Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
14. Oktober 2024, Berlin
Für die Tochter startet ihr Studium in Kiel. Soziologie und Politikwissenschaft. Erstmal Einführungstag, bei dem sich die Institute der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät vorstellen. (Selbstverständlich haben die Wirtschaftswissenschaften darauf bestanden, trotz alphabetischer Nachrangigkeit in der Fakultätbezeichnung an erster Stelle geführt zu werden.)
Unter anderem erfährt die Tochter, dass an der Christian-Albrecht-Universität 27.000 Studierende studieren. Rund 10. 000 Menschen mehr als in Carlow leben, ihrer alten Uni-Stadt in Irland.
Die Universität bezeichnet sich selbst mit dem Kürzel CAU. Vermutlich soll das cool klingen und entscheidende Vorteile im globalen Wettbewerb um die klügsten Köpfe verschaffen. Ich habe dabei die unvorteilhafte Assoziation mit GAU, dem größten annehmbaren Unfall.
Schön ist die Startmeldung auf der CAU-Website. „Elefanten erinnern sich nach vielen Jahren an Tierpfleger.“ Klingt wie eine Meldung auf der Seite Vermischtes in der SZ, handelt aber von einer Studie am Zoologischen Institut, für die die Arbeitsgruppe „Zoologie und Funktionsmorphologie der Vertebraten“ verantwortlich ist. (Viel Glück den Arbeitsgruppen-Mitgliedern, wenn sie ihren Eltern erklären müssen, was sie genau machen.)
Das Video „Liebe. Für Euch.#LOVECAU“ stellt die Uni und die Stadt Kiel humorig vor. Am Ende des Clips klärt mich ein junger Mann auf – Studi oder Komparse? –, CAU werde nicht als Wort, sondern als Abkürzung ausgesprochen. Also, wie ARD, ICE oder THC und nicht wie eine fatale Katastrophe in einem Kernkraftwerk.
15. Oktober 2024, Berlin
Zu meiner Freude bestellen die Leute fleißig „Wenn ich groß bin, werde ich Gott“. (Falls Sie das bisher versäumt haben, können Sie das hier nachholen.)
In den letzten Tagen durfte ich circa 50 Bestellungen mit Widmungen versehen. Zu meiner eigenen Überraschung habe ich mich erst einmal verschrieben. Bei einer Sonja fing ich den Namen versehentlich mit San an. Nun muss ich hoffen, dass eine Sandra ein Buch mit Widmung kauft. Oder Sandro Wagner?
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Moabit, wir haben ein Problem: Die riesige Monsterspinne im Hinterhof ist nicht mehr da. Ihr Netz am Fenster des Betreuungsbüros im Erdgeschoss ist leer. Mir ist unbehaglich. Das Einzige, was schlimmer ist als eine riesige Monsterspinne, ist eine riesige Monsterspinne, von der du nicht weißt, wo sie ist.
16. Oktober 2024, Berlin
Der 16. Oktober ist Boss Day. Warum existiert so ein Tag? Wenn du Boss bist, hast du doch jeden Tag Boss Day.
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Herbstzeit ist Kastanienzeit. Kastanien werden aber nicht nur tonnenweise von Kindern gesammelt, um sie zu lustigen Figürchen zu verarbeiten. Sie kommen auch bei den so genannten World Conker Championships zum Einsatz. Die Teilnehmenden befestigen dabei Kastanien an Schnüren und schlagen sie dann gegen das Spielgerät ihrer Kontrahent*innen, bis die erste Kastanie kaputt geht.
Der Spiegel und andere Medien berichten, die Kastanien-WM-Gemeinde sei in Aufruhr: Bei den diesjährigen Meisterschaften soll es einen Betrugsskandal gegeben haben. Dem diesjährigen Weltmeister, der 82-jährige Brite David Jakins, wirft sein unterlegener Finalgegner vor, er habe sich einen regelwidrigen Vorteil durch den Einsatz einer Stahlkastanie verschafft. Jakins weist die Anschuldigung zurück und führt seinen Sieg auf seine exzellente Schlagtechnik zurück.
