Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
23. Oktober 2023, Berlin
Seit gestern verspüre ich einen leichten Muskelkater. Im Gesäß. Wahrscheinlich vom Kegeln am Samstagabend. Ich habe dieses Jahr zwei Marathons absolviert, laufe 250 bis 300 Kilometer pro Monat und mache drei- bis viermal die Woche Krafttraining. Und dann bekomme ich Arschmuskelkater von zwei Stunden Kegeln?
Was will mir mein Körper damit sagen? Dass ich ein Weichei bin? Oder dass ich meine Gesäßmuskulatur mehr trainiere? Vielleicht sollte ich häufiger kegeln gehe.
Im Hausflur hängt ein Zettel. Am 30. Oktober kommt der Schornsteinfeger zur Kontrolle der Rauchwarnmelder. Eine gute Gelegenheit, den Melder im Wohnzimmer wieder an der Decke zu befestigen.
Auf der Silvesterparty des Sohns kam eine Schulkameradin auf die nur mittelmäßig gute Idee, im Wohnzimmer eine Wunderkerze anzuzünden. Das missfiel dem Rauchwarnmelder, was er durch Piepen zum Ausdruck brachte. Daraufhin kam ein anderer Gast auf die eigentlich ganz gute Idee, den Melder mit einem Besenstiel auszuschalten. Das gelang ihm auch prinzipiell, durch übermäßigen Alkoholgenuss war seine Motorik jedoch leicht eingeschränkt und er fegte den Melder komplett von der Decke.
Seitdem liegt der Rauchwarnmelder im Regal. Aber das ist auch erst zehn Monate her. Quasi ein Wimpernschlag, um kleinere Reparaturarbeiten im Haushalt durchzuführen. Nun habe ich noch eine Woche, um ihn wieder an die Decke zu kleben. Das sollte ich hinbekommen.
24. Oktober 2023, Berlin
Nächstes Jahr macht der Sohn Abitur. Das bringt so einige letzte Male mit sich. Die letzte Mathearbeit, die letzte Kursfahrt, die letzten Ferien. Und das letzte Mal Besuch vom Schulfotografen.
Ich wusste nicht, dass in der Oberstufe noch Schulfotos gemacht werden. Entsprechend überrascht bin ich, als der Sohn einen Stapel Bilder mit nach Hause bringt. Dem Gesichtsausdruck meiner Frau entnehme ich, dass es ihr genauso geht.
Wie immer besteht das Schulfotografen-Set aus einem Klassen- beziehungsweise Kursbild sowie einer Porträtaufnahme in unterschiedlichen Formaten. Die Preispolitik ist ebenfalls unverändert: Das komplette Paket kostet 24,99 Euro, ein einzelnes Foto gefühlt 24,98 Euro. Ich glaube, es wurde noch nie ein einzelnes Bild bei einem Schulfotografen gekauft.
Wenigstens sehen die Fotos alle ganz normal aus. Nicht wie sonst, als hätte ein farbenblinder Praktikant sie bearbeitet, der zum ersten Mal Photoshop benutzt. Kein Weichzeichner, keine regenbogenfarbenen Filter und kein merkwürdig gemusterter Rahmen. Einfach ganz schlichte Porträtbilder. Ein Meilenstein in der Geschichte der Schulfotografie.
Auf dem Kurs-Gruppenfoto ist der Sohn gemeinsam mit seinem Freund N. der einzige Junge unter zehn Mädchen. Bisher dachte ich, er hätte sich aus Interesse an philosophischen Ideen und den Debatten zu moralischen Fragestellungen für den Philosophie-Leistungskurs entschieden. Und weil es keine Naturwissenschaft ist und sich der Lernaufwand in Grenzen hält. Wenn ich mir allerdings das Gruppenbild anschaue, könnte auch der Mädchenüberschuss bei der Kurswahl eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben.
Rechts am Bildrand steht der Lehrer. Für mich sieht er kaum älter als der Sohn und N. aus. Möglicherweise ist meine Brille schmutzig. Oder das Foto unscharf. Der Sohn meint, der Lehrer sei locker in unserem Alter. Das ist jedoch keine verlässliche Aussage. Unsere Kinder sind sehr schlecht, was das Schätzen von Alter angeht. Für sie ist die Spanne zwischen Ende 20 und Anfang 60 quasi eine Alterskohorte. Ich glaube, als die Kinder klein waren, wussten sie nicht, wer älter ist: meine Eltern oder ich. Ich bin mir nicht sicher, ob sie es heute wissen.
Auf dem Porträt schaut der Sohn selbstbewusst, leicht spöttisch in die Kamera. Zur Feier seiner letzten Begegnung mit dem Schulfotografen trug er eine Trainingsanzugsjacke mit dem Wappen von Paris Saint-Germain. Daher sieht er nicht wie ein zukünftiger Abiturient aus, sondern wie ein hoffnungsvoller Nachwuchskicker.
Damit schließt sich ein Kreis. Als im Kindergarten erstmals Fotos von ihm gemacht wurden, sorgte meine Frau dafür, dass der Sohn ein weißes T-Shirt mit bunten Monstern sowie eine farblich passende sonnenblumengelbe Hose trug. Alles sehr niedlich, alles sehr süß.
Das Foto-Shooting fand nachmittags statt. Vormittags lieferte sich der Sohn mit seinen Freunden im Garten ein episches Fußball-Match, das für ihn mindestens den Stellenwert eines WM-Finales hatte. Deswegen spielte er mit vollem Einsatz und schonte weder sich noch seine Kleidung.
25. Oktober 2023, Berlin
Der 25. Oktober ist Sei-heute-ein-Punk-Tag. Ich kann mir nichts unpunkigeres vorstellen, als den Sei-heute-ein-Punk-Tag zu begehen. (Außer Vorsitzender der Jungen Union zu sein. Das ist noch unpunkiger.) Somit bin ich heute ein Punk, indem ich den Sei-heute-ein-Punk-Tag boykottiere.
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Meine Frau und ich üben uns mal wieder in der Kulturtechnik des abendlichen Ausgehens. Ungefähr ein- bis zweimal im Jahr schaffen wir das. Wir haben Karten für die Lesebühne Fuchs und Söhne. Dort treten immer tolle Autor*innen und Künstler*innen auf. Außerdem ist das GRIPS-Theater nur fünf Minuten mit dem Rad entfernt und das ist auch kein unwichtiges Entscheidungskriterium für eine Abendaktivität.
Mein Körper freut sich so sehr auf den Abend, dass mir an der Schläfe ein riesiger Pickel wächst. Irgendwie muss mein Körper seine Freude nach außen tragen. Der Pickel ist so groß, dass ich befürchte, er braucht einen eigenen Sitzplatz und ich muss noch ein Ticket besorgen.
Weil wir so selten weggehen, bin ich erleichtert, dass ich nicht verlernt habe, wie das geht. Zum Beispiel erinnere ich mich, nicht in Jogginghose das Haus zu verlassen, sondern vorher eine Jeans anzuziehen. (Good job, Christian, good job!)
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)