Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
09. Oktober 2023, Berlin
Meine Frau hat Süßigkeiten für Halloween gekauft. Vier Wochen vor Halloween. Weiß sie denn gar nicht, mit wem sie seit über 25 Jahren zusammen ist?
10. Oktober 2023, Berlin
Ich stehe beim Arzt auf der Toilette, einen Becher in der rechten Hand und es passiert: nichts.
Ich habe nie meinen Check-up-35-Termin wahrgenommen und dachte vor ein paar Wochen, ich könnte das vielleicht mal mit 13 Jahren Verspätung nachholen. Dazu muss ich zunächst in die Praxis zur Blutabnahme. Das hat eben eine junge schüchterne Frau erledigt, die mir Blut in eine erstaunlich große Zahl an Röhrchen abzapfte.
Anschließend maß sie meinen Blutdruck und ich musste mich auf eine Waage stellen. Diese zeigte eine unerfreulich hohe Zahl an, von der die Frau zwar noch zwei Kilo abzog – wegen Kleidung und Schuhen –, aber drei Kilo wären mir noch lieber gewesen. Kurz überlegte ich, mit ihr zu diskutieren, dass meine Klamotten sicherlich deutlich mehr wiegen. Mein Sweatshirt ist schließlich aus Baumwolle und Bäume sind ja schwer.
Da hatte sie mir aber schon einen Plastikbecher in die Hand gedrückt und etwas von Urinprobe geflüstert. Dummerweise war ich, bevor ich zum Arzt ging, zuhause noch auf Toilette. Nun warte ich darauf, dass sich meine Blase erbarmt, ein wenig Pipi freizugeben. Die denkt sich: „Alter, hetz’ mich nicht. Ich bin hier auf Arbeit und nicht auf der Flucht.“
Die junge Frau hatte mich darauf hingewiesen, die Probe müsse aus Mittelstrahl-Urin bestehen. Ich befürchte, viel mehr als einen Vorstrahl hat meine Blase nicht auf Lager. Dass sie einen Mittel- oder gar Nachstrahl ablässt, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Dafür fehlt mir die Phantasie. Und der Urin.
Wie viel Milliliter werden für eine Urinprobe eigentlich benötigt, frage ich mich. Reichen drei Tropfen? Vielleicht kann ich die mit ein wenig Wasser auffüllen.
Während ich taten- und urinlos rumstehe, erinnere ich mich daran, wie mir im Zivildienst ein Zivikollege von seiner erfolgreichen Warzenbehandlung mit Eigenurin erzählt hat. Er hätte sich beim Duschen regelmäßig auf die Hand gepinkelt und irgendwann sei die Warze weg gewesen. Das kann ich gut verstehen. Bei einer täglichen Golden Shower würde ich mich auch aus dem Staub machen.
Ich fragte mich seinerzeit, warum mir der andere Zivi das erzählt. So gut kannten wir uns gar nicht. Selbst wenn wir befreundet gewesen wären, hätte ich auf diese Information gerne verzichtet. Von da an achtete ich penibel darauf, dass ich nicht in eine Situation komme, in der ich ihm die Hand schütteln muss.
Die Erinnerung an die Eigenurin-Story animiert meine Blase, doch ein wenig Urin zur Verfügung zu stellen. Sogar eine akzeptable Mittelstrahl-Menge. Der Becher füllt sich allmählich und eine angenehme Wärme durchströmt meine Hand.
Warum ich die Wärme meines Pipis als angenehm empfinde, möchte ich lieber nicht ergründen. Und definitiv erzähle ich das niemanden, mit dem ich nur entfernt bekannt bin. Das schreibe ich lieber in den Blog, der von tausenden Menschen gelesen wird. Aber die kenne ich größtenteils gar nicht.
11. Oktober 2023, Berlin
Heute ist Nimm-deinen-Teddybär-mit-zur-Arbeit-Tag. Für mich als Home Officer ist das leicht umzusetzen. Ich besitze immer noch den Bären, den ich 1975 zu meiner Geburt bekam. Er heißt Toddel, ist circa 40 Zentimeter groß, also kaum kleiner als ich als Säugling, und hatte mal flauschiges Fell, das inzwischen sehr ausgedünnt ist.
Toddel liegt in einer Kiste im Kleiderschrank der Tochter. Wenn ich daran denke, macht mir das ein schlechtes Gewissen. Früher schlief Toddel in meinem Bettchen, nun fristet er sein Dasein in einem Karton in einem Schrank.
In der Kiste befinden sich noch andere Stofftiere. Die leben dort alle gemeinsam und leisten sich gegenseitig Gesellschaft. Bilde ich mir zumindest ein. Das entlastet mein Gewissen, denn es hört sich nicht so kaltherzig an wie: „Ich habe meinen Bären, der mich in meiner Kindheit begleitet hat, in einen dunklen Karton gestopft.“
Ich kann Toddel jedoch nicht einfach aus der Kiste holen. Das wäre gegenüber den anderen Stofftieren unfair und Stofftieraugen können sehr, sehr traurig schauen. Da müsste ich schon alle Tiere aus dem Schrank lassen. Aber kein halbwegs normaler 48-Jähriger staffiert seine komplette Wohnung mit Bären, Hunden, Hasen und anderem Plüschgetier aus.
Das erinnert mich daran, dass mein Vater früher einen Kollegen hatte, der sehr viele Teddybären besaß. Die hockten in seinem Wohnzimmer zu Dutzenden auf Schränken, in Regalen und auf dem Sofa. Manche trugen Puppenkleidung und er zog sie regelmäßig um. Als Kind fand ich das toll. Ich wunderte mich damals auch nicht, dass der Kollege sehr lange Junggeselle war.
Um die Illusion aufrechtzuerhalten, halbwegs normal zu sein, bleiben meine Stofftiere im Schrank. Ich rede mir einfach ein, dass es ihnen dort gut geht und sie nachts rauskommen und gemeinsam die Wohnung unsicher machen. Ob das für einen 48-Jährigen noch als halbwegs normal durchgeht, ist mir egal.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)