Eine kleine Wochenschau | KW40-2024

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


30. September 2024, Berlin

Kaum habe ich den McPaper an der Turmstraße betreten, flötet mich die Verkäuferin schon an: „Einen wunderschönen guten Tag, kann ich Ihnen helfen?“ Sie strahlt übers ganze Gesicht, als sei sie Teilnehmerin beim Wettbewerb „Die fröhlichste Person der Welt“.

Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so viel gute Laune verströmt habe. Wahrscheinlich noch nie. Mich überfordert das. Wie soll ich mit so viel Frohsinn umgehen? Ich will doch nur Paketband kaufen.

Bei McPaper sind die Verkäuferinnen immer überaus zuvorkommend und so amerikanisch gut gelaunt. Deswegen vermeide ich, dort einzukaufen. Wahrscheinlich ist das Company Policy. Dass du so gut drauf sein musst, als hättest du eine XXL-Packung Aufheller gefuttert. (Vielleicht ist das auch Teil der Company Policy. Als Start in den Tag werden gemeinsam ein paar Serotonin-Booster eingeworfen.)

Nachdem ich bezahlt habe, zwitschert die Frau: „Einen wunderschönen Nachmittag noch und viel Spaß mit dem Paketband.“ Wie soll man Spaß mit Paketband haben? Ich will einfach ein paar Päckchen zukleben. Gehe danach zu Penny. Da sind die Kassierer*innen zum Glück angenehm muffelig, wie sich das für Berlin gehört.

Titelbild mit einer Tartanlaufbahn. Darauf steht ein Schild mit der Aufschrift: "Achtung! Laufbahn beschädigt!"

01. Oktober 2024, Berlin

Heute ist Tag des Kaffees. Merkwürdig. Ich dachte, jeder Tag ist Tag des Kaffees?

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An der Kasse bei Penny. Vor mir ein Mutter, gestresst. Ihre circa 8-jährige Tochter bettelt sie wegen eines Treuepunkte-Stofftiers für einen Euro an. Dafür fehlen der Mutter aber die Treuepunkte. Im Kinderwagen schreit ein Zweijähriger. Er möchte nicht mehr seinen Donut essen. Stattdessen will er eine Tüte Lebkuchenherzen, die im Warteschlangenbereich ausgestellt sind.

Die Frau seufzt. „Was für ein Alter. Immer am Brüllen.“ Dann greift sie ins Regal und legt ein Fläschchen Wodka Gorbatschow aufs Kassenband.

02. Oktober 2024, Berlin

Sitze morgens auf dem Sofa und versuche mit Hilfe von Kaffee meine Lebensgeister zu wecken. Die erweisen sich als widerstandsfähig und wollen gar nicht geweckt werden. Kann ich gut verstehen, ich würde auch lieber noch im Bett liegen.

Meine Frau ruft mich ins Badezimmer. Sie hat ein Handtuch um ihre Schulter liegen und streckt mir unseren Langhaarschneider und einen Kamm entgegen: „Kannst du bitte hinten den Haaransatz gerade machen.“

Bei der Kurzhaarfrisur meiner Frau ist das eigentlich kein großes Ding, den Nacken etwas nachzurasieren. Trotzdem fühle ich mich unwohl. Jedes Mal, wenn ich das bei meiner Frau mache, denke ich, niemand auf der Welt ist weniger zum Haareschneiden qualifiziert als ich. Und das schließt Kita-Kinder ein, die sich mit Bastelscheren gegenseitig die Ponys verunstalten.

Außerdem habe ich, während ich ungeschickt mit Kamm und Haarschneider hantiere, die ganze Zeit Angst, gleich kommt N., der Friseur meiner Frau, der auch meiner ist, ins Bad gestürmt und brüllt mich an: „Was machst du denn da? Bist du von allen guten Geistern verlassen?“

Gleichermaßen ahnungs- und planlos kämme ich die Nackenhaare nach unten. Alles, was mir zu lang erscheint, rasiere ich weg. Mit zittriger Hand, denn wenn ich an einer Stelle zu viel weg mache, muss ich beim Rest auch etwas wegschneiden und falls ich dort etwas zu hoch ansetze, muss ich wieder am Anfang korrigieren und das geht dann immer so weiter, bis meine Frau eine Hinterkopfglatze hat, die eher nicht zu den Trendfrisuren 2024 zählt. Wahrscheinlich auch in keinem anderen Jahr.

03. Oktober 2024, Berlin

Heute ist nicht nur Tag der deutschen Einheit, sondern auch Tag des Virus. Ein seit Corona nicht mehr allzu populärer Feiertag.

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Lese mir die Medienschau durch, die mir meine Eltern gestern geschickt haben. Darunter ist der Artikel „Mann trägt jetzt Locken. Welche Frisuren für Herbst und Winter im Trend sind.“ Vielleicht wäre der hilfreich gewesen, bevor ich meiner Frau den Nacken ausrasiert habe.

Durch den Beitrag lerne ich, dass es viele verschiedene Lockenfrisuren für ganz unterschiedliche Haarlängen gibt. Das krause Haar kann mit kurzen Seiten oder gar Undercut getragen werden, als Fringe (Seiten und Nacken kurz, Oberkopf und Pony lang), im Cherub Look (Locken fallen in die Stirn) oder als Night Ride (an den Seiten fließend gelockt bis knapp über die Schultern, das Pony kurz und stark gewellt).

Als Kind hatte ich auch Locken. Aber keine Trendfrisur, sondern meine Mutter schnitt mir die Haare. Aber nicht allzu oft, da ihr meine Locken so gut gefielen. (Vielleicht fand sie Haare schneiden auch nur super nervig und hat das deswegen nur selten gemacht.)

Meine Haare wuchsen damals nicht in die Länge, sondern in die Höhe und Breite. Weil ich gleichzeitig sehr blond war, sah ich im Kindergartenalter wie eine Mischung aus Bob Ross und Rauschgoldengel aus.

Aufgrund meiner Lockenpracht hielten mich die Leute regelmäßig für ein Mädchen, was meine fragile Männlichkeit als Fünfjähriger nur schwer verkraftete. Als mich mal wieder eine ältere Dame verzückt ansah und sagte: „Na, was bist du für eine hübsche Kleine.“, erwiderte ich mit zornesgefalteter Stirn: „Ich bin ein Junge. Soll ich dir das zeigen?“

Bevor es zu exhibitionistischen Aktivitäten meinerseits kam, scheuchte mich meine Mutter weg und schnitt mir von da an etwas häufiger die Haare.


Teil 2


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