20. Oktober 2022, Berlin
Heute steht meine Corona-Booster-Impfung an. Oder „Impfung No 4“, wie Lou Bega singen würde. Den Termin hat meine Frau organisiert. Das klingt ein wenig, als sei ich komplett lebensunfähig und meine Frau müsste mir abends immer die Klamotten für den nächsten Tag rauslegen. Bei ihr im Ministerium wurden aber Impftermine angeboten und es bestand die Möglichkeit, auch Termine für Haushaltsangehörige auszumachen.
Nun stehe ich im Justizministerium in einer Art improvisiertem Pop-up-Impfzentrum. Bei der Anmeldung fragt mich ein freundlicher junger Mann vom DRK, ob ich auch eine Grippe-Impfung wünsche. Da das Ganze hier ja von den Steuerzahler*innen bezahlt wird innen – und damit auch von mir –, willige ich ein.
Als ich mich in den Wartebereich setze, fällt mir auf, dass ich meine Jogginghose trage. Heute morgen hatte ich mir noch gesagt, du musst nachher daran denken, eine andere Hose anzuziehen. Im Prinzip denke ich ja jetzt, was technisch gesehen, „später“ ist, allerdings etwas zu spät.
(Um ehrlich zu sein, hatte ich kurz, bevor ich losgefahren bin, sogar daran gedacht, dass ich eigentlich eine Jeans anziehen wollte, aber ich war zu faul. Es erscheint mir jedoch vorteilhafter, wenn ich diese Anekdote so erzähle, dass ich ein wenig schusselig rüberkomme, anstatt als jemand, dem die Kontrolle über sein Leben so weit entglitten ist, dass er in Jogginghosen ins Ministerium geht.)
Während ich über die Unangemessenheit meiner Beinkleidung nachdenke, betritt ein weiterer Impfling den Raum. Er trägt Sportleggings und einen Fahrradhelm. Sehr gut. Jetzt gibt es in der Unangebrachten-Bekleidungs-Hackordnung jemanden, der unter mir steht und über den ich mich erheben kann.
Nach einer kurzen Wartezeit kann ich eine der Impfkabinen betreten. Dort erwartet mich eine junge Ärztin. Zur Begrüßung nennt sie ihren Namen. Ich vergesse ihn sofort wieder und überlege, ob von mir auch erwartet wird, mich namentlich vorzustellen.
Da fragt die Ärztin bereits, ob ich Fragen hätte. Ich habe viele Fragen. Sehr viele sogar. Warum gehen Scheibenkäse-Verpackungen immer so schwer auf? Warum erlaubt mir mein Stoffwechsel nicht, so viel Kuchen und Kekse zu essen, ohne dick zu werden? Und lebt der alte Holzmichl immer noch? Da ich aber glaube, dass sie darauf keine Antworten hat, verneine ich.
Die Ärztin widmet sich nun den Spritzen. „Es kann sein, dass sie morgen etwas heftiger reagieren, weil sie zwei Impfungen bekommen“, erklärt sie mir. „Das muss allerdings nicht sein.“ Dann macht sie eine kleine Pause. „Aber es ist ziemlich wahrscheinlich.“ Sie betont das ziemlich überdeutlich, damit ich mir ja keine Illusionen über die zu erwartenden Impfreaktionen mache. Dann wäre das auch geklärt.
21. Oktober 2022, Berlin
Ich habe heute zwar keine heftige Reaktion, wie von der Ärztin prognostiziert, fühle mich aber etwas matschig in der Birne. Mein Geist ist nicht ganz so flott unterwegs und auch meine Bewegungen scheinen mir ein wenig verlangsamt zu sein. Außenstehenden fällt wahrscheinlich kein Unterschied zu sonst auf.
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Am College der Tochter wird heute ein großer Ehrentag begangen. PAW Officer Alfie, der Uni-Therapiehund, wird zehn. Zur Feier des Tages erhält er einen Hunde-Cup-Cake und die Studierenden kommen zum Gratulieren vorbei.
Bei unserem abendlichen Telefonat fragt meine Frau die Tochter, ob Alfie eigentlich lieb sei. Eine etwas merkwürdige Frage, wie ich finde. Als Therapiehund ist es schließlich seine Aufgabe, Studierenden ihre Sorgen und Ängste zu erleichtern, indem sie ihn streicheln und mit ihm kuscheln. Da wäre es eher ungünstig, wenn Alfie menschenscheu wäre, alles anknurrt, was sich ihm nähert, und versuchen würde, die schmusebedürftigen Studierenden durch gezielte Bisse in die Schlagader ausbluten zu lassen. (Klingt eigentlich wie ein ganz guter Plot für einen Stephen-King-Roman.)
22. Oktober 2022, Berlin
Der Briefträger klingelt und überreicht mir eine lange Paketrolle. Ich kann mit dem Absendernamen nichts anfangen und entsinne mich auch nicht, irgendetwas bestellt zu haben. Und schon gar nichts, was in Paketrollen angeliefert werden muss.
Es stellt sich heraus, dass es sich um ein Geschenk eines Lesers handelt. Dubro – ich hoffe, ich habe den Namen richtig gelesen – hat mir einen Laufkalender für 2023 zukommen lassen. Auf diesem kannst du für jeden Tag, den du läufst und für alle fünf Laufkilometer ein Feld freirubbeln und dadurch entsteht ein buntes Kunstwerk. Ein kleines Dankeschön für die Familien-Tweets und als Trainingsmotivation für nächstes Jahr, wie Durbro schreibt.
Wahrscheinlich möchte Dubro nie wieder einen Bericht lesen, wie ich an Geist und Körper ermattet würdelos über die Kölner Marathonstrecke schlurfe. Wird er auch nicht, denn Arne und ich haben uns diese Woche für den Berlin Marathon im nächsten Jahr beworben. Falls wir einen Platz bekommen, gibt es dann einen Bericht, wie wir an Geist und Körper ermattet über die Berliner Marathonstrecke schlurfen.
Ein ganz herzliches Dankeschön an Dubro. Ich habe mich sehr über den Kalender gefreut!
23. Oktober 2022, Berlin
Gestern kam mit der Post auch die regelmäßige Presse- und Medienschau meiner Eltern. Neben einigen Kochrezepten und Ratgeber-Tipps liegen einige Artikel aus der Apotheken-Umschau bei, die ich durchaus lesenswert finde. Anscheinend bin ich nun in einem Alter, in dem die Apotheken-Umschau meine Go-To-Informationsquelle wird. Schön, schön, schön.
Außerdem haben mir meine Eltern eine Broschüre zum Thema Gedächtnistraining geschickt. Nun frage ich mich, ob das ein subtiler Hinweis ist, dass ich irgendetwas vergessen habe. Einen Geburtstag, einen Jahrestag oder so etwas. Ich glaube nicht, bin mir aber nicht sicher. Ich werde meine Eltern einfach fragen, wenn wir das nächste Mal telefonieren. Hoffentlich vergesse ich es nicht.
Alle Beiträge der Wochenschau finden Sie hier.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Danke für den Lachanfall an mehreren Stellen! 😂😂😂🤗