Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
07. Oktober 2024, Bonn/Berlin
Rückreise von Bonn nach Berlin. Im Zug telefoniert eine junge Frau. (Und mit jung meine ich Mitte 30, mit zunehmendem Alter verschiebt sich meine Definition von jung stetig nach oben.) „Sie sind schon der zweite Mann heute, der mir sagt, ich erinnere ihn an seine Mutter“, erklärt sie ihrem Gesprächspartner und lacht gequält.
Das ist bestimmt der Traum einer jeden Frau. Dass ein Mann zu ihr sagt: „Du bist wie meine Mama.“
08. Oktober 2024, Berlin
Lange Schlange bei Penny. Ein Mann hat Probleme mit der Penny-App und versteht nicht, warum sie das Rasierklingen-Sonderangebot von letzter Woche nicht mehr annimmt. Eine Kundin besteht darauf, dass ihre mehr als 30 Waren noch einmal eingescannt werden, weil etwas mit den Payback-Punkten nicht funktioniert hat. Eine Pfandsammlerin, die des Deutschen nicht mächtig ist, stellt sich auch nach mehrfacher Aufforderung nicht ans Ende der Schlange an, um ihren Bon einzulösen, sondern bleibt stoisch an der Kasse stehen.
Die Kassiererin macht den Eindruck, dass sie nur noch einen Storno von einem Ausbruch à la Michael Douglas in „Falling Down“ entfernt ist.
Ich räume meine Lebensmittel so schnell wie möglich in meinen Einkaufswagen. Auf das Scannen meiner Payback-Karte verzichte ich. Sicher ist sicher.
09. Oktober 2024, Berlin
Ein 16-jähriger aus Texas hat als Erster den Videospiel- Klassiker Tetris bis zum Ende gespielt und dabei alle 255 Level gemeistert. Respekt. Ich habe als 18-jähriger in der Abi-Lernphase so viel Tetris gespielt, dass mich das schätzungsweise 0,2 Punkte meiner Abschlussnote gekostet hat. Welches Level ich dabei erreicht habe, weiß ich nicht mehr.
Aus den Berichten ist nicht ersichtlich, ob der texanische Teenager noch zur Schule geht. Nur dass er zweimaliger Tetris-Weltmeister ist. Damit kannst du deinen Lebenslauf auch aufhübschen. „Ich habe keinen Schulabschluss, bin aber Tetris-Weltrekordhalter.“
Ich würde so jemanden einstellen. Das zeugt von Zielstrebigkeit, Ehrgeiz und extrem großem Durchhaltevermögen. Außerdem könnte ich mir dann vielleicht ein paar Tricks abschauen.
10. Oktober 2024, Berlin
Die Tagesvorschau bei Radio Eins wartet mit der Information auf, dass der Van-Halen-Frontmann David Lee Roth heute 70 wird. Bei Van Halen muss ich immer an unseren USA-Familienurlaub 1986 denken.
Damals besuchten wir unter anderem Disneyland. Dort konnte man an einer Station Musikvideos nachspielen. So richtig mit Kostümen, Instrumenten und Lightshow. Das Ganze wurde gefilmt und man konnte sich das als Andenken mit nach Hause nehmen.
Wir sahen einer Familie dabei zu, wie sie den Van-Halen-Klassiker „Jump“ performte. Insbesondere der Vater, der den Leadsänger mimte, ging all in und hüpfte beim Refrain wie ein Flummi durch das Studio.
Ich war vollkommen begeistert und bekniete meine Eltern, dass wir auch so ein Video aufnehmen, aber sie ließen sich nicht erweichen. Pädagogisch gesehen sollen Kinder in einer Ja-Umgebung aufwachsen, die sie in ihrer Entwicklung unterstützt und ihre Kreativität fördert. Rückblickend habe ich dennoch größtes Verständnis für die Entscheidung meiner Eltern. Ich bin mir sehr sicher, dass mir ihr Nein weniger geschadet hat als die Existenz eines Videos, auf dem wir zu viert „Walk this way“ von Aerosmith und Run DMC aufführen.
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Heute hat nicht nur David Lee Roth einen Grund zu feiern, sondern ich auch. Heute ist offizieller Veröffentlichungstermin meines neuen Buchs „Wenn ich groß bin, werde ich Gott“. Das ich für den Sohn geschrieben habe, der – zu Recht – viele Jahre bemängelt hat, in meinen bisherigen Büchern nicht aufzutauchen.
Richtig zum Feiern ist mir aber gar nicht zumute, denn so ein Buch-Launch ist eine merkwürdige Sache. Den Text habe ich bereits vor Monaten fertiggestellt, anschließend durchlief er das Lektorat, irgendwann kamen Layout und Cover-Illustrationen dazu, später erhielt ich ein gedrucktes Probeexemplar, zwischenzeitlich beschäftigte ich mich mit Werbung, Marketing und Social-Media-Kram und dann lieferte die Druckerei neun große Kartons mit 1.000 Büchern, die ich in die Wohnung schleppen und auspacken musste.
Nach diesem langen Prozess ist dein eigenes Buch am Veröffentlichungstag keine Neuigkeit mehr. Statt Stolz und Freude überwiegen eine gewisse Überdrüssigkeit sowie die Sorge, dass niemand das Buch gut findet und sogar herauskommt, dass ich das gar nicht kann, sondern ein schreibender Hochstapler bin. (Oder ein hochstapelnder Schreiberling.)
Kaufen Sie das Buch bitte trotzdem. Ich möchte nicht auf Dauer 1.000 Bücher in meinem Arbeitszimmer lagern müssen.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)