Ich finde das toll. In einem nischigen Nischen-Wettbewerb, gegen den Lacrosse und Indiaca als massenkompatibler Breitensport gelten können, spielen sich Dramen wie in einem Shakespeare-Stück ab. Hoffentlich hat sich Netflix die Rechte gesichert.
Ich freue mich jedes Jahr auf die Kastanienzeit. Dann suche ich mir immer eine schöne große Kastanie aus, die ich in der Hosentasche mit mir rumtrage. Beim Spazierengehen oder auf dem Weg zum Supermarkt lasse ich sie durch meine Hand gleiten, weil sich das so angenehm anfühlt. Wie bei einem Handschmeichler.
Außenstehende halten mich allerdings vermutlich für einen Perversling, der durch die Straßen läuft, seinen rechten Hoden massiert und versonnen lächelt.
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Zum Socializing und Bonding mit den Kolleg*innen hat meine Frau abends Referatstreffen. Sie gehen in eine Kreuzberger Gaststätte zum Kegeln.
Quasi wie früher Kindergeburtstag. Vielleicht dürfen alle eine Fanta trinken, der Unterabteilungsleiter gönnt sich zwei, drei Bierchen und quarzt ein halbes Päckchen Kippen weg. Zum Schluss gibt es Schnitzel und Pommes, für die Vegetarier*innen nur Pommes.
17. Oktober 2024, Berlin
Meine Frau kommt nach Hause und ist empört. Auf einer offiziellen Veranstaltung im Innenministerium wurde ihr Fahrradhelm nebst Handschuhen geklaut. Was sagt das über die innere Sicherheit des Landes aus, wenn das Bundesministerium des Innern nicht einmal Diebstähle im eigenen Haus verhindern kann?
18. Oktober 2024, Berlin
13 Uhr. Der Sohn verlässt das Haus. Er trifft sich mit einem Freund zum Frühstück. Anschließend gehen sie zur Hertha ins Stadion. Ich weiß nicht, ob ich ihn mehr darum beneide, dass er so spät frühstückt oder so lange.
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Seit einigen Tagen spielt mir Facebook in irritierender Regelmäßigkeit Posts zu den Backstreet Boys ein. Meistens Damals-und-heute-Fotos von 1994 und 2024, die dokumentieren sollen, wie die fünf Knaben sich verändert haben. (Erstaunlich wenig, wenn ich das mit 30 Jahre alten Bildern von mir vergleiche.)
Ich habe keine Ahnung, warum Mark Zuckerberg denkt, ich interessiere mich für die Backstreet Boys. Das habe ich noch nie getan. Auch nicht für irgendeine andere Boybands. Im Gegenteil, ich fand die alle super nervig. Besonders die Begeisterung, die meine Schulkameradinnen ihnen entgegenbrachten. Wie sollst du als verpickelter Teenager mit Nick Carter, Donnie Wahlberg oder Robbie Williams konkurrieren?
„Back for good” von Take That fand ich allerdings gut. Das war – beziehungsweise ist – ein Spitzen-Song. Vielleicht hätte so ein Pelzmantel, wie Robbie Williams in dem Video ihn trug, meine Chancen bei den Mädchen erhöht. Oder ich wäre endgültig unvermittelbar gewesen.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
😭 Ich bin schwer enttäuscht. In meinem Buch haben Sie nicht unterschrieben. Dabei komme ich nicht mal aus einem kleinen Dorf, sondern aus einer kleinen Großstadt, nämlich aus Freiburg. Oder hätte ich sonst mehr Chancen gehabt? Wir werden es nie erfahren.
Traurige Grüße
Renate
Die Chancen wären sogar sehr gut gewesen, da ich in Freiburg Zivildienst gemacht habe. Bei der Bestellung stand aber nicht dabei, dass eine Widmung gewünscht ist. Sonst hätte ich das natürlich gemacht.
CAU könnte dann die coolste anzunehmende Uni sein, oder? Guten Start dort!
Ich würde aus Prinzip immer “Kau” sagen und nicht “Zeh-a-uh”. Eventuell noch französisch (Ceau) “ßo!”.