter. Da stehen allerdings auch Wohnhäuser und damit würde ich meine Nachtruhebedürfnis über das der dort wohnenden Menschen stellen. Was aber nicht so schlimm wäre, denn ich kenne da niemanden.

Allerdings befürchte ich, dass das mit dem freundlichen Bitten nicht funktioniert. Eigentlich will ich sagen: „Hey, Leute, ich möchte euch den Spaß nicht verderben, aber könnt ihr bitte mit dem Ballspielen aufhören, wir würden gerne schlafen. Das wäre echt nett von euch, vielen Dank.“ Stattdessen mutiere ich versehentlich zu Klaus Kinski und geifere: „Was soll die Scheiße, ihr verschissenen Arschlöcher! Hört mit dem Lärm auf und verpisst euch. Sonst stopf ich euch den Ball so tief in den Arsch, dass er oben wieder rauskommt.“

Stattdessen könnte ich die Polizei rufen. Dann kann die sich um die Ruhestörung kümmern, ohne dass ich in Erscheinung trete. Allerdings möchte ich kein Mensch sein, der anderen wegen Nichtigkeiten die Polizei auf den Hals hetzt. Andererseits möchte ich auch gerne ein Mensch sein, der abends im Bett in Ruhe lesen kann.

Wahrscheinlich löst sich das Problem ganz von allein, versuche ich mich zu beruhigen. Die Dudes haben sich bestimmt nicht vor unserem Schlafzimmerfenster getroffen, um einen neuen Weltrekord im nächtlichen Dauer-Ballhochhalten aufzustellen. Ich soll Recht behalten. Nach ein paar Minuten verschwinden die Typen und es kehrt Ruhe ein. Jetzt bin ich allerdings zu müde, um noch zu lesen.

07. September 2023, Berlin

Spiegel Online berichtet, eine Gartentür von Freddie Mercury sei versteigert worden. Für 400.000 Euro. Mir wäre das zu teuer. Außerdem haben wir keinen Garten.

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Bei dm wurde das Regal mit der Zahnpasta umgeräumt. Ich würde das nicht direkt als Vollkatastrophe bezeichnen. Im Grunde ist es das aber, denn ich finde meine Zahnpasta nicht mehr. Die Zahnpasta, die ich schon seit Jahren benutze. Das kennen Sie bestimmt. Kein normaler Mensch experimentiert mit Zahnpasta. Wenn du eine gefunden hast, die dir zusagt, dann wechselst du sie nicht mehr, sondern benutzt sie, bis du stirbst.

Trotzdem kenne ich den Namen meiner Zahnpasta nicht. Vermutlich bin ich in einem Alter, wo du dir nicht mehr alles merken kannst, weil dein Gedächtnis schon mit so vielen Informationen vollgestopft ist. Bei mir zum Beispiel damit, dass Boris Becker seinen ersten Wimbledon-Titel 1985 gegen den gebürtigen Südafrikaner Kevin Curren in vier Sätzen gewann und seinen Matchball von links nach rechts mit einem Service-Winner nach außen verwandelte. Ein Wissen, dass mir beim Auffinden meiner Zahnpasta wenig nützt. Also, gar nicht.

Dass alle Zahncremes sehr ähnliche Namen haben, erleichtert meine Suche auch nicht. Immer irgendwas mit dent, med oder blend. Was soll das? Außerdem sehen die Tuben alle fast gleich aus. Meistens blau und rot. Warum? Dazu hat jede Zahnpasta irgendwelche Spezialfunktionen. Gegen Karies, gegen Parodontose, gegen Belag, gegen Zahnstein, für festeren Zahnschmelz, für weißere Zähne und so weiter und so weiter. Ich habe keine Ahnung, was die Super-Power meiner Zahncreme ist.

Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass sie immer links oben im Regal lag. Jetzt aber nicht mehr. Dort sind nun die Haftcremes. (Sollte ich mir für in 25 oder 30 Jahren merken.)

Außerdem weiß ich, dass meine Zahncreme eine leicht körnige Konsistenz hat. Das hilft mir aber nicht weiter. Ich glaube nicht, dass das dm-Personal allzu begeistert wäre, wenn ich anfange, das Zahnpasta-Sortiment durchzuprobieren.

Ich beschließe, den Zahnpasta-Kauf zu verschieben. Wenn ich das nächste Mal zu dm gehe, mache ich vorher ein Foto meiner Zahnpasta-Tube. Dann sollte nichts mehr schief gehen.


